Liebe Geschwister,
Es gibt Menschen, die fühlen sich wie so ein Streichholz.
(Streichholz anzünden und abbrennen lassen)
Abgebrannt, ausgebrannt. Kein Feuer mehr. Keine Energie. Kurz vor dem Burn-out oder vielleicht schon mittendrin.
Ich habe den Eindruck, dass für viele, vielleicht auch für manche von uns hier, die letzte Zeit sehr anstrengend war. Corona, der Ukrainekrieg, das Wissen um den Klimawandel und das Bewusstsein, dass wir da eigentlich viel schneller agieren müssten und es doch nicht schaffen. Seit Wochen eine Krankheitswelle. Man kommt von einem Infekt in den nächsten. Kitas schließen früher, Arbeitsstress, Sorge um die Eltern oder Kinder.
Und dann noch dieses scheußliche Wetter. Man sehnt sich nach Frühling und erlebt Kälte und Regen.
Da kommt ganz schön viel zusammen. Fühlen Sie sich manchmal auch so?
In den Predigttext heute geht es um einen Mann, der sich auch so gefühlt hat. Er ist müde, ausgebrannt, am Ende. Und dann erlebt er, wie Gott mit ihm einen neuen Anfang macht.
Es ist Elia, der Prophet. Ein Mann Gottes.
Elia, Elijahu im Hebräischen, heißt wörtlich: Mein Gott ist Jahwe. Sein Name war Programm.
Er war eine Kämpfernatur. Er hatte jahrelang für Gott gekämpft. Hat mit Leidenschaft dafür gekämpft, dass das Volk Israel bei Jahwe, seinem Gott, bleibt und nicht anderen Göttern hinterher rennt.
Aber er musste erleben, wie seine Predigten in den Wind gingen, wie die Leute mehr und mehr den Götzen Baal verehrten, wie sie scharenweise zu den Altären von Baal rannten, mit Begeisterung ihm Opfer brachten, sich da besoffen und herumhurten, weil das angeblich Baal gefiel.
Und er musste mitansehen, wie gleichzeitig die Altäre Jahwes immer mehr verfielen, Spinnweben zogen sich darüber. Viele wurden sogar bewusst zerstört.
Wir klagen heute über die hohen Austrittszahlen bei den Kirchenmitgliedern. Da war ja letzte Woche ein großer Artikel im GA zu finden.
In Elias Zeiten war das viel krasser. Da sind die Leute wirklich scharenweise von Gott zu Baal übergelaufen.
Der König Ahab forcierte diese Entwicklung. Vor allem seine Frau Isebel wollte das so. Sie war keine Israelitin, eine „Heidin“, die selbst Baal verehrte. Sie sorgte für einen richtigen Baal-Hype im Land.
Elia kämpfte dagegen an. Und er erlebte einen großen Erfolg. Auf dem Berg Karmel sollte es zu einem öffentlichen Wettbewerb kommen.
Wer ist der wahre Gott: Jahwe oder Baal? Welcher Gott gibt ein Zeichen seiner Macht?
Und dann passierte tatsächlich ein Wunder. Es kam Feuer vom Himmel als Elia zu Jahwe rief.
Das Volk jubelte.
Elia ist in totaler Euphorie. Er nutzt den Rausch der Begeisterung und fordert das Volk auf, die ganzen Baalspriester, die da waren zu töten. Er tat es, ohne von Gott dazu beauftragt zu sein. Hatte sich da in seinem Eifer hinreißen lassen.
Es war ein großer Triumph.
Elia stand als der große Sieger da, breitbeinig, selbstbewusst, voller Energie, als könnte er Bäume ausreißen.
Aber er hatte sich zugleich emotional völlig verausgabt. Und dann wendet sich das Blatt, ganz plötzlich.
Ich lese den Predigttext aus 1. Kön 19.
Es ist das Kapitel, das auf die Ereignisse am Karmel folgt.
Lesung 1. Kön 19, 1-13
Wie gut, dass dieses Kapitel in der Bibel steht!
