Liebe Geschwister,
jetzt gehen wir ins vierte Kapitel vom Philipperbrief. Da spricht Paulus einige sehr konkrete, praktische Dinge an. Manche Themen, die vorher schon anklangen, tauchen wieder auf.
Im 2. Kapitel klang schon ein bisschen an, dass es beim Thema Einigkeit in Philippi Probleme gibt. Jetzt wird Paulus konkreter.
V. 2: „Ich ermahne Evodia und Syntyche: Seid euch einig, denn ihr gehört beide zum Herrn!“
Das ist doch interessant, oder?
Da sind zwei Frauen in der Gemeinde, die einen Konflikt haben. „Zickenkrieg“ würde man heute vielleicht sagen.
Wir wissen nicht, worum es da inhaltlich geht. Die beiden Damen werden auch sonst in der Bibel nicht erwähnt.
Für Paulus ist das Thema Einigkeit ganz wichtig. Deshalb belässt er es nicht bei allgemeinen Ermahnungen, sondern spricht die beiden hier direkt an.
Jetzt muss man sich mal vorstellen, wie das war: Der Brief wurde ja von jemandem vor der versammelten Gemeinde vorgelesen, so wie wir hier beisammen sitzen. Die beiden Frauen, Evodia und Syntyche, saßen da auch und kriegten rote Ohren, wie sie da direkt angesprochen werden: „Seid euch einig!“
Einigkeit heißt für Paulus nicht, dass man in allem dieselbe Meinung haben muss, aber dass man dieselben Grundwerte und Ziele hat und sich gegenseitig anerkennt und wertschätzt. „Ihr beide gehört zum Herrn!“
Und dann wird noch jemand angesprochen (V. 3) „Ja, und dich, treuer Weggefährte, bitte ich: Hilf ihnen dabei!“ Wir wissen nicht, wer dieser Weggefährte ist, aber da scheint einer in der Gemeinde zu wissen, dass er gemeint ist und dass er den beiden bei ihrem Konflikt helfen soll.
Welchen Menschen stehst du bei in einem Konflikt?
Mir fällt das schwer. Ich denke immer: Das sollen die unter sich ausmachen. Da mische ich mich lieber nicht ein. Aber manchmal ist es wichtig zu vermitteln, damit ein Streit nicht eskaliert und zwei Menschen sich wieder annähern und versöhnen.
Steh ihnen bei! Denn diese beiden Frauen waren wichtig für die Gemeinde in Philippi. Paulus sagt: Sie haben gemeinsam mit mir für die Gute Nachricht gekämpft.
Hier kriegen wir einen tiefen Einblick in das Leben der Urkirche und in die Rolle der Frauen damals.
Frauen haben ja in der Kirche jahrhundertelang keine große Rolle spielen dürfen. Aber in den ersten christlichen Gemeinden war das offensichtlich anders.
Wir wissen aus der Apostelgeschichte von einer Frau namens Lydia, die in Philippi durch Paulus zum Glauben an Jesus kam. Die war Purpurhändlerin, war Geschäftsfrau, und bei ihr im Haus trafen sich die ersten Christen als Hausgemeinde.
Und jetzt diese beiden, Evodia und Syntyche. Sie haben mit Paulus „für die Gute Nachricht, das Evangelium, gekämpft“. Das heißt doch: Sie haben in der Gemeinde nicht nur Kaffee gekocht, sondern sich aktiv an der Verbreitung der Jesusnachricht beteiligt.
Sie haben anderen von ihrem Glauben erzählt, haben die Neubekehrten unterwiesen, haben Gemeindeleben organisiert.
Frauen wie sie spielten eine ganz wesentliche Rolle in der jungen Kirche.
Jetzt kommen wir zu V. 4-7. Ein neues Thema.
Jetzt spricht Paulus wieder die ganze Gemeinde an.
Es ist eine Serie von kurzen Ermahnungen.
Vier Sätze von ungeheurer Dichte.
