Liebe Geschwister,
unser Sohn Tobias zieht in ein paar Wochen nach Stuttgart, um dort ein Praktikum zu machen. Er hat da ein Zimmer in einer WG gefunden und überlegt jetzt, wie er in dem Zimmer seine Sachen unterbekommt. Für so etwas braucht man manchmal so einen Zollstock. Wie breit ist der Schreibtisch? Wie lang das Bett und das Regal? Passt das auf diese Seite des Zimmers oder nicht?
Ihr kennt das bestimmt vom letzten Umzug oder wenn man in der eigenen Wohnung umräumen will. Dann muss man auch überlegen: Was passt wo hin?
Für so etwas ist ein Zollstock ein wunderbares Teil. Klein und handlich und praktisch.
Mit so einem Zollstock kannst du Maß nehmen.
Ein Zollstock ist ein Maßstab im wörtlichen Sinne.
Maßstäbe benutzen wir aber nicht nur für Möbel.
Maßstäbe gibt es auch im übertragenen Sinn.
Welche Maßstäbe legst Du an Dein Leben an?
Welche Maßstäbe legt Ihr an andere Menschen an?
Welche Maßstäbe legt Gott an uns an?
Jesus hat einmal ein Gleichnis erzählt, in dem es auch um Maßstäbe geht. Das ist der Predigttext für diesen Sonntag.
Lukas 18, 9-14
„Jesus sagte zu einigen, die überzeugt waren, fromm und gerecht zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.“
Dieses Gleichnis von Jesus kann man wunderbar mit Hilfe so eines Zollstocks veranschaulichen.
Es ist die Geschichte von zwei sehr unterschiedlichen Männern.
Der eine war ein moralischer Riese.
(Zollstock ganz ausklappen und hoch halten)
Ein Pharisäer. Und unter den Pharisäern dürfen wir uns nicht irgendwelche hinterhältigen Heuchler vorstellen. Das waren tatsächlich moralisch beeindruckende Menschen. Die haben ernsthaft versucht, ihr ganzes Leben nach Gottes Geboten auszurichten. Die wollten wirklich gut sein. Die wollten ganz konsequent sein. Die haben wirklich zwei Mal die Woche gefastet! Dienstags und donnerstags nichts gegessen! Stellt euch das mal vor! Um Gott zu gefallen.
Und die haben wirklich von allem Einkommen und allem, was sie ernteten, 10 % an Gott bzw. an den Tempel abgegeben.
Die gingen am Sabbat keinen Schritt mehr als erlaubt war. Die verpassten keinen Gottesdienst. Ihr ganzes Leben kreiste darum, gut zu sein, Gottes Willen zu tun und Gott zu gefallen.
Ein moralischer Riese steht da im Tempel und betet: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie die anderen, zum Beispiel dieser Zöllner da hinten.
Der war nämlich das Gegenteil: ein moralischer Zwerg. (Zollstock zusammenklappen)
Der hatte sein Leben verbockt. Er arbeitete mit den römischen Besatzern zusammen, holte für die die Steuern aus den armen Leuten heraus. Der machte für die Römer die Schmutzarbeit und lebte davon, dass er mehr aus den Leuten herauspresste als eigentlich nötig war. Das war richtig mies.
Dieser Zöllner hatte moralisch wirklich nichts vorzuweisen. Und das weiß er auch. Er wagt nicht mal nach oben zu schauen und ihm ist klar, dass er von Gott nichts erwarten kann.
Wer von den beiden gefällt Gott wohl?
Nach menschlichen Maßstäben ist das doch klar: Der Riese! Der, der gut ist.
Aber jetzt die Überraschung. Jesus sagt, dass Gottes Maßstäbe ganz anders sind.
Der Zöllner geht gerechtfertigt nach Hause. Er ist mit Gott im Reinen. Und der Pharisäer nicht.
Gott durchkreuzt unsere Maßstäbe. (Zollstock zu X formen)
Er bringt unsere moralischen Bewertungen total durcheinander.
Aber wieso? Wie kann das sein?
Die Sache ist die: An Gottes Heiligkeit gemessen ist jeder, auch der Frömmste und Beste, ein Sünder.
Nach außen hin sind der Pharisäer und der Zöllner total verschieden. Die liegen die Welten auseinander. Aber im Herzen sieht es anders aus. Da sind die beiden gar nicht so weit auseinander.
Auch der Pharisäer kannte fiese Gedanken und böse Gefühle. Der hatte auch Lust, sich mal zu besaufen oder im Luxus zu baden oder mit der Nachbarin ins Bett zu gehen. Der Pharisäer ließ das nur nicht raus. Er riss sich zusammen. Um in den Himmel zu kommen. Um gut da zu stehen.
In seinem Herzen sah es gar nicht so viel anders aus als bei dem Zöllner.