Ohne dieses Kapitel würde Elia als der große Glaubensheld vor uns stehen, unangreifbar, meterhoch über uns; von uns kleinen Normalmenschen nie zu erreichen.
In diesem Kapitel kommt uns Elia auf einmal ganz nah. Da sehen wir: er ist ein Mensch wie du und ich: ängstlich und müde, verletzlich und einsam.
Er hatte sich über seine Kräfte verausgabt. Hatte vielleicht auch gedacht: jetzt ist das Problem mit Baal endgültig ausgestanden.
Dann diese Morddrohung von Isebel, der Königin; ihre Wut und Entschlossenheit. Das trifft Elia wie ein Faustschlag ins Gesicht.
Plötzlich packt ihn die Angst. Er gerät in Panik, denkt nicht mehr nach, sondern läuft einfach auf und davon, rennt um sein Leben, rennt und rennt und rennt.
Eine wilde, kopflose Flucht. Weg von Isebel, weg von den Problemen. Nichts mehr davon sehen und hören. Einfach nur abhauen, nur weg, irgendwo hin in den Süden.
Der Prophet auf der Flucht.
Vielleicht haben manche von Ihnen auch schon mal solche Fluchtfantasien gehabt, den Wunsch gehabt: Einfach nur weg von hier, weg von meinen Problemen, weg von den Menschen, die mir das Leben schwer machen.
Wie schön wäre das: alles hinter mir zu lassen und irgendwo hinzugehen, wo mich keiner kennt.
Es gibt übrigens nicht nur die äußere Flucht. Es gibt auch eine innere Flucht: eine Flucht in die Arbeit, ins Hobby, den Alkohol.
So oder so: Flucht kann etwas sehr Verführerisches sein, aber sie ist keine Lösung. Flucht löst keine Probleme, sondern verschiebt sie nur.
Später wird Elia den gleichen Weg, den ich jetzt flieht, wieder zurücklaufen.
Aber da sind wir ja noch nicht. Noch ist er dabei, Hals über Kopf davonzulaufen.
Sein Kopf ist dabei voller schwarze Gedanken.
Unter die Angst mischt sich immer stärker die Frustration: dieser Gedanke: es war alles umsonst. Mein ganzer Kampf für Gott – umsonst! Das, wofür ich meine ganze Kraft investiert habe – alles vergeblich! Alles geht den Bach runter. Alle fallen sie vom Glauben ab. „Ich allein bin übrig geblieben“, so sagt er es nachher im Gespräch mit Gott und so fühlt er sich: Der letzte Mohikaner, der Letzte, der den Glauben noch hoch hält.
Auf seiner Flucht in die Wüste findet er einen Ginsterstrauch, ein kleines Schattenplätzchen.
Dort bricht er zusammen.
Schreit es heraus: ich kann nicht mehr! Es ist genug! Ich bin müde, unendlich müde. Lebens – müde.
Und es kommt ihm der verlockende Gedanke in den Kopf: jetzt tot sein – dann wäre ich meine Probleme los. Dann wären alle Lasten weg. Dann muss ich nie mehr kämpfen! Dann hätte ich endlich Ruhe.
„Herr, nimm mir doch das Leben!“
Elias ist ausgebrannt und am Ende.
Der tiefste Punkt in seinem Leben.
So ein Zusammenbruch, ein Burn out, kann für die Außenstehenden sehr überraschend kommen. Ich kenne eine junge Frau, der ist es ähnlich gegangen wie Elia. Ihre Freunde und Bekannten sagten von ihr: das ist eine Power-Frau. Voller Energie, ungeheuer umtriebig, sehr verantwortungsbewusst.
Sie trat dann eine Arbeit an, wo sie sehr gefordert war. Rackerte, kämpfte gegen viele Widerstände. Sie schien immer noch voller Elan zu sein, wenn man sie traf. Und dann kam ganz plötzlich der Zusammenbruch.
Sie bekam den Mund nicht mehr auf, war zu nichts mehr in der Lage. Völlige Erschöpfung. Ausgebrannt.
