Predigt, 16.1.2022 T-Segen

16.1.2022

J.Berewinkel

Liebe Geschwister! In den letzten 16 Tagen haben wir uns oft ein gutes Neues Jahr gewünscht. Manchmal haben wir vielleicht auch gesagt: Ich wünsche Dir ein ...

Liebe Geschwister!
In den letzten 16 Tagen haben wir uns oft ein gutes Neues Jahr gewünscht. Manchmal haben wir vielleicht auch gesagt: Ich wünsche Dir ein gesegnetes Neues Jahr, also: Ich wünsche dir, dass du mit Segen in das Neue Jahr gehst.

Segen – das ist ja eine ziemlich geheimnisvolle Sache. Man kann ihn nicht sehen, nicht fassen, nicht produzieren. Und doch leben wir alle davon. Und benötigen es täglich – wie die Luft zum Atmen.

Auch am Ende von jedem GD gehen wir mit dem Segen raus.

Was ist das eigentlich – Segen? Wie können wir ihn verstehen? Wie können wir ihn entdecken? Und wie können wir ihn empfangen? Darum soll es in dieser Predigt gehen.

Als ich Vikar war in Wermelskirchen, bekamen wir Besuch von einem Freund von mir, einem Pastor aus Tansania, Zakayo Majige. Er war einige Wochen in der Gemeinde und am Ende gab es eine Abschiedsfeier. Da waren alle möglichen Leute da, die ihn kennengelernt hatten. U.a. war da eine alte Frau, eine Pfarrerswitwe so um die 80. Als die Feier zu Ende ging und die Dame gehen mußte, machte Zakayo etwas, das uns allen die Sprache verschlug. Er sagte zu dieser Frau: Würden Sie mich bitte segnen? Die hat ein bisschen verschreckt geguckt und dann genickt. Und dann kniete er sich vor diese alte Dame hin, ließ sich von ihr die Hände auflegen und ließ sich segnen.
Wir standen alle da, ziemlich sprachlos und waren nur erstaunt.
Auf so eine Idee würde ein Europäer nie kommen. Aber für ihn war der Segen dieser Dame offenbar ganz bedeutsam.

Dass wir das mit dem Segen so unterschiedlich empfunden haben, hat etwas zu tun mit unserem Weltbild. Wir sind in unserer westlichen Kultur geprägt von einem sog. „mechanischen Weltbild“. Das ist das Weltbild, das seit der Aufklärung in unserer Gesellschaft vorherrschend ist. Danach sind Gott und Welt ganz scharf unterschieden. Gott ist, wenn es ihn überhaupt gibt, jenseits, transzendent. Die Welt läuft nach festen Gesetzen ab. Sie funktioniert mechanisch, wie eine Maschine. Alles, was passiert, hat eine immanente, eine innerweltliche Ursache. Wenn einer krank ist, ist die Ursache ein bestimmtes Virus. Wenn er gesund wird, ist die Ursache ein Medikament. Alles ist immanent, materiell zu erklären.
Gott – wenn es ihn gibt – guckt da vielleicht von außen zu. Aber eigentlich funktioniert die Welt auch ohne ihn.
Für Segen ist in diesem Weltbild überhaupt kein Platz.
Dieses Weltbild haben wir alle mit der Muttermilch aufgesogen. Das steckt uns in den Köpfen. Und deswegen haben viele von uns Mühe, mit Segen etwas anzufangen.

Für Afrikaner ist das völlig anders. In ihrem traditionellen Weltbild gibt es keine Trennung von Gott und Welt. Da ist die Welt von Kräften durchzogen und bestimmt, Kräfte, die von Gott oder von anderen Mächten ausgehen. Und da spielt der Segen eine völlig andere, viel existentiellere Rolle.
Unser Segensverständnis hängt also ganz stark mit unserer Weltsicht zusammen.

