Predigt, 17.7.22 T-Empfindlichkeit (3. Teil Predigtreihe „Lästige Laster lassen“)

17.7.2022

J.Berewinkel

Liebe Geschwister, eine Quizfrage: (F.1) Kann eine Ameise einen Elefanten töten? Was meinen Sie? … Es kann tatsächlich passieren. In Afrika, wo die Elefanten leben, da gibt es die Wanderameisen. ...

Liebe Geschwister,

eine Quizfrage:

(F.1)

Kann eine Ameise einen Elefanten töten?

Was meinen Sie? …

Es kann tatsächlich passieren. In Afrika, wo die Elefanten leben, da gibt es die Wanderameisen. Sie sind etwas größer als unsere Ameisen und haben Zangen, mit denen sie feste und schmerzhaft zubeißen können. Diese Wanderameisen laufen in langen Reihen durch die Gegend. Und es kommt vor, dass ein Elefant mit seinem Rüssel versehentlich über so eine Ameisenstraße gleitet und sich eine Ameise in seinen Rüssel verläuft. Die Ameise fühlt sich da nicht wohl und beißt sie sich mit ihren Zangen instinktiv fest. Der Elefant ist ja nun nicht gerade ein zimperliches Tier. Er ist ein echter Dickhäuter. Aber das Innere seines Rüssels – das ist seine empfindliche Stelle. Dort ist er hochgradig sensibel. Der Biss der Ameise im Rüssel erzeugt einen wahnsinnigen Schmerz. Der Elefant schlägt den Rüssel hin und her, um den Quälgeist los zu werden. Er schlägt ihn auf den Boden, gegen Bäume und Felsen. Aber je mehr er schlägt, desto fester verbeißt sich die Ameise. Er schlägt und schlägt, bis der Rüssel blutet. Der Schmerz lässt noch immer nicht nach. Er schlägt weiter und weiter, blutet immer mehr und manchmal geht es so weit, dass er an seiner Wunde verendet.

Empfindlichkeit ist eine sehr schmerzhafte Angelegenheit.

Wenn uns jemand an unserer empfindlichen Stelle angreift, dann tut das weh. Und dann fangen wir an, wie der Elefant, um uns zu schlagen. Dann verletzten wir uns selber und verletzen andere.

(F2)

Empfindlichkeit – das ist ja kein klassisches Laster.

Es ist nichts Böses.

Aber es ist ein Charakterzug, der große Schmerzen verursacht, bei uns und bei anderen, der die Lebensqualität trübt und Gemeinschaft zerstört.

In der deutschen Sprache unterscheiden wir zwischen Empfindsamkeit und Empfindlichkeit.

Beides liegt sehr nahe beisammen und doch gibt es da offenbar einen Unterschied.

Empfindsamkeit – das ist die Fähigkeit, Dinge zu empfinden.

Empfindsame Menschen sind Leute, die ein feines Gespür haben. Sie empfinden es, wenn in einer Gruppe die Atmosphäre irgendwie gestört ist. Sie spüren, wenn in der Beziehung zu einem anderen Menschen etwas nicht stimmt. Sie spüren deutlich eigenen Schmerz und eigene Freude. Sie spüren aber auch, wo anderen weh getan wird oder gut getan wird.

Empfindsame Menschen sind eine enorme Bereicherung für jede Gemeinschaft.

Empfindlichkeit ist dagegen etwas Überzogenes, etwas Krankhaftes.

Empfindsamkeit und Empfindlichkeit unterscheiden sich wie gesunde Haut von allergischer Haut, die auf den geringsten Reiz schon übermäßig reagiert. Empfindlichkeit ist Über-Sensibilität.

Und diese Über-Sensibilität bringt drei Übel mit sich.

(F3.1)

Das erste Übel ist, dass man ständig gekränkt ist.

Empfindliche Menschen erleben jede Form von Nichtbeachtung und Ablehnung als sehr, sehr schmerzhaft. Schon beim leisesten Hauch einer Kritik sind sie tief gekränkt.