Über jeden dieser Sätze könnte man eine ganze Predigt halten:
„Freut euch immerzu, weil ihr zum Herrn gehört. Ich sage es noch einmal: Freut euch!“
Vielleicht kennen Sie den Wortlaut nach der Lutherübersetzung:
Freuet euch in dem Herrn allewege und abermals sage ich: Freuet euch!
Die Freude zieht sich ja wie einer roter Faden durch den Philipperbrief. In jedem Kapitel tauchte sie auf. Paulus spricht hier von einer Freude, die unabhängig ist von den äußeren Umständen.
Der zweite Satz:
„Alle Menschen sollen merken, wie gütig ihr seid. Der Herr ist nahe.“ Zeigt den Menschen eure Güte, sagt Paulus. Zeigt, dass ihr keine Griesgrame seid, nicht verbittert und verknittert, sondern gütig und milde und freundlich, weil der Herr mit seiner großen Güte ganz nahe ist.
Und ein dritter Impuls:
„Macht euch keine Sorgen. Im Gegenteil: Wendet euch in jeder Lage an Gott. Tragt ihm eure Anliegen vor in Gebeten und Fürbitten und voller Dankbarkeit.“
Macht euch keine Sorgen! Das klingt ja wie ein Satz aus Bullerbü. Das klingt so naiv. Das Leben ist schön. Macht euch keinen Kopf.
Aber Paulus sitzt nicht in Bullerbü, sondern in einem Gefängnis. Er weiß nicht, wie lange er da noch sitzen wird und ob er überhaupt lebend da rauskommt. Er weiß auch um die Probleme in den Gemeinden, dass Verfolgungen angefangen haben. Er ist nicht naiv.
„Macht euch keine Sorgen“ heißt nicht: „Es wird nichts Schlimmes passieren“, sondern: Ihr seid in Gottes Hand, egal, was passiert.
Darum sagt der Apostel: Wendet euch an Gott und gebt ihm eure Sorgen. Vertraut euch ihm an.
Wo trifft Sie das? Welche Sorge belastet Sie und welche Sorge möchten Sie gerne loswerden?
Manchmal hilft es, eine Sorge, die einen immer wieder quält, auf einen Zettel zu schreiben und dann bewusst diesen Zettel an Gott zu übergeben; sie vielleicht vor einem Kreuz ablegen und zu Gott sagen: diese Sorge gebe ich jetzt in deine Hände und lasse sie los. Ich vertraue dir. Vertraue mich dir an!
Und wer so seine Sorgen an Gott abgibt, der kann der kann erfahren, was in V. 7 steht: Dass der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, die Herzen und Gedanken behütet.
Vielleicht kennen Sie diesen Satz. Es ist der Kanzelsegen, mit dem viele Predigten beendet werden: Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!
Vier ganz dichte Sätze. Und alle haben eine gemeinsame Mitte.
Alles ist miteinander verbunden durch die Verbindung zum Herrn, zu Gott:
Freut euch in dem Herrn! Weil er da ist, gibt es immer Grund zur Freude auch in schweren Situationen.
Zeigt eure Güte – weil der Herr nahe ist.
Sorgt euch nicht – sondern gebt eure Sorgen an Gott ab, der für euch sorgt.
Und so können wir den Frieden Gottes erleben, der höher ist als alle Vernunft.
Dieser kurze Abschnitt zeigt in ganz komprimierter Form, wie sich der Kontakt zu Jesus im Alltag auswirkt, wie der Glaube an Gott konkrete Folgen hat. Es lohnt sich, diese Verse ins Herz zu bekommen, sie auswendig zu lernen. Probieren Sie das doch mal!
Am Ausgang finden Sie diese Verse in der Lutherübersetzung auf kleinen Kärtchen ausgedruckt. Nehmen Sie sich gerne so ein Kärtchen mit als Begleitung für die Woche!
Jetzt gehen wir weiter im Kapitel. Es kommen noch ein paar weitere Aufforderungen in V. 8-9, und dann kommt Paulus zu dem Thema, das der eigentliche Anlass von diesem Brief war.
