Liebe Geschwister,
es gibt Momente, da fällt es einem total leicht, Gott zu loben.
Wenn man mit netten Menschen im Gottesdienst ist und zusammen singt.
Oder wenn die Kinder und Enkel gesund und fröhlich spielen.
Oder wenn man durch die Natur geht und die Sonne scheint und alles blüht.
In solchen Momenten kommt das Loben wie von allein. Da kann man leicht Loblieder singen, ganz spontan, aus innerstem Gefühl heraus.
Aber was ist, wenn es Dir dreckig geht?
Wenn Du einsam bist oder das Kind krank ist oder Du vor Schmerzen nicht einschlafen kannst?
Kann man Gott dann loben?
Der Apostel Paulus und sein Freund Silas haben interessante Erfahrungen mit dieser Frage gemacht. Davon möchte ich Euch etwas erzählen.
Die beiden waren zusammen auf Missionstour. Dabei kamen sie ins nördliche Griechenland, in die Stadt Philippi. Sie erzählten da den Leuten von Jesus. Das sorgte für Ärger. Einige Leute regten sich furchtbar auf und schleppten die beiden vor Gericht. Da wurden sie angeklagt: „Das sind Juden! Die versuchen hier neue Sitten einzuführen. Das lassen wir uns doch nicht bieten!“ Die Stadtrichter machen kurzen Prozess: Paulus und Silas werden die Kleider runtergerissen und dann werden sie mit Ruten übelst verprügelt!
Und was danach passiert, das möchte ich euch direkt aus der Bibel vorlesen:
Ac. 16, 23-33 (Basis-Bibel)
Nachdem sie viele Schläge erhalten hatten,
ließ man sie ins Gefängnis werfen.
Dem Gefängniswärter wurde eingeschärft,
sie besonders gut zu bewachen.
Er führte den Befehl aus und brachte sie in die hinterste Zelle. Dort schloss er ihre Füße in den Holzblock.
Um Mitternacht beteten Paulus und Silas
und sangen Loblieder für Gott.
Die anderen Gefangenen hörten ihnen zu.
Plötzlich gab es ein starkes Erdbeben,
das die Fundamente des Gefängnisses erschütterte.
Da sprangen alle Türen auf,
und die Ketten fielen von den Gefangenen ab.
Der Gefängniswärter wurde aus dem Schlaf gerissen.
Als er sah, dass die Gefängnistüren offen standen,
zog er sein Schwert und wollte sich töten.
Denn er dachte, dass die Gefangenen geflohen waren.
Aber Paulus schrie laut:
»Tu dir nichts an! Wir sind alle noch hier.«
Der Wärter rief nach Licht. Er stürzte in die Zelle und warf sich zitternd vor Paulus und Silas nieder.
Dann führte er sie hinaus und fragte: »Ihr Herren, was muss ich tun, damit ich gerettet werde?«
Sie antworteten: »Glaube an den Herrn, Jesus,
dann wirst du gerettet und mit dir deine ganze Hausgemeinschaft.«
Und sie verkündeten ihm und allen anderen in seinem Haus das Wort des Herrn.
In dieser Nacht, noch in derselben Stunde,
nahm der Wärter Paulus und Silas zu sich.
Er wusch ihnen die Wunden aus.
Dann ließ er sich umgehend taufen –
mit allen, die bei ihm lebten.
Anschließend führte er die beiden in sein Haus hinauf
und lud sie zum Essen ein.
Die ganze Hausgemeinschaft freute sich,
dass sie zum Glauben an Gott gefunden hatte.
Der Bericht ist voller Überraschungen.
Ein Erdbeben. Ketten lösen sich aus dem Mauerwerk. Türen fallen aus den Angeln. Der Gefängniswärter begeht um ein Haar Selbstmord. Dann hört er von Jesus und kapiert, dass er sein Leben ändern muss. Er pfeift darauf, was seine Vorgesetzten denken und lässt sich taufen und seine ganze Familie mit ihm.
Lauter Überraschungen. Aber alles fängt mit einer anderen Überraschung an.
Das ist für mich die Mitte dieses Textes:
V. 25: „Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und sangen Gott Loblieder.“
Lasst uns noch mal vor Augen halten wie ihre Lage war: Sie sitzen in einer Gefängniszelle. Einem dunklen Loch. Die Beine sind in den Block gelegt. Ihr kennt das bestimmt aus Filmen: So ein Holzblock mit runden Löchern für die Beine. Der wird aufgemacht. Beine rein. Zugeschlossen und fest liegt man.
Sie können sich nicht drehen und wenden. Der Rücken ist blutig und schmerzt wie verrückt. Die Kleider zerfetzt. In der Zelle stinkt nach Urin und anderen Exkrementen. Es ist kalt. Es ist stockdunkel. Es ist mitten in der Nacht.
Und was tun sie in diesem Loch?
Sie singen! Sie singen Gott Loblieder! Lob im Loch!
Wie kann man das machen in so einer Lage?
Waren die beiden einfach gut drauf und in Stimmung?
Oder waren die so preußisch-diszipliniert, dass sie sagten: „So, nach meiner Uhr ist es jetzt Mitternacht. Zeit für Gebet und Loblieder wie jede Nacht.“ Lob aufgrund eingefleischter Routine?
Wie war das wohl?
Ich stelle mir ein Gespräch zwischen den beiden vor.