Jetzt ist ja das traditionelle afrikanische Weltbild nicht automatisch richtig. Aber es kann uns helfen, unser eigenes Weltbild in Frage zu stellen. Und es kann uns neugierig machen, herauszukriegen: Wie ist eigentlich die biblische Sicht von der Welt, vom Segen? Wie wird in der Bibel Segen verstanden und welche Rolle spielt er da?
Das Wort „Segen“, „segnen“ kommt in der Bibel 440 mal vor! Das ist schon eine Hausnummer und zeigt wie wichtig der Segen ist.

Der Segen taucht schon auf der ersten Seite der Bibel auf, bei der Schöpfung der Welt. Da heißt es in 1. Mose 1, 22, nachdem Gott die die Fische und Vögel geschaffen hatte: „Gott segnete sie uns sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllt das Wasser im Meer und die Vögel sollen sich mehren auf Erden.“
Und dann ein paar Verse weiter, nach der Erschaffung der Menschen:
„Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllt die Erde und macht sich euch untertan!“

Was erfahren wir hier über den Segen?

Es ist Gott, der segnet. Segen geht immer von ihm aus!
Und dieser Segen ist eine Energie. Die bewirkt, dass sich Leben entfaltet und vermehrt. Segen ist Lebenskraft, die von Gott ausgeht.

(Bild: Segen)
Es gibt ein altes Altarbild. Das veranschaulicht wunderbar, was Segen ist: Diese rote Energie, diese Kraft, die von Gott ausgeht und in die Welt fließt. Auf ganz vielfältige Weise.

Diese Kraft bewirkt, dass die Schöpfung besteht, dass nach dem Winter ein neuer Frühling kommt, dass Knospen wachsen und Früchte reifen. Alle diese Sachen sind nicht nur eine Folge von bestimmten biologischen Gesetzmäßigkeiten, sondern es ist diese Segenskraft, die diese biologischen Prozesse in Gang bringt.

Auch dass ein Kind im Mutterleib entsteht und zur Welt kommt und sich gesund entfaltet – das ist keine Selbstverständlichkeit, nicht das Ergebnis von toten Naturgesetzen, die nun mal so ablaufen, sondern es ist diese Segenskraft Gottes, die dahintersteckt.

Dass man nach einer Krankheit wieder gesund wird, dass uns neue Kräfte zufließen und wir uns morgens aus dem Bett schwingen können, auch da ist der Segen Gottes hinter.

Segen ist also diese Kraft, mit der Gott in der Schöpfung wirkt und Leben fördert.

Und es ist zugleich alles das, was Gott uns an Gutem schenkt: Freundliche Menschen, Schutz in Gefahren, Kraft für eine schwere Aufgabe, seine Nähe und sein Trost in schwierigen Momenten.

Segen ist also etwas, wovon wir alle leben. Jeden Tag.

Und darum ist es gut, wenn wir Gottes Segen in unserem Leben entdecken.
Wir haben ja als Menschen die Neigung, die negativen Dinge sehr intensiv wahrzunehmen. Und dann passiert es schnell, dass wir den Segen übersehen.

Wir sehen in dieser Welt Hunger und Kriege und Katastrophen. Und das ist ja auch furchtbar. Aber darüber verlieren wir ganz aus dem Blick was für eine erstaunliche Sache das ist, dass es in diesem endlosen toten Weltall einen Planeten gibt, wo das Leben pulsiert, wo schöne Blumen blühen und gesundes Gemüse wächst. Wo Menschen sich lieben und vertrauen und lachen und Lieder singen.
Da sind lauter Segenskräfte am Werk, die das hervorbringen.

Und das gleiche gilt auch im eigenen Leben:
Wir nehmen stark den einen Moment wahr, wo uns etwas misslingt. Und dann hadern wir mit uns selbst und fragen uns: Wie konnte mir das nur passieren?! Aber die vielen Momente, wo uns etwas gelingt, wo die Arbeit flutscht und läuft – das halten wir für völlig normal und registrieren es kaum.

Wir nehmen stark die Zeiten wahr, wo wir krank sind. Dann stöhnen wir und denken: Oh nein, warum muss das sein! Aber die vielen Tage, wo wir gesund sind – die nehmen wir völlig selbstverständlich hin.