Manchmal genügt ein Blick, ein einziges Wort – und der Empfindliche ist plötzlich verstimmt. Die anderen Menschen, die dabei sind, stehen oft ratlos davor, wissen nicht warum und wie und ahnen auch gar nicht wie der Empfindliche leidet. Es war vielleicht ein Wort, das ganz ohne böse Absicht dahin gesagt worden ist, aber der Empfindliche hat es auf sich bezogen, hat darin fehlende Würdigung, vielleicht sogar Kritik und Ablehnung gehört.

Empfindlichkeit ist nicht Gabe, sondern Last. Und am meisten leidet der Empfindliche selber darunter.

Es gibt in der Bibel ein eindrückliches Beispiel wie stark Empfindliche unter Ablehnung und Nichtbeachtung leiden.

Es gab zur Zeit des Königs David einen Menschen, der hieß Ahitofel. Er gehörte zu den wichtigsten Beratern des Königs. Ein sehr intelligenter und weitsichtiger Mann; sehr hoch angesehen und berühmt. In der Bibel heißt es von ihm: „Wenn Ahitofel einen Rat gab, war das so, als hätte man einen Bescheid von Gott eingeholt. So viel galt sein Wort.“ (2.Sam 16, 23) Ein Genie von Ratgeber, allerdings – wie so viele Genies – auch hochgradig empfindlich.

Jetzt gab es damals eine schlimme politische Krise. Ein Sohn Davids, Absalom, hat einen Putsch gegen seinen eigenen Vater gemacht. Er hat sich ein Heer gesammelt und war gegen Jerusalem gezogen. David flieht mit seinem Gefolge und einem kleinen Heer aus der Stadt über den Jordan. Absalom nimmt die Stadt ein. Und nun stellt sich die Frage wie es weiter gehen soll. Soll er dem Heer seines Vaters hinterher oder nicht?

Er fragt Ahitofel um Rat. Ahitofel hatte sich schon vorher auf Absaloms Seite gestellt und rät ihm, sofort hinter David her zu reiten und ihn vollends zu vernichten.

Dann fragt Absalom aber noch einen anderen Berater, Huschai. Der sagt: Ahitofels Rat war diesmal nicht gut. Du solltest jetzt nichts riskieren, sondern erst einmal Soldaten aus ganz Israel zu sammeln und dann mit großer Übermacht gegen deinen Vater ziehen.

Absalom sagt: Huschai hat Recht. Sein Rat ist besser als der von Ahitofel. Und macht es so.

Und dann steht da ganz kurz und lapidar, was der Ahitofel daraufhin macht:

„Als Ahitofel sah, dass Absalom seinen Rat nicht befolgen wollte, sattelte er seinen Esel und kehrte in seine Heimatstadt zurück. Er gab seiner Familie letzte Anweisungen und hängte sich auf.“ (2.Sam17, 23)

Warum macht er das? Da mag sicher eine Rolle spielen, dass er damit rechnet, dass Absaloms Putsch nun scheitern wird und er als Abgefallener von David bestraft wird. Aber ich glaube, noch entscheidender ist, dass er ganz einfach gekränkt war. Man hat seinen Rat nicht beachtet! Man hat ihn öffentlich kritisiert, ihn den großen, genialen Ahitofel. Er ist so tief gekränkt, dass er alle Lebenslust verliert.

Empfindliche Menschen sind ständig gekränkt und leiden am meisten selbst darunter. Das ist das erste Übel.

(F3.2)

Das zweite Übel, das Empfindlichkeit mit sich bringt: Sie macht unfähig, Kritik anzunehmen.

Auch dazu ein Beispiel aus dem AT:

König Ahab, König von Israel, war ein empfindlicher Mensch. Er hatte vor, gegen die Aramäer, das Nachbarvolk, einen Krieg zu führen. Und um sicher zu sein, dass das auch gut ausgeht, lässt er die Propheten befragen, ob Gott damit einverstanden ist. Alle Propheten sagen zu Ahab: „Zieh hin! Gott ist mit dir!“ Nur einer der Propheten äußerst sich kritisch, das war Micha.