Und Gott misst uns nicht an unserem äußeren Verhalten, sondern er legt den Maßstab an unser Herz, unser Inneres an.
Und wenn wir ganz ehrlich sind, wenn wir unser Herz ehrlich anschauen, dann müssen wir doch alle eingestehen: Da ist vieles, was hässlich und dunkel ist. Gedanken und Gefühle, die wir lieber nicht nach außen zeigen wollen, die uns peinlich sind und wegen denen wir uns schämen.
Gott sieht unser Herz. Und vor ihm sind wir alle im Minus. (Zollstock zum Minus machen)
Egal ob Pharisäer oder Zöllner oder Pfarrer oder Taschendieb. Vor Gott haben wir alle heftige Defizite.
Aber jetzt hat Gott durch Jesus die Maßstäbe verändert.
Er hat Jesus geschickt, den einzigen Menschen, der wirklich gut war, der auch im Herzen gut war. Und er hat ihm unser ganzes Böses aufgeladen.
Er hat ihn mit unserer Sünde identifiziert.
Jesus hat unser Minus, unser Defizit auf sich genommen.
Und so können wir ins Plus kommen. So spricht Gott Sünder gerecht. (Plus machen)
Die Voraussetzung dafür ist, dass wir ihm unsere Schuld und Dunkelheit eingestehen, dass wir uns nicht selbstgerecht aufplustern wie der Pharisäer, sondern um Vergebung der Schuld bitten, wie der Zöllner.
Darum ging dieser Zöllner gerechtfertigt nach Hause.
Weil Gott ihm alle seine Schuld vergeben hat.
Das heißt nicht, dass Jesus die Sünde verharmlost. Er sagt nicht: Es ist egal wie du lebst. Aber er sagt uns: Du hast die Chance, deine Schuld loszuwerden. Vergebung ist möglich. Aus Minus kann Plus werden.
Aber macht es dann überhaupt noch Sinn, sich an den Geboten Gottes zu orientieren? Braucht man die überhaupt noch?
Ja, die Gebote sind wichtig!
Denn sie sind wie ein Rahmen.
(Zollstock zum Rahmen formen.)
In diesem Rahmen kann unser Leben gelingen. Dieser Rahmen der Gebote schützt. Er schützt unser eigenes Leben und das Leben anderer. Wenn wir den Ruhetag einhalten, die Eltern ehren, das Leben anderer respektieren, die Ehe achten, nicht stehlen und ehrlich sind – das bewahrt unser Leben und unsere Beziehungen.
Darum sind die Gebote wichtig und gut. Wir brauchen diesen Rahmen ganz dringend als Einzelne und als Gesellschaft. Und wer ihn bewusst übertritt, der fügt sich selbst und anderen schweren Schaden zu.
Die Gebote sind der Rahmen für ein heiles Leben, aber sie können uns eben nicht mit Gott ins Reine bringen. Sie sind kein Mittel, um uns vor Gott gerecht zu machen.
Unsere Beziehung zu Gott wird bestimmt von seiner Liebe.
(Zollstock zu Herz formen)
Diese Liebe Gottes geht allen Geboten voraus.
Gott liebt dich, noch ehe du irgendein Gebot erfüllt hast.
Und er liebt dich immer noch, selbst dann, wenn du sie alle gebrochen hast.
Und das ist es, was unser Herz verändern kann.
Die Gebote können das nicht. Die können uns dazu bringen, unser äußeres Verhalten zu verändern, aber sie können unser Herz nicht verändern.
Aber wenn du entdeckst, dass Gott dich wirklich liebt, trotz allen Gebotsbrüchen, trotz allem Dunklen, was in dir ist, dann kann diese Liebe Gottes etwas Neues in dir entzünden: Eine tiefe Freude und Dankbarkeit und Liebe zu diesem Gott. Und daraus fließt dann eine neue Liebe zu den anderen Menschen.
Wir haben eben den Ferdinand getauft.
In der Taufe wird besonders anschaulich, wie Gott mit uns Menschen umgeht.
In der Taufe hat Gott dem Ferdinand zugesagt: Ich will zu dir gehören. Wir zwei, wir gehören zusammen. Und das nicht, weil Ferdinand schon wer weiß was für tolle moralischen Leistungen vollbracht hat. Ein kleines Kind hat noch nichts vorzuweisen. Das steht vor Gott mit komplett leeren Händen da. Aber Gott sagt Ja zum Ferdinand und zu uns, noch bevor wir irgendwas leisten können.
Seine Liebe steht immer am Anfang. Und seine Liebe geht allem guten Handeln voraus.
Das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner zeigt uns:
Gottes Maßstäbe sind anders.
Und darum sollten wir aufhören, uns selbst moralisch zu messen oder andere zu messen.
Wir können den Zollstock beiseite legen und uns einfach von Gott lieben lassen!
Und der Friede Gottes…
Amen.