Kennen Sie solche Momente?
Wenn wir uns so fühlen, dann können wir uns jetzt neben Elia setzen. Hocken uns neben ihn unter den Ginsterstrauch.
Und wenn wir dann so neben ihm sitzen und ihn anschauen, dann fällt uns vielleicht ein kleines Detail auf, das man leicht übersieht.
Elia macht aus seinen letzten Worten ein Gebet.
Er redet nicht mit sich selbst, sondern er schreit zu Gott: Herr, es ist genug! Nimm mir doch das Leben! Dafür reicht seine Kraft gerade noch aus: aus der Verzweiflung ein Gebet machen. Und wenn es auch nicht mehr ist als ein Herr, ich kann nicht mehr!
Nun macht Elia eine ganz erstaunliche Erfahrung:
Da, wo wir am Ende sind, ist Gott noch lange nicht am Ende. Elia erfährt: Gott macht aus dem Ende einen neuen Anfang.
Wir können in diesem Kapitel beobachten, wie Gott einen müden, ausgebrannten Menschen therapiert. Göttliche Therapie für müde Helden – so könnte man das Kapitel auch nennen.
Was tut Gott denn, um seinen müden Helden munter zu machen?
Schauen Sie doch mal in den Text hinein! Was fällt in auf? Wie stärkt Gott seinen müden Helden? …
(F: Elia von Gott gestärkt)
1. Ruhen
Das erste, was Gott dem Elia verschreibt, ist Ruhe. Ausschlafen!
Elia schläft und schläft und schläft.
Wie schön, dass so etwas in der Bibel steht.
Schlafen ist eine wunderbare Gabe Gottes und der beste Weg, um wieder zu Kräften zu kommen.
Viele seelische Probleme lösen sich, wenn wir genug schlafen.
„Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf“ (Ps 127,2) – heißt es ja schon in der Bibel.
Wenn wir uns ausgebrannt oder niedergeschlagen fühlen, dann ist es manchmal das Wichtigste und Beste, einfach ein paar Mal richtig auszuschlafen.
Ganz praktisch: Nach einem langen Arbeitstag sich nicht noch abends eine Netflixserie reinziehen, sondern früh ins Bett gehen, vielleicht noch etwas lesen und dann den Schlaf über sich kommen lassen.
Ruhen.
2. Der zweite Therapieschritt: Genießen!
Gottes Engel bringt Elia ein frisch gebackenes Brot und einen Krug mit kühlem Wasser. Nach drei Tagen Wüstenwanderung kann man sich nichts Schöneres vorstellen. Eine Delikatesse!
Elia genießt gutes Essen.
Und dann schläft er wieder.
Und dann wieder lecker essen.
Wenn der Stress zu groß wird, verlieren wir manchmal die Fähigkeit, zu genießen.
Das Essen wird dann reingeschlungen.
Die guten Dinge des Lebens nimmt man gar nicht mehr richtig wahr, weil man so auf die Stressfaktoren fokussiert ist.
Genießen heißt: Ich lenke meinen Fokus bewusst auf die schönen Dinge, die mir geschenkt werden:
Genieße frisches Brot oder ein leckeres Mittagessen, frisches Wasser oder einen guten Wein.
Genieße den Sonnenstrahl zwischen den Wolken statt über den Regen zu schimpfen.
Genieße die ersten, ganz vorsichtigen Zeichen des Frühlings.
Genieße das Lachen meiner Kinder oder die Aufmerksamkeit meines Partners oder die Freundlichkeit eines Nachbarn.
Und so verschiebt sich die Aufmerksamkeit. Und wir entdecken: Die Welt ist nicht nur grau und bedrohlich. Da gibt es auch noch anderes.
Ruhen – das stärkt den Körper.
Genieße – das stärkt die Seele.
Und dann ein drittes, was Gott dem Elia gibt, um ihn wieder aufzurichten.
3. Es kommt zu einer Gottesbegegnung.
Elia läuft zum Berg Horeb.