Der sagt seinem König klipp und klar: „Das Unternehmen wird scheitern! Israels Heer wird zerstreut werden wie Schafe auf den Bergen.“

Ahab empfindet diese Prophezeiung als persönliche Kritik. „Er sagt mir immer nur Böses voraus“, so beschwert er sich bei anderen, und dann – bestraft er Micha für seine Prophezeiung: Micha wird in den Kerker geworfen und muss dort bei Wasser und Brot sitzen bis der König aus dem Krieg wiederkommt.

Ahab ist nicht fähig, die Kritik Michas ernsthaft zu prüfen – Ist da vielleicht etwas dran? – , sondern er erlebt sie als persönliche Kränkung und reagiert mit Aggression: Der, der ihm weh getan hat, soll nun auch leiden!

Das haben wir doch alle schon erlebt, dass wir einem Menschen gegenüber Kritik äußern, vielleicht ganz behutsam etwas in Frage gestellt haben, und dieser Mensch reagiert wütend, wird giftig, macht uns Vorwürfe: Wie kannst du es wagen? Meinst du vielleicht, Du könntest das besser? usw.

Empfindliche Menschen fühlen sich schon durch die leiseste Kritik geschlagen und in ihrer Würde angekratzt. Und sie reagieren oft völlig überzogen, schlagen sie zurück, schlagen um sich wie der Elefant mit der Ameise.

(F3.3)

Das dritte Übel, das die Empfindlichkeit mit sich bringt:

Empfindliche Menschen haben oft ein sehr gutes Gedächtnis für Dinge, die man ihnen angetan hat. Es fällt ihnen schwer, Kränkungen zu vergeben und zu vergessen. Empfindlichkeit macht nachtragend.

Ich erzähle mal ein Beispiel, leicht verändert, aber tatsächlich so passiert: Die Frau eines Lehrers war mit ihrem Mann zu einer Schulfeier gefahren. Irgendein Lehrer fragte sie bei dem Fest, wer sie denn sei und sagte ihr sinngemäß: dann gehören Sie ja gar nicht hier hin! Das war mehr flapsig gemeint. Aber die Frau war tief gekränkt. Und sie hat das nie vergessen. Nie mehr hat sie seitdem die Schule betreten, obwohl diese Bemerkung schon 20 Jahre zurückliegt.

Empfindlichkeit führt dazu, dass man selbst ständig gekränkt ist, dass man keine Kritik verträgt und dass man Schuld nachträgt.

Und wenn wir das mal zusammen nehmen, dann wundern wir uns nicht, dass die Empfindlichkeit es sehr schwer macht, in Beziehungen mit anderen zu leben.

Menschen, die unter Übersensibilität leiden, sind oft sehr einsam, weil sie immer wieder durch ihr Gekränktsein und ihre nachtragende Art Beziehungen zerstören und sich selbst aus der Gemeinschaft ausschließen.

Wie kann man nun dieses lästige Laster lassen? Wie kann man zur Freiheit von der Empfindlichkeit kommen?

Die Frage betrifft ja auch nicht nur ein paar wenige Extremempfindliche. Ich bin sicher, dass jeder Mensch seine empfindlichen Stellen hat, manche mehr, manche weniger. Aber jeder von uns hat Punkte, wo er übersensibel ist und darunter leidet.

Wie kann da Befreiung geschehen? Und was bedeutet das?

Gottes Ziel mit uns Menschen ist, dass wir erlöst werden von dem, was uns und andere kaputt macht. Dass wir heil werden. Und das gilt auch für unser Empfinden, unsere Gefühle.

Ziel ist also, dass aus einer Über-Sensibilität eine gesunde Sensibilität wird, aus der krankhaften Empfindlichkeit eine gesunde Empfindsamkeit.

Ich möchte Ihnen 3 Schritte nennen, die uns helfen können in unserem Empfinden gesund zu werden:

(F4.1)

1. Entdecke Deine eigenen Empfindlichkeiten!

Solange ich die eigene Empfindlichkeit nicht wahrnehme, kann ich sie auch nicht bekämpfen. Nun ist es aber für einen selber sehr schwer zu unterscheiden: Ist das jetzt empfindsam oder ist das schon empfindlich? Reagiere ich hier überzogen oder gesund?

