Predigt, 15.5.2022 Eph. 4, 15

15.5.2022

J.Berewinkel

Liebe Geschwister, meine Frau und ich feiern in diesem Jahr Silberhochzeit. Vor 25 Jahren haben wir uns einen Trauspruch für unsere Ehe ausgewählt. Den haben wir ...

Liebe Geschwister,

meine Frau und ich feiern in diesem Jahr Silberhochzeit. Vor 25 Jahren haben wir uns einen Trauspruch für unsere Ehe ausgewählt. Den haben wir uns auch in die Ringe eingraviert. Es ist ein Motto für unsere Ehe. Ein Satz, den man ein ganzes Leben lang trainieren kann. Er steht im Epheserbrief 4, 15:

Lasst uns wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus.“

In Wahrheit und Liebe leben und dabei auf Christus hinwachsen. Das ist ein super Leitsatz für eine Ehe.

Der Satz fasst aber auch genial zusammen, was für ein Presbyterium und für eine Gemeinde elementar ist.

In diesem Satz macht der Apostel Paulus klar:

Jede Beziehung braucht Wahrheit und Liebe. Beides zusammen.

Es ist wie bei so einer Pflanze.

Wenn Ihr BVA’ler und Ihr Pb-Mitglieder eure Erdbeerpflanze in euren Garten pflanzt, dann wird sie nur gedeihen, wenn sie Sonne und Regen bekommt. Beides ist nötig. Im Moment genießen wir alle Sonne satt, aber der Regen fehlt. Wenn ihr da nicht nachhelft und die Pflanze gießt, dann geht sie ganz schnell ein.

Aber wenn man dann einen Sommer hat, wo es nur regnet und 15 Grad kalt ist, dann kann die Pflanze auch nicht gedeihen. Die bleibt kümmerlich. Da wächst keine richtige Erdbeere dran.

Sonne und Regen – beides muss zusammenkommen, damit die Pflanze gedeiht und wächst und Früchte bringt.

Und so wie eine Pflanze Sonne und Regen braucht, so braucht eine Beziehung Wahrheit und Liebe. Beides zusammen.

Lasst uns wahrhaftig sein in der Liebe!

Aber das beides zusammenzukriegen ist nicht einfach. Je nach dem, was für ein Persönlichkeitstyp wir sind, sind wir meist in dem einen gut und im anderen schlecht.

Nehmen wir zum Beispiel Lisa. Lisa hat’s mit der Liebe. Sie ist immer sanft und freundlich, zu allen Menschen nett; zettelt nie einen Streit an. Lisa verbreitet eine Atmosphäre, wo man sich wertgeschätzt und wohl fühlt.

Wenn der Lisa bei einem anderen Menschen etwas nicht gefällt, dann behält sie das für sich. Sie fühlt sich dann nicht gut. Sie ärgert sich, aber sie lässt nichts davon nach außen dringen. Sie merkt nur, dass die Beziehung zu dieser anderen Person für sie immer anstrengender wird, dass sie am liebsten ausweicht und auf Distanz geht.

Wenn Lisa sich ganz ehrlich anschaut, dann sieht sie:

Es ist eigentlich nicht Liebe, die mich dazu bringt, immer nett zu sein und meinen Ärger runterzuschlucken. Eigentlich ist es Angst, die mich zu diesem Verhalten bringt. Angst vor Konflikten und Streit. Angst, nicht mehr geliebt zu werden.

Lisa müsste lernen, dass Liebe nicht identisch ist mit lieb sein. Dass echte Liebe etwas anderes ist als Harmoniebedürfnis und Konfliktscheu.

Das ist Lisa.

Ganz anders ist Walter.

Walter hat’s mit der Wahrheit.

Er sagt den Leuten ohne Umschweife, was er denkt.

Wenn ihm etwas nicht gefällt, dann sagt er das sofort klipp und klar. Er geht keinem Streit aus dem Weg. Walter hat ein feines Sensorium für Echtheit. Er spürt sofort jeden Anflug von Heuchelei und kann freundliches Gesülze nicht ausstehen.

Er merkt allerdings nicht immer, wie er mit seiner direkten Art Menschen verletzt. Wie abwertend er oft ist. Und er wundert sich, warum er so wenige Freunde hat.

Walter müsste lernen, dass Wahrhaftigkeit nicht identisch ist mit Respektlosigkeit. Er könnte entdecken, dass man einem anderen die Wahrheit nicht unbedingt wie einen nassen Lappen um die Ohren hauen muss, sondern dass man sie ihm hinhalten kann einen geöffneten Mantel.

Wie ist das bei Ihnen, bei Euch?

Seid Ihr eher der Typ Lisa oder Typ Walter?

Seid Ihr eher stark in der Liebe oder stark in der Wahrheit?

Und steht Ihr eher in der Gefahr, zu harmonisch zu sein oder zu direkt?

Egal was für ein Persönlichkeitstyp wird sind – die Herausforderung ist für jeden von uns, beides zusammenzukriegen: Wahrhaftig sein in Liebe. Nur wenn wir beides zusammenhalten, kann eine Beziehung gelingen.

Denn erst wenn beides zusammenkommt, kann sich etwas zum Guten verändern.

Nehmen wir einmal ein Beispiel.

Stell dir vor, deine Kollegin hat eine unangenehme Eigenschaft. Sie lästert gerne über andere. Immer wieder stichelt sie herum: Hast du schon die neue Frisur von Gertrud gesehen? Ist ja scheußlich. Und der Gerhard wird auch immer dicker… Wie man eben so lästert im Büro.

