Predigt, 14.11.21 (1.Petr. 5, 7 Sorgen abwerfen)

14.11.2021

J.Berewinkel

Liebe Geschwister, wer von Ihnen hat einen Garten? … Und wer von Ihnen kehrt gerne Laub in seinem Garten? … Ich tue es auch nicht so gerne. Laub kehren ...

Liebe Geschwister,
wer von Ihnen hat einen Garten? …
Und wer von Ihnen kehrt gerne Laub in seinem Garten? …

Ich tue es auch nicht so gerne.
Laub kehren ist eine frustrierende Arbeit!
Kaum hat man den Rasen oder den Weg frei, liegt schon wieder neues Laub drauf.

Das Fallen der Blätter im Herbst ist nicht nur frustrierend. Es hat auch so etwas Melancholisches.
Mit dem Abfallen der Blätter verbinden wir das Vergehen. Das Sterben.
Der Sommer ist vorbei. Der Winter kommt. Es geht aufs Ende des Jahres zu.
Und unwillkürlich denken wir da auch an das eigene Vergehen.
Mein Leben, wie so ein Blatt.
Wir werden älter, welker. Und eines Tages sterben wir.

Manche von Ihnen denken vielleicht auch an das traurig-schöne Herbstgedicht von Rilke:

„Die Blätter fallen, fallen wie von weit
als welkten in den Himmeln ferne Gärten.“

Die fallenden Blätter passen in den traurigen Monat November, passen zum Volkstrauertag, zum vorletzten Sonntag im Kirchenjahr.

Wir können das Fallen der Blätter aber auch zu einer ganz anderen Metapher machen. Zu einer positiven Metapher. Und die ist vielleicht sogar viel stimmiger.

Warum lassen denn die Bäume die Blätter fallen?

Sie werfen damit eine Last ab.
Um die Blätter zu versorgen, muss so ein Baum viel Energie aufbringen. Im Winter geht der Baum aber in eine Art Energiesparmodus. Da will er seine Kräfte aufs Wesentliche konzentrieren und nicht vergeuden.
Die Blätter verbrauchen außerdem viel Wasser. Davon hat der Baum im Winter aber nicht genug.
Und dann der Schnee! Wenn es schneit, bleibt der Schnee auf den Blättern liegen und die Äste müssen eine schwere Last tragen.

Das sind die Gründe, warum der Baum seine Blätter abwirft. Er löst sich von dieser Last und spart Energie und Wasser, um gut durch den Winter zu kommen.

Das Blätter-Abwerfen ist also nichts Trauriges, sondern eine Erleichterung!

Und da können die Bäume zu Vorbildern werden für uns.

Wir tragen ja auch manche Lasten mit uns herum.
Die Sorgen, die wir uns machen, sind wie eine Last:
Was wird wohl? O weh, wie krieg ich das nur hin? Was denken die nur von mir? …
Diese Sorgen drehen ständig im Kopf ihre Runden und nehmen unsere Zeit in Beschlag. Sie zermürben die Seele und sie kosten Energie, die wir eigentlich woanders bräuchten.

Auch Groll ist eine Last.
Groll – das sind die negativen Gedanken, die wir gegen andere hegen. Weil wir von ihnen gekränkt und verletzt worden sind. Und da ist jetzt Wut in uns und Ärger, der sich festsetzt und lauter negative Gefühle hervorruft.

Schuld ist eine Last. Schuld vor Gott, Schuld vor Menschen. Wenn man weiß, dass man etwas gemacht hat, was nicht hätte sein dürfen. Und dann macht man sich Vorwürfe: Hättest du doch nicht…! Wärst du doch bloß…! usw. Das drückt uns nieder. Das zieht Energie aus uns heraus, macht die Seele müde und krank.

Und da können wir von den Bäumen das Abschütteln lernen. Lass die Sorgen und die Lasten los!