Die Gemeinde in Philippi hatte für den Paulus ein Carepaket zusammengestellt. Sie hatten erfahren, dass er im Gefängnis sitzt – wir wissen nicht wo, evtl in Ephesus oder Rom oder woanders. Und sie haben eine Kollekte gemacht und ein Hilfspaket gepackt. Es wäre interessant zu wissen, was da alles drin war. Sicher etwas Essen, das lange haltbar ist: Rosinen, Nüsse, ein Schlauch Wein. Sicher auch Geld.
Sie hatten schon öfters Paulus unterstützt und ihm Pakete geschickt. Paulus weist extra noch mal darauf hin in V. 15-16. Es war die einzige Gemeinde, von der Paulus sich so unterstützen ließ. Normalerweise machte er das nicht. Er wollte nicht den Verdacht aufkommen lassen, dass er seine Missionsarbeit macht, um sich durchfüttern zu lassen. Aber bei den Philippern war das Verhältnis so gut und vertrauensvoll, dass er gerne ihre Unterstützung annahm.
Also, die Gemeinde hatte wieder ein Paket gepackt und dann einen Mann namens Epaphroditus damit losgeschickt. Wir hatten schon im 2. Kapitel von ihm gehört. Und jetzt schreibt Paulus so eine Art Empfangsbestätigung. V. 18: Ich habe alles erhalten und habe jetzt in Hülle und Fülle!
Für Paulus war dieses Hilfspaket ein ganz wichtiges Zeichen. Es ist ein Ausdruck der Liebe und Zusammengehörigkeit. Die Philipper zeigten damit, dass sie mit Paulus mitleiden und seine Not teilen.
Das spricht doch sehr deutlich in unsere Situation hinein.
Zum Christsein gehört ganz wesentlich, die Not anderer Menschen wahrzunehmen und zu teilen.
Wir können das heute in diesem Gottesdienst ganz praktisch machen.
Uns bewegt, denke ich, alle die Not der Menschen im Erdbebengebiet.
Natürlich kommen da Fragen auf: Wer ist Schuld? Hätte man das verhindern können? Und auch die Frage: Warum lässt Gott immer wieder solche Katastrophen zu? Warum hat er eine Welt geschaffen, wo die Erdkruste so leicht erzittert? Warum müssen da tausende von Menschen sterben?
Ich weiß das nicht. Die Bibel gibt uns da keine befriedigende Antwort drauf. Und selbst wenn wir eine Antwort wüssten, würde das den Menschen dort in ihrer Not nicht helfen.
Statt zu grübeln, ist es doch sinnvoller, praktisch zu helfen und Not zu lindern. Die Philipper haben auch nicht gegrübelt: Warum lässt Gott zu, dass unser Apostel im Knast festsitzt? Sondern sie haben pragmatisch überlegt: Wie können wir ihm helfen?
Wir können heute den Menschen in Syrien ganz praktisch helfen. Meine Kollegin Ulrike Vehrmann aus der Lutherkirche schickte vor ein paar Tagen eine Email und schrieb, dass das Gustav-Adolf-Werk guten Kontakt zu evangelischen Gemeinden in Nordsyrien hat, direkt im Erdbebengebiet. Die Gemeinden dort bitten dringend um Hilfe. Das Gustav-Adolf-Werk ist eine christliche Hilfsorganisation, die Gemeinden in Diasporagebieten unterstützen. Das Geld, das wir da hin spenden, geht direkt an die Gemeinden, die dann wiederum den Erdbebenopfern damit helfen können.
Wir haben beschlossen, dass wir heute und an den nächsten Sonntagen im Februar für die Erdbebenhilfe kollektieren. Da können wir ganz praktisch tun, was auch die Philipper gemacht haben: Mit unserem Geld die Not anderer lindern.