Dabei ist das alles überhaupt nicht selbstverständlich, sondern ein Segen.
Gott segnet dich. Jeden Tag.
Er segnet dich mit Gesundheit, mit Kraft, aufzustehen, mit guter Luft, mit klarem Verstand,
mit einem gleichmäßig schlagenden Herzen und mit Sonnenstrahlen.

Die Lebenskunst besteht darin: Den Segen Gottes im eigenen Leben zu entdecken. Nicht nur in den außergewöhnlichen Momenten, sondern im Alltag.

Als das Volk Israel aus Ägypten ausgezogen ist, da mussten sie 40 Jahre lang durch die Wüste wandern. Diese Wüstenjahre waren keine einfache Zeit. Die Israeliten hatten viel zu klagen und sie taten es auch. Aber im Rückblick, am Ende dieser Wüstenzeit, sagt Mose zum Volk:

„Der HERR, dein Gott, hat dich gesegnet in allen Werken deiner Hände. Er hat dein Wandern durch diese große Wüste auf sein Herz genommen. Vierzig Jahre ist der HERR, dein Gott, bei dir gewesen. An nichts hast du Mangel gehabt.“

Der Herr hat dich gesegnet! Unsere Aufgabe ist es, diese Segensspuren in unserem Leben wahrzunehmen, den Segen zu entdecken.

Manche haben ja mitbekommen, dass wir als Familie 2 Wochen in Quarantäne waren. Statt, wie geplant, Urlaub zu haben, saßen wir im Haus fest. Nicht weil wir krank waren, sondern weil wir Kontakt zu einer positiven Person gehabt hatten. Das war schon nervig. Wir mussten Treffen absagen und manche Pläne canceln und saßen fest.
Wir haben dann versucht, den Segen wahrzunehmen, der in diesen Tagen steckt: Wir waren gesund. Wir hatten Zeit füreinander, konnten ausruhen. Wir hatten liebe Freunde, die für uns eingekauft haben. In dem ganzen Driss war doch zugleich viel Gutes, viel Segen.

Segen entdecken – darauf kommt es an. Es geht da nicht nur um positives Denken. Es ist kein Psychotrick. Sondern es geht darum, eine Realität wahrzunehmen, die hintergründig ist, die hintergründig wirkt: Segenskräfte, von denen wir leben.

Segen verstehen, Segen entdecken.

Zum Schluss möchte ich noch einen kleinen Schritt weitergehen. Wir können uns für Gottes Segen bewusst öffnen, ihn empfangen.

Gottes Segen durchwirkt die ganze Welt. Er ist überall präsent. Aber unser Herz ist unser Hoheitsbereich. Da zwängt sich Gott nicht hinein.
Wenn wir seinen Segen in unserem Inneren empfangen wollen, also in unseren Gedanken und Gefühlen, in unserem Streben und Entscheiden – dann wird das nur gehen, wenn wir unser Herz bewusst seinem Segen öffnen. Wenn wir Gott bitten: Komm doch mit deinem Segen in mein Inneres!

Es ist wie mit der Sonne. Sie scheint überall. Aber wenn du in deiner Wohnung die Rollläden runter hast, dann kann sie da nicht hineinstrahlen. Erst wenn du die Rollläden hochziehst, kann die Sonne ihr Licht und ihre Wärme in deine Wohnung bringen.

So können wir die inneren Rolläden hochziehen, damit Gottes Segen hineinstrahlt in unser Leben.

Das kann man hier im Gottesdienst tun, wenn wir gleich das Abendmahl empfangen, mit offenen Händen. Und wenn uns am Ende vom Gottesdienst der Segen zugesprochen wird. Da kannst du sehr bewusst im Stillen beten und sagen: Ja, Gott, ich öffne mein Herz für dich und lasse deinen Segen fließen!

Und das braucht man nicht auf den Gottesdienst beschränken. Gott lässt seinen Segen fließen, wie auf diesem Bild. Der Segen strömt, jeden Tag. Und wir sollten ihn auffangen – jeden Tag! Jeden Tag neu diese Kräfte wahrnehmen, uns daran freuen und sie in unser Inneres strömen lassen!

So werden wir gesegnete Menschen.

Amen.