Wenn Sie Ihre eigenen empfindlichen Stellen entdecken wollen, dann fragen Sie doch mal jemand anders; jemanden, der Sie gut kennt: Sag mir doch bitte einmal ganz offen: Hast Du den Eindruck, dass ich manchmal empfindlich reagiere? Dass es Bereiche in meinem Leben gibt, schnell gekränkt bin oder aggressiv werde?

Und wenn Ihnen dann so eine Person etwas sagt, dann verteidigen Sie sich nicht, sondern prüfen Sie das ganz ernsthaft! So können wir den eigenen Empfindlichkeiten auf die Spur kommen.

(F4.2)

2. Bade in Gottes Liebe!

Es gibt nichts, was für eine übersensible Seele so heilsam ist wie die Liebe Gottes.

Der Schmerz der Empfindlichkeit wird meistens auslöst durch das Empfinden von fehlender Achtung, fehlender Würdigung, fehlender Liebe.

Wenn nun ein Mensch Gott kennen lernt, dann kann er entdecken: Der Schöpfer des Universums hat mich lieb! Die bedeutendste Person im ganzen All schenkt mir Beachtung. Gott gibt mir Würde!

Das dürfen wir genießen!

Wir dürfen in der Liebe Gottes baden! Darin eintauchen, sie bewusst erleben, uns daran freuen.

Nach so einem Vollbad in der Liebe Gottes ist man fast immun für Gehässigkeiten und Kritik und Kränkungen. Wenn Gott mich liebt und achtet – was kratzt es mich, wenn sich da einer mal kritisch über mich äußert!

Wer im Bewusstsein der Liebe Gottes lebt, wird unabhängig vom Urteil anderer Menschen.

Baden in Gottes Liebe!

Vielleicht machen Sie es beim nächsten Mal, wenn Sie beten, so, dass Sie nicht einfach Ihre ganzen Bitten Gott vortragen, sondern sich ganz still hinsetzen und seine Liebe einwirken lassen. Machen Sie sich bewusst: Ich bin dein Geschöpf, mein Gott! Von Dir gewollt! Du siehst mich mit freundlichen Augen an! Danke!

Konzentrieren Sie sich einige Minuten ganz darauf! Bleiben Sie in diesem Bewusstsein! Und dann merken Sie, wie diese Wirklichkeit einzieht, auch in die Gefühle einzieht und gut tut.

(F4.3)

3. Lass die Schuld des anderen los!

Ich sagte eben, dass Empfindlichkeit oft Hand in Hand geht mit einer nachtragenden Haltung. Weil man empfindlich verletzt ist, behält man die Schuld des anderen im Gedächtnis und lässt sie nicht mehr los. Empfindlichkeit macht nachtragend.

Aber auch das Umgekehrte gilt: Eine nachtragende Haltung macht empfindlich! Wer alle Kränkungen und Verletzungen, die er erlebt hat, immer weiter im Gedächtnis hält, nie loslässt, nie vergibt und vergisst, der wird bei jeder neuen Verletzung, die er erlebt, denken: „O jetzt schon wieder so eine Kränkung! Und dabei habe ich doch schon so viel Schlimmes erlebt!“ Durch die neue Kränkung reißen alle die alten Wunden wieder auf. Alle die bösen Erinnerungen sind sofort wieder da. Und dadurch wird die neue Kränkung um so schlimmer.

Wenn wir von der Empfindlichkeit frei werden wollen, müssen wir anfangen, die Schuld der anderen loszulassen, Unrecht und Kränkungen, die man uns angetan hat, zu vergeben! Das ist nicht einfach. Aber daran entscheidet sich ganz viel.

Das waren die 3 Schritte zur Gesundung:

Entdecke deine eigenen Empfindlichkeiten!

Bade in Gottes Liebe!

Lass die Schuld des anderen los!

So kann aus Empfindlichkeit eine gesunde Empfindsamkeit werden, zu unserem eigenen Wohl und zum Segen für unsere Umgebung!

Amen