Wir haben im Presbyterium noch etwas beschlossen: Dass wir den Klingelbeutel wieder während des Gottesdienstes einsammeln. Das hatten wir ja wegen Corona aufgehört und nur am Ausgang gesammelt. Ab jetzt kollektieren wir wieder im GD. Damit soll deutlich werden, dass die Kollekte wirklich ein Teil des Gottesdienstes ist. Wenn wir Geld spenden für die Not anderer, dann dienen wir Gott damit und drücken unseren Glauben aus.
Ein letzter Gedanke noch.
Schauen Sie sich mal V. 11-13 an!
Da schreibt der Paulus etwas, das ist hochinteressant:
„Ich habe gelernt, in jeder Lage allein zurechtzukommen“.
Wörtlich heißt es: Ich habe gelernt, autark zu sein.
Wir erleben ja gerade, wie unangenehm das ist, wenn man nicht autark ist. Wie unangenehm das ist, wann man von anderen abhängig ist, zB von Gas aus Russland oder von Technologie aus China. Wie leicht man da erpressbar wird.
Das gilt aber auch auf der individuellen Ebene. Wer autark ist, der ist unabhängig. Der ist frei.
Autark sein heißt für Paulus: Er hat gelernt, mit dem zufrieden zu sein, was er hat. Er konnte Überfluss haben, ohne sich daran zu binden. Und er konnte Mangel ertragen ohne zu verbittern, ohne einzuknicken.
Hätte Paulus nicht gelernt, Mangel zu ertragen, Hunger auszuhalten und kalte Nächte und wunde Füße, dann hätte er seine Aufgabe nicht erfüllen können. Dann hätte er nie überall neue Gemeinden gründen können. Er wäre in seinem Wirkungsradius ganz eng begrenzt gewesen.
Aber so, weil er in der Lage war zu verzichten, war er ungeheuer frei.
Frei ist, wer verzichten kann.
Wo ist das für Sie relevant?
Wo erleben Sie, dass Wohlstand oder Sicherheit oder Komfort zur Fessel wird?
Paulus will sich hier nicht als der moralische Superheld darstellen, sondern er sagt noch zwei wichtige Dinge.
Er sagt: Ich habe gelernt, autark zu sein.
Das war ihm nicht angeboten. Er hat es gelernt durch Erfahrung. Er hat Mangel erlebt und gelernt, dass man auch mit weniger auskommt.
Und dann sagt er in V. 13, wo seine Kraft herkommt: Ich kann das „durch den, der mich stark macht.“ Durch Gott. Paulus erlebte, dass Gott ihm Kraft gibt. Dass er bei Gott Halt und Geborgenheit erlebt, um Hunger und Angst auszuhalten. Da war der starke Halt, die starke Hand. Und diese Kraft machte ihn fähig, den Mangel auszuhalten und frei zu sein.
Jetzt kommt Paulus ans Ende seines Briefes. Am Schluss stehen, wie bei allen Briefen, Grüße.
Grüßt alle Heiligen, alle Christen, in eurem Umfeld. Und alle, die hier bei mir sind, grüßen euch.
Mit dabei waren Menschen, die „im kaiserlichen Dienst stehen“. Vermutlich waren das Sklaven. Der Kaiser in Rom hatte tausende von Sklaven überall im Reich. Einige waren offenbar Christen geworden und senden ihre Grüße.
Diese Grüße waren nicht nur eine Floskel, sondern das ist antikes Netzwerken.
So wird deutlich: Alle, die zu Jesus gehören, gehören zu einer großen Familie, gehören zusammen.
Die Christen in Philippi und die in Ephesus und Rom und Jerusalem und auch wir hier in Bonn.
Und damit endet dieser wunderschöne Brief an die Gemeinde in Philippi.
Lesen Sie ihn doch noch mal zu Hause in Ruhe durch!
Nehmen Sie gerne das Kärtchen mit den Versen 4-7 am Ausgang mit und prägen Sie es sich ein.
Ich hoffe, dass durch diese Worte von Paulus Gott selbst in Ihr Leben gesprochen hat und weiter sprechen wird.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Gedanken in Christus Jesus. Amen.