Im 1. Petr. 5,7 steht ein schöner Satz: (Bild)
„Alle eure Sorge werft auf IHN, auf Gott,
denn ER sorgt für Euch!“

Werft die Sorgen ab, wie der Baum seine Blätter abwirft!
Lasst sie los!
Lasst sie fallen!
Spart euch die Energie, die sie kosten!

Jetzt wird ja vermutlich keiner von uns sagen: Nein, nein! Ich will meine Sorgen behalten! Die sind so schön. Und meinen Groll und meine Schuld und die Selbstvorwürfe.
Oder ist hier jemand, der diese Sachen gerne behalten will?

Aber wir erleben doch alle, dass das mit dem Loslassen nicht so einfach ist. Wir versuchen ja, diese negativen Gedanken loszuwerden. Aber sie kommen immer wieder hoch. Irgendwie haben sie sich festgesetzt. Wir schütteln, aber wir werden diese braunen Blätter nicht los.

Es lohnt sich, einmal genauer hinzuschauen, wie dieses Abwerfen gelingen kann.
Drei Hinweise möchte ich dazu geben.

Erster Hinweis: Abgeben braucht eine Adresse

Petrus schreibt nicht: „Alle eure Sorgen werft ab!“, sondern „Alle eure Sorgen werft auf IHN!“, auf Gott.
Die negativen Gedanken kann man nicht einfach ins Nichts abgeben, sondern sie brauchen eine Adresse. Das Loslassen kann gelingen, wenn ich sie an jemand anderes übergebe. An eine höhere Instanz.

Die Sorgen, die ich mir mache, haben ja meistens einen realen Hintergrund. Es kann ja wirklich etwas Schlimmes passieren. Und darum kann ich das auch nicht einfach abschütteln als wäre da nichts.

Aber Petrus sagt uns hier zu: Gott sorgt für dich!
Da ist ein Gott, der hat dich im Blick.
Er hat dein Leben in seiner Hand.
Er hat es dir geschenkt.
Und egal, was passiert – Er hält dich fest.
Und darum kannst du deine Sorgen in seine Hände übergeben: Ich vertraue dir diese Sache an. Ich übergebe sie dir und lasse sie los.

Und genau so können wir es mit dem Groll machen. Auch da gibt es ja einen realen Hintergrund. Da ist ja etwas Schlimmes passiert. Da hat jemand Böses getan. Das kann man nicht einfach wegpusten als wäre es nichts. Aber wir können es in Gottes Hände übergeben: Die konkreten Menschen, die dir Böses angetan haben. Die Situation, in der du verletzt worden bist. Die Kränkung, die du erlebt hast.
Du kannst das an Gott abgeben:
Vater, ich überlasse das deiner Gerechtigkeit! Ich lasse es los und vertraue es dir an.
So können wir auch die eigene Schuld an Gott übergeben. Das, was passiert ist, vor Gott aussprechen; vielleicht auch in Anwesenheit eines anderen Menschen. Dann nennt man so etwas Beichte:
Mein Gott, ich übergebe Dir meine Schuld. Nimm du sie bitte an und vergib sie mir!

Loslassen kann gelingen, wenn wir eine konkrete Adresse haben.

Zweiter Hinweis: Das Loslassen von negativen Gedanken braucht Wiederholung.

Wenn sich dunkle Gedanken in unseren Köpfen festgesetzt haben, dann werden wir die in aller Regel nicht mit einem Akt los. Sie kommen wieder hoch; ploppen einfach auf, und ehe wir es richtig merken, kreisen dieselben Gedanken schon wieder durch unseren Schädel. Nicht wahr?

Wenn wir die Sorgen und den Groll loswerden wollen, dann müssen wir sie immer wieder abwerfen, an Gott übergeben. Sobald der negative Gedanke auftaucht, sobald er mir bewusst wird, gleich wieder abschütteln.
So hat das übrigens auch Jesus gemacht.
Es gibt da diesen Moment in seinem Leben, wo Jesus wirklich Sorgen und Angst hatte. Das war im Garten Gethsemane in der Nacht vor seinem Tod. Er wusste, was da auf ihn zukommt. Und er hatte Angst und Fluchtfantasien. Ich bin froh, dass die Evangelien das so ehrlich berichten.