Eine Liebe ohne Wahrhaftigkeit wird an so einer Stelle einfach lächeln und schweigen. Du denkst: Die Kollegin ist echt eine Lästertasche, aber ich lasse sie besser in Ruhe.

Und es ändert sich nichts. Die Kollegin wird weiterlästern.

Aber auch eine Wahrhaftigkeit ohne Liebe wird vermutlich nichts zum Guten verändern. Wenn man der Kollegin auf den Kopf zusagt: Hör mal, ich kann dein Rumgeläster nicht mehr hören. Halt endlich die Klappe! – dann wird diese Kollegin vermutlich in Zukunft dir gegenüber zurückhaltend sein, aber bei anderen um so mehr ablästern.

Wenn ich einen anderen kritisiere ohne Liebe, dann wird das nichts Positives bewirken!

Denk an den Lehrer, der den Schüler bloßstellt und sein Unwissen vor den anderen aufdeckt. Das mag ja noch so wahr sein, dass der Schüler zu wenig gelernt hat. Aber es wird nichts Gutes bewirken. Es wird keine positive Motivation wecken.

Wir kennen das doch alle von uns selber: Wenn uns jemand eine unangenehme Wahrheit um die Ohren haut, dann gehen wir sofort auf Abwehr und lassen das gar nicht an uns heran.

Eine Kritik kann mein Herz nur erreichen, wenn ich spüre, dass Liebe dahinter steht. Wenn ich spüre, dass es jemand gut mit mir meint und mir deswegen diese schmerzhafte Wahrheit sagt.

Lasst uns wahrhaftig sein in Liebe! Das ist anspruchsvoll. Das ist sozusagen die champions league im Beziehungssport.

Aber es ist der einzige Weg, wie Beziehungen wachsen können und fruchtbar werden.

Das gilt für die Ehe.

Es gilt aber auch für unser Miteinander im neuen Presbyterium.

Wir haben eine große und eine großartige Aufgabe vor uns: Die Gemeinde leiten.

Da gibt es viele wichtige Themen; vieles, was zu klären und was umzusetzen ist.

Wir werden nicht immer einer Meinung sein. Das ist ja ganz normal.

Aber es wird wichtig sein, dass wir offen und ehrlich kommunizieren. Dass wir uns ehrlich ins Gesicht sagen, wo es Meinungsverschiedenheiten gibt. Und wir können alle dabei lernen und wachsen. Allerdings nur, wenn wir in einer Haltung der Liebe und Wertschätzung miteinander umgehen.

Wahrhaftig sein in Liebe – so können wir eine richtig gute Arbeit machen miteinander für diese Gemeinde.

Der Satz von Paulus ist aber auch für unsere ganze Gemeinde wichtig, für unsere Gemeindekultur.

Die Auferstehungsgemeinde ist ja wirklich von Konflikten gebeutelt, und das seit Jahren.

Und manche von Ihnen in der Gemeinde sind sehr frustriert und haben den Eindruck, dass immer alles verschleiert wird und man nie erfährt, was denn jetzt die wirklichen Gründe für diese ganzen Konflikte sind. Das scheint alles so unwahrhaftig zu sein.

Der KSV und der Bevollmächtigtenausschuss haben sich natürlich mit dieser Frage beschäftigt. Wir dürfen nun mal aus rechtlichen Gründen nicht alles offenlegen. Da gibt es eine Verschwiegenheitspflicht. Aber wir haben im BVA schon angefangen und werden das auch im neuen Pb fortsetzen: Dass wir so transparent wie möglich über Probleme und Herausforderungen berichten.

Zu den jüngsten Vorkommnissen mit dubiosen Briefen hat ja der BVA deutlich Stellung bezogen. Das kann man im Newsletter und auf der Homepage nachlesen.

Also: Wir werden als Pb versuchen, so transparent wie möglich unsere Arbeit zu gestalten.

Aber auch Sie als Gemeindeglieder können dabei mitwirken, dass in unserer Gemeinde eine neue Kultur entsteht, eine Kultur der Wahrhaftigkeit in Liebe.

Dazu gehört, dass wir das Hintenrum-Gerede beenden. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann wäre es doch am Besten, wenn man das der Person, die es betrifft, direkt sagt und nicht vor anderen über diese Person nörgelt.

Das ist nicht einfach. Es ist viel bequemer, über einen anderen herzuziehen als ihn direkt anzusprechen. Aber wenn wir in dieser Gemeinde etwas zum Guten verändern wollen, dann geht das nur durch offene und direkte Kommunikation.

Lassen Sie uns das doch miteinander lernen: Wahrhaftig zu sein in Liebe.

Und so können wir dann miteinander wachsen auf Christus hin.

Denn bei Jesus kommt beides zusammen. Er war als Mensch total wahrhaftig und gleichzeitig unglaublich liebevoll.

Je mehr wir auf ihn zuwachsen, je näher wir ihm kommen, desto mehr kann sich sein Charakter auf uns abfärben.

Bei Jesus, bei Gott ist Wahrheit und Liebe vereint.

Da ist die Ressource, aus der wir Wahrhaftigkeit und Liebe schöpfen können.

Wir haben vorhin von der Kantorei die Vertonung von Psalm 23 gehört: Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.

Wenn wir mit Jesus, dem Guten Hirten, verbunden sind, dann müssen wir uns vor keinem Konflikt fürchten. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.
Und so kriegen wir Mut, unangenehme Dinge ehrlich anzusprechen.

Und bei diesem Hirten können wir immer wieder Liebe schöpfen auch für die Menschen, die uns das Leben schwer machen: Du schenkst mir voll ein.

So können unsere Beziehungen wachsen und gedeihen und Früchte bringen – in Wahrheit und Liebe.

Amen.