Predigt, 15.1.2023 Phil. 1, 1-30 (Predigtreihe Philipperbrief Teil 1)

15.1.2023

J.Berewinkel

(Bild 1: Philipperbrief) Wir haben gerade in der Lesung das erste Kapitel des Philipperbriefes gehört. Was ist Ihnen aufgefallen? Was hat Sie berührt oder stutzig gemacht? ...

(Bild 1: Philipperbrief)
Wir haben gerade in der Lesung das erste Kapitel des Philipperbriefes gehört. Was ist Ihnen aufgefallen? Was hat Sie berührt oder stutzig gemacht? …

Wir erfahren in diesem Kapitel eine Menge über die Gemeinde in Philippi und über Paulus. Wir können aber auch eine Menge Dinge lernen für unser eigenes Leben.

In der ZEIT-Ausgabe dieser Woche wurde ein Interview mit Gregor Gysi geführt. Das wurde mit folgenden Fragen eingeleitet:
Wie lebt ein Glückskind, das in eine Tragödie geraten ist? Wie bleibt einer heiter, wenn die Dinge sich verdüstern? Wie bewahrt man Selbstkontrolle, wenn einem die Kontrolle über das Lebenswerk verloren geht?

Dieselben Fragen könnte man dem Paulus stellen. Und der gibt hier im Philipperbrief einige wichtige Antworten.

Wie bleibt einer heiter, wenn die Dinge sich verdüstern?
Schauen wir rein in den Brief!

V. 1
Paulus und Timotheus werden hier als die Absender genannt. Timotheus war ein Schüler von Paulus. Ein junger Mann, der ihn auf vielen seiner Reisen begleitet hat. Wir werden im nächsten Kapitel mehr von ihm hören. Vermutlich hat Paulus den Brief diktiert und Timotheus hat ihn aufgeschrieben.

Sie schreiben an die Christen in Philippi.
Philippi war eine Stadt im Norden von Griechenland, damals Makedonien.

(Bild: Karte)

Die Stadt war vom Makedonierkönig Philipp II. gegründet worden. Unter Augustus war sie eine römische Kolonie geworden, d.h. alte römische Soldaten, die Veteranen, bekamen dort ein Grundstück und verbrachten da ihren Lebensabend. Eine römisch geprägte Stadt mit nettem Fluß, an einer großen Handelsstraße gelegen.

Und dort in Philippi entstand die erste christliche Gemeinde in Europa.
Es war im Jahr 49 oder 50 nach Christus.
Paulus war auf seiner zweiten Missionsreise.
Er kam über Kleinasien hier nach Europa und machte in Philippi Station. Hier erzählte er den Leuten von Jesus. Die Apostelgeschichte berichtet darüber im 16. Kapitel. Manche Menschen kamen zum Glauben. Zum Beispiel Lydia, ein Purpurhändlerin, die in Philippi eine Boutique hatte. Auch ein Gefängnisverwalter war dabei.
Paulus war nämlich wegen seinem missionarischen Treiben in Philippi ins Gefängnis geworfen worden. Da im Gefängnis sind einige sehr erstaunliche Dinge passiert, die schließlich dazu führten, dass Paulus aus dem Gefängnis frei kam und der Gefängnisleiter Christ wurde.
Und so wuchs die Gemeinde.
Weitere Leuten kamen zum Glauben und ließen sich taufen. Sie trafen sich, feierten Gottesdienste, lernten mehr über Jesus und sie fingen an, ihr Leben neu zu gestalten: Neue Sichtweisen, neue Werte, neue Verhaltensweisen. Jesus war ihr Meister, dem sie jetzt folgen wollten.

Einige Wochen war Paulus da, dann zog er weiter.
Aber er blieb mit der Gemeinde verbunden.

In V. 3-8 wird diese Verbundenheit deutlich:
Paulus denkt jeden Tag an die Gemeinde und betet für sie.
Er schreibt, wie herzlich diese Gemeinschaft ist, wie sehr er sich mit ihnen verbunden fühlt. Er hat diese Menschen ins Herz geschlossen und hat große Sehnsucht, sie wiederzusehen.

In diesen Zeilen wird eine tiefe Liebe und Herzlichkeit spürbar.

Paulus war ja ein großer Denker, einer der ganz klugen Köpfe des 1. Jahrhunderts. Man muss ihn sich aber nicht nur als gewieften Theologen vorstellen. Sondern er war zugleich ein Mensch von großer Liebe. Eine Liebe, die Jesus bei ihm geweckt hatte.

Und diese Liebe war ein Markenzeichen der frühen Christen.
Es gibt ein Zitat von einem Heiden aus der damaligen Zeit. Er sagte über die Christen voller Erstaunen: Seht, wie lieb sie einander haben!