Ein Dialog um Mitternacht im Gefängnis:
Silas: (flüsternd) Paulus, schläfst du?
Paulus: Wie soll man denn hier schlafen?! Mir tut alles weh. Und dann noch dieser blöde Block! Man kann sich nicht mal auf die Seite drehen.
Hoffentlich ist die Nacht bald rum.
S: Und hoffentlich kommen wir morgen hier raus.
Ich verstehe das nicht, Paulus.
Es ist alles total schief gegangen. Ich dachte, Gott will, dass wir den Leuten hier in Europa von Jesus erzählen und jetzt vermodern wir in diesem Knast. Das ist doch Mist!
P: Ach, Silas, hör auf! Das Jammern bringt doch nichts!
S: Aber was bringt denn etwas!?
P: Zumindest sollten wir uns nicht von den äußeren Umständen unterkriegen lassen.
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!
S: Na toll! Gutes getan! Ein wunder Rücken und ein harter Block…
Immerhin kann ich jetzt ein bisschen besser nachempfinden, was Jesus für uns durchgemacht hat. Dem haben sie doch auch den Rücken wund geprügelt.
P: Stimmt! Du, Silas, jetzt geht es uns wirklich so ähnlich wie ihm. Jetzt sind wir ihm ganz nah. Irgendwie näher als sonst.
S: Genau! Sogar hier, in diesem dunklen Loch mitten in der Nacht! Auch hier sind wir in seiner Hand.
P: Ja! In seiner guten Hand. Lobe den Herrn, meine Seele.
Vielleicht sollten wir das wirklich einfach machen. Ihn loben, auch hier.
Und dann singen die beiden: Großer Gott, wir loben dich. Herr, wir preisen deine Stärke….
So ähnlich könnte es gewesen sein. Das Lob im Loch.
Wenn man in der Tiefe steckt, im Dunkeln, dann kommt das Lob jedenfalls nicht einfach von allein, so aus dem Überschwang der Gefühle. Sondern man muss einen Weg gehen.
Dieser Weg führt vom Herz übers Hirn zum Mund.
Es fängt beim Herz an.
Das Lob Gottes entsteht im Herz.
Und jetzt ist eine Sache ganz wichtig: Das „Herz“ ist in der Bibel nicht der Sitz der Gefühle.
Sondern das Herz ist der Sitz des Willens. Mit „Herz“ meint die Bibel unser inneres Steuerrad, den Ort, wo die Entscheidungen getroffen werden.
Wenn wir Gott im Dunkeln loben wollen, dann braucht es dazu einen Willensanstoß. Einen inneren Schubs:
Ich will mich nicht von den äußeren Umständen bestimmen lassen.
Ich will mich nicht von meinen Sorgen, Ängsten oder Ärger beherrschen lassen.
Paulus und Silas haben sich im Gefängnis entschlossen, sich nicht vom Strom der negativen Gefühle treiben zu lassen, sondern auszusteigen.
Sie entschlossen sich, ihre Aufmerksamkeit auf Gott zu richten.
Wie das der Psalmbeter im Ps. 103 gemacht hat: Auf, meine Seele, lobe den Herrn und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.
Vom Herz kommt es dann zum Hirn.
Zum echten Loben brauchen wir unser Hirn, unseren Verstand.
Vergiss nicht, was Er dir Gutes getan hat.
Wenn wir im Loch sitzen, dann schränkt sich unsere Wahrnehmung ganz schnell ein. Die Gedanken kreisen um das Negative. Wir brauchen dann unseren Verstand und unsere Erinnerung, um die Wahrnehmung wieder zu weiten:
Ich bin nicht alleine hier.
Gott ist da.
Er ist der Chef des Universums. Er sieht mich hier und hält mich fest und hat alles unter Kontrolle. Er liebt mich auch jetzt, auch wenn ich nicht kapiere, was dieses Leiden soll und nicht weiß wie es ausgehen wird. Er hat mich mein Leben lang versorgt, mir unzählig viel Gutes getan. Und er wird auch weiter für mich sorgen.
Im Nachdenken und Erinnern wird unsere Wahrnehmung weit. Uns wird bewusst, dass das Loch nur ein kleiner Teil der Wirklichkeit ist und dass wir auch dort umgeben sind von Gott und seiner Liebe.
Uns wird bewusst, dass es Gründe gibt, Gott zu loben auch wenn die Nacht noch dunkel ist.
Und dann kommt der Mund.
Wenn das Herz entschlossen ist und das Hirn Gründe weiß, dann kann das Lob aus dem Mund kommen.
Dazu brauchen wir Worte.
Und gerade, wenn wir im Loch sind, dann fehlen uns manchmal die Worte.
Da ist es gut, wenn wir uns bei anderen Worte zum Loben leihen.
Zum Beispiel bei den Psalmen.
Paulus und Silas werden da im Gefängnis sicher Psalmen gebetet haben. Die kannten sie zum großen Teil auswendig. Klagepsalmen, aber eben auch Lobpsalmen. Lobe den Herrn, meine Seele, …
Oder wir können uns Worte aus Liedstrophen leihen. Großer Gott wir loben dich…
Gut, wenn man einige Lieder und Psalmen auswendig kann, die man dann in solchen Situationen zur Verfügung hat.
Lob im Loch.
Vom Herz übers Hirn kommt das Lob zum Mund.
Singet dem Herrn ein neues Lied!
Und der Friede Gottes, … Amen.