Sie berichten, dass Jesus in diesem kritischen Moment betet: Vater, nimm bitte diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe.

Er hat Angst. Er hat den Wunsch, dem Leiden auszuweichen, aber er willigt ein in Gottes Willen.
Man könnte denken: Jetzt ist es gut. Die Angst ist vorbei.
Aber dann berichten die Evangelien, dass Jesus noch einmal betet; dieselben Worte. Wieder übergibt er seine Angst an Gott. Und dann noch einmal.

Jesus war Gottes Sohn. Er hatte ganz bestimmt mehr Vertrauen zu Gott als wir alle. Aber die Angst, die Sorge, die kam auch bei ihm immer wieder hoch. Und immer wieder gibt er sie ab; übergibt sie an seinen Vater.

So können wir es auch machen: Immer wieder neu die negativen Gedanken abwerfen sobald sie hochkommen.

Abschütteln braucht Wiederholung und Übung.

3. Hinweis: Abschütteln leiblich vollziehen

Manchmal ist eine Sorge, ein Groll, ein Schuldgefühl ganz besonders hartnäckig. Wir werden es einfach nicht los, obwohl wir es immer wieder an Gott übergeben.
Dann kann es hilfreich sein, dieses Abgeben leiblich zu vollziehen.

Zwischen Leib und Seele, Körper und Gehirn gibt es ganz enge Wechselbeziehungen. Unser Gehirn beeinflusst den Körper. Aber was der Körper tut, hat auch Einfluss auf das Gehirn. Was wir leiblich tun, beeinflusst unsere Gefühle und unsere Gedanken. Etwas, was wir leibhaft vollziehen, wirkt tiefer als etwas, was wir nur in Gedanken tun.

Ich will Ihnen mal ein Beispiel erzählen.
Vor einigen Jahren musste ich einmal eine ziemliche Enttäuschung verarbeiten. Da war ein Traum geplatzt, und das nagte an der Seele.

Ich bin dann ins Kloster Maria Laach gefahren, hatte mir dort eine Klausurzeit gegönnt. Da hab ich auf ein Blatt Papier alles aufgeschrieben, was ich mir erträumt hatte und was jetzt zerplatzt ist und die Enttäuschung und die Gefühle. Dann bin ich mit dem Blatt an den See gegangen, hab ein Schiffchen aus dem Papier gefaltet. Dann habe ich gebetet, diese ganzen Sachen an Gott übergeben und hab das Schiffchen aufs Wasser gesetzt. Es ist dann davon getrieben und irgendwann untergegangen.

Es kingt vielleicht albern. Aber es hat mir geholfen, diese negativen Gefühle wirklich loszulassen. Das, was da in uns grummelt und grollt, rauslassen, es auf ein Blatt Papier bringen und dann physisch abgeben, loslassen.

Wenn Sie merken, dass eine Sorge oder ein negativer Gedanke Sie plagt, dann schreiben Sie doch diese Sache auf und übergeben Sie sie in irgendeiner leiblichen Weise. Sie müssen deswegen nicht nach Maria Laach fahren. Sie können ein Schiffchen auch auf den Rhein setzen oder im Garten vergraben oder in eine Feuerschale legen und verbrennen.

Sich an die richtige Adresse wenden, wiederholen und verleiblichen – so können wir das Abwerfen üben.

„Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch!“

Martin Luther hat einmal zu diesem Vers gesagt:
„Ah, wer das Werfen wohl lernen könnte, der würde erfahren, dass es also sei. Wer aber nicht lernet solches Werfen, der muss bleiben ein verworfen, zerworfen, unterworfen, ausgeworfen, abgeworfen und umgeworfen Mensch.“

Also, lernen wir von den Bäumen das Abwerfen! Dann wird die Last unseres Lebens leichter.

Amen.