Das war es, was die Urchristenheit so attraktiv gemacht hat. Da war eine Liebe spürbar und erfahrbar, die man in der damaligen Welt so noch nie gesehen hatte. Eine Liebe, die sich an der Liebe von Jesus entzündete und von da ausbreitete.

Historiker haben das nachgewiesen: Es war nicht so sehr die Lehre der Christen, die so attraktiv war. Sondern es war ihr verändertes Leben, das die Leute wie magisch angezogen hat und dessen Hauptkennzeichen die Liebe war.

Wie ist das bei uns??
Bei uns gibt es natürlich schon viel Freundlichkeit und herzliche Beziehungen. Aber insgesamt haben wir da doch noch Luft nach oben.

Wo Liebe und Herzlichkeit spürbar ist, da wird Gemeinde attraktiv. Da werden Menschen kommen und sich anschließen. So ist es heute und so war es damals in Philippi.

Aber diese Liebe soll sich verbinden mit Einsicht und Verständnis. Darum betet Paulus in V. 9-11.
Die Philipper sollen verstehen, was der Wille Gottes ist, was gut und richtig ist. Die Liebe soll nicht nur Emotion bleiben, sondern zu gutem Handeln führen, das Gott ehrt.

Das war also die Briefeinleitung.

Jetzt fängt Paulus an, von sich zu berichten:
V. 12-18
Er sitzt im Gefängnis, weil er zu Christus gehört.
Wir wissen nicht sicher, wo er gerade ist. Vielleicht in Rom. Vielleicht in Ephesus. Er war ja öfters festgenommen worden.
Er ist gerade in Untersuchungshaft und der Ausgang ist offen. Durchaus möglich, dass das mit der Hinrichtung endet. Die römische Justiz war nicht zimperlich, wenn jemand die Ordnung störte. Wenn jemand predigte: Jesus ist der Herr, der kyrios, dann war das auf jeden Fall ein Affront gegen den Kaiser, der sich gerne als kyrios, als Herr und Gott, verehren ließ.

Da sitzt Paulus also in einer dunklen Gefängniszelle. Eingesperrt. Unfrei. Vom Tod bedroht. In großer Ungewissheit, was die Zukunft angeht.
Und dann hört er auch noch etwas, das wirklich bitter ist: Da gibt es Missionarskollegen, die nutzen die Gefangenschaft von Paulus auf, um sich auf seine Kosten zu profilieren, um ihm das Wasser abzugraben und seinen Einfluss zurückzudrängen.

Es ist wirklich eine extrem düstere Lage, in der er sich befindet. Und man hätte volles Verständnis, wenn der Apostel in dieser Situation klagt und jammert.

Aber Paulus ist erstaunlich heiter.
Trotz dieser miesen Lage scheint er richtig gute Laune zu haben.

Immer wieder spricht er in diesem Brief davon, dass er sich freut:
Er betet voller Freude für die Philipper.
Er freut sich, dass seine Gefangennahme das Evangelium voranbringt, selbst wenn das aus zweifelhaften Motiven passiert.
Er blickt mit Freude in die Zukunft.

Die Freude zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen Philipperbrief.
In jedem Kapitel taucht sie auf.
Sie kennen vielleicht den Vers aus Kp. 4:
„Freut euch in dem Herrn allewege und abermals sage ich: Freut euch!“
Wie kann das sein?
Wie bleibt einer heiter, wenn die Dinge sich verdüstern?

Das ist ja eine Frage, die auch für uns relevant ist.
Wir erleben alle Situationen, die uns die gute Laune verderben.
Wir erleben Krankheiten, die weh tun und uns einschränken.
Wir erleben Rückschläge im Beruf.
Wir erleben, dass Menschen uns enttäuschen, dass Träume zerplatzen, dass es regnet, wenn wir auf Sonnenschein hoffen.

Wie kann man da heiter bleiben und sich freuen?

Das Geheimnis von Paulus ist, dass er einen tiefen Grund zur Freude hat.
Und zwar einen Grund, der bleibt, auch wenn die Umstände sich verändern.

Er sagt den Philippern nicht nur: „Freut euch!“,
sondern „Freut euch in dem Herrn“.
Und das ist für ihn keine fromme Floskel, sondern eine Wirklichkeit, aus der er lebt.

(Grafik)

Man kann das grafisch vielleicht so darstellen:
Hier der Baum, das ist Paulus und seine Stimmung.
Der Wind bläst kräftig.
Seine Lebenssituation ist stürmisch.
Aber seine Freude ist unabhängig von den äußeren Umständen.
Sie hat einen tieferen Grund.
Einen verborgenen Grund.