Horeb – das ist ein anderer Name für den Berg Sinai, den Berg, auf dem Gott dem Mose begegnet ist, und wo er seinen Bund mit dem Volk Israel geschlossen hat. Da läuft Elia nun hin.
Plötzlich bekommt seine Flucht eine Richtung.
Aus der Flucht weg von Isebel, weg von den Problemen, wird eine Flucht hin zu Gott, hin zu dem Ort, wo man Gott begegnen kann, wo der Glaube Israels seinen Ursprung hat.
Und dort am Horeb bekommt er einen ganz neuen Blick auf Gott.
Gott war für ihn ja kein Fremder. Aber hier auf dem Berg begegnet er ihm auf eine neue Weise. Er lernt Gott noch einmal ganz anders kennen.
Wir müssen uns da mal ganz hineinversetzen in die Situation: Elia bekommt von Gott gesagt: Hier auf dem Berg werde ich dir begegnen.
Allein steht er da auf dem Berg, von einer kleinen Höhle geschützt.
Dann bricht ein Sturm los. Ich weiß nicht, wer von Ihnen schon mal einen richtigen Sturm im Gebirge erlebt hat. Der Wind heult, der Regen peitscht, die Felsbrocken fliegen so herum.
Nach dem Sturm ein Erdbeben. Der Boden unter Elias Füßen zittert, und er selber zittert auch.
Dann ein Feuer. Rings um sieht es brennen, lodernd und bedrohlich.
Aber Elia stellt fest: der Herr ist nicht im Sturm, nicht im Beben, nicht im Feuer.
Dann ist alles vorüber. Der Sturm hat sich gelegt, die Erde ist wieder ruhig, das Feuer verlassen.
Alles ist still. Nur ein ganz feiner, leiser Wind weht, „ein sanftes feines Flüstern“, heißt es im Text. Kaum wahrzunehmen nach dem Getöse, das vorher war.
Da verhüllt Elia ein Gesicht. Da merkt er: Gott ist hier.
Gott begegnet ihm nicht im Lauten, Spektakulären, sondern im leisen Windhauch, im Flüstern, im Unscheinbaren.
Und damit will er ihm sagen: Ich bin da, auch wenn du mich kaum wahrnimmst. Ich bin bei dir, auch wenn du mich nicht spürst.
Es gibt ja Menschen, die warten immer auf das große, spektakuläre Ereignis: Wenn das und das geschehen würde, wenn Gott einmal so ganz offensichtlich in mein Leben eingreifen würde, ja, dann würde ich eine glauben!
Aber hier sagt er uns: wenn wir Gott begegnen wollen, dann sollen wir nicht auf irgendwelche spektakulären Ereignisse warten, sondern still werden, lauschen auf das feine Flüstern, auf die zarten Zeichen.
Manchmal spüren wir dieses leise Wehen im Gottesdienst, merken, wie uns ein Satz oder ein Lied auf einmal ganz tief berührt, wie uns da Gott etwas zuflüstert.
Auch die Taufe kann so ein zartes Zeichen sein, zu sehen, wie Gott da ein kleines Kind anrührt.
Manchmal können wir etwas von Gottes Nähe draußen in der Natur spüren, wenn wir einen Krokus sehen oder einen warmen Sonnenstrahl.
Ich erlebe sie manchmal, wenn ich mich in Ruhe in einen Bibeltext vertiefe und ihn meditiere.
Wir können so etwas nicht herbeizwingen.
Wir können Gott nicht manipulieren.
Wir brauchen da Geduld.
Für Elia war der Weg zur Gottesbegegnung weit.
40 Tagereisen.
Und auch für uns kann der Weg zur Begegnung mit Gott Zeit brauchen.
Wichtig ist, dass wir unsere Seele für Gott offen halten, Stille suchen, lauschen.
Elia ist diesen Weg zum Horeb gegangen, ist Gott begegnet und das hat ihn mit neuer Energie erfüllt.
Das Feuer fing wieder an zu brennen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne, euer Feuer und eure Energie, in Jesus Christus.
Amen.