Paulus sieht sein Leben ganz getragen vom Herrn, von Jesus Christus.
Er ist ganz sicher: Mein Leben liegt in seiner Hand.
Er hält mich.
Er liebt mich.
Er hat einen Plan für mich und wirkt durch mich.
Und wenn ich sterbe, dann falle ich in seine Hände.
„Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn.“

Man kann es auch mit einem anderen Bild sagen:
Paulus sieht sich wie einen Seiltänzer, unter dem ein großes Netz ausgespannt ist.
Wenn ich falle, wenn ich hier im Gefängnis hingerichtet werde, dann falle ich in dieses große Netz. Dann falle ich in Gottes Hände. Er fängt mich auf.

Ich finde das sehr erstaunlich und bewegend.
Paulus hat einen tiefen Grund zur Freude, der unabhängig ist von der äußeren Lage.

Er hat einen Grund – und er richtet seinen Fokus, seine Aufmerksamkeit auf diesen Grund. Das ist auch wesentlich.

Meine Stimmung wird ja bestimmt von dem, worauf ich meine Aufmerksamkeit richte.

Natürlich hätte sich Paulus auch den ganzen Tag über seine Ketten aufregen können und über die Willkür der Justiz. Er hätte sich schwarzärgern können über diese miesen Mitmissionare oder sich den Kopf zerbrechen können, was man wohl mit ihm machen wird.

Und er hat auch darunter gelitten. Da müssen wir uns nichts vormachen. Paulus war kein Strahlemann, dem das alles überhaupt nichts ausmacht.
Aber er lässt sich von diesen negativen Dingen nicht bestimmen.

Stattdessen richtet er seine Aufmerksamkeit auf den Herrn, auf Gott und auf das Positive, das Gott aus dem allen macht.

Da können wir uns doch von Paulus inspirieren lassen.

(Bild: Auge)

Es gibt ja in jeder Lebenssituation Dinge, die schlecht sind und uns ärgern.
Ein Blick in die Tageszeitung oder in die Wetter-App genügt völlig.
Wir sind umgeben von Umständen, Menschen, Sachen, die uns ärgern und frustrieren. Und wenn wir unseren Fokus darauf richten, dann geht die Stimmung in den Keller.

Es gibt aber auch immer Gründe sich zu freuen.
Und wenn wir unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, dann wird das die Stimmung heben und Freude bekommt Raum.

Paulus würde uns also aus dem Gefängnis heraus den Rat geben: Schau auf den Grund zur Freude! Richte darauf deinen Fokus!

Für Paulus ist das Jesus, der Herr, der Auferstandene.
Er ist der Boden, der ihn trägt.
Die Quelle, aus der er lebt.
Die Zukunft, auf die er zugeht.
Er ist für Paulus eine Wirklichkeit, die wirklicher ist als das Sichtbare.

Man fragt sich da vielleicht: Wo hat der Paulus nur diese totale Gewissheit her?

Das hat natürlich zu tun mit seinem Erlebnis vor Damaskus. Das lag ja jetzt schon sicher 15 Jahre zurück. Aber damals hatte sich ihm der auferstandene Jesus gezeigt. Er hat ihn gesehen. So krass, so klar, dass es für Paulus keinen Zweifel mehr gab. Es hatte ihn zu einer radikalen Umkehr in seinem Leben geführt. Aus dem Jesus-Verfolger wurde ein Jesus-Nachfolger.

Das wäre schön, wenn wir einmal Jesus so klar, so deutlich sehen würden, oder? Dann wären wohl alle Zweifel weggewischt.
Aber die allerwenigsten erleben so etwas. Auch die Christen in Philippi hatten so etwas wohl nicht erlebt.

Aber es sind nicht nur die ganz krassen Glaubenserlebnisse, die zu so einer Gewissheit führen können.
Mindestens genau so wichtig war für Paulus, dass er seit dem, seit Damaskus, mit dem Auferstandenen in Kontakt war, dass er betete.
Er war jeden Tag im Gespräch mit Gott, mit Jesus.
Das sehen wir hier in seinem Brief.

Und aus diesem regelmäßigen Gespräch ist eine ganz tiefe Beziehung entstanden. So hat er Gott im Alltag erlebt.

Und das ist etwas, das wir auch erleben können. Das wir ausprobieren können.
Mit dem Unsichtbaren sprechen und auf seine Stimme lauschen. Und so eine Beziehung zu ihm aufbauen.

So können wir Erfahrungen mit ihm machen. Und so kann eine Gewissheit entstehen, dass er Wirklichkeit ist. Dass er wirklich da ist. Und dass dort bei ihm eine beständige Quelle der Freude ist.

Wir sind jetzt wie im Tiefflug über das erste Kapitel von diesem Brief geflogen. Man kann da noch ganz viel entdecken, worauf ich jetzt gar nicht eingehen konnte. Vielleicht lesen Sie das Kapitel noch mal zu Hause durch. Ich glaube, es lohnt sich, sich diesen Brief gut einzuprägen. Das kann ein Schatz für das eigene Leben werden.

Nächste Woche schauen wir uns dann das zweite Kapitel an, das auch voller Schätze ist.

Und der Friede Gottes….