Kennt Ihr die Massai?
Das ist ein afrikanisches Volk. Die leben in Kenya und Tansania. Es sind ganz schlaksige Leute mit sehr dunkler Haut und bunten Tüchern.
(F1: Massaijunge)
Ich hab mal einen Massai in seinem Zuhause besucht. Wir hatten uns in Kenya kennengelernt. Er hatte mich eingeladen. Es ist viele Jahre her. Sie lebten dort ganz einfach, wie vor 200 Jahren. Die Massai sind Hirten. Sie haben Rinder und Schafe und Ziegen.
Der Bekannte von mir hatte einen kleinen Bruder. Der war so alt wie Ihr Konfis seid. Dieser Junge hatte die Aufgabe, sich um die Schafe und Ziegen zu kümmern. Morgens trank er etwas Milch. Dann zog er mit den Tieren los. Mich hat das sehr beeindruckt: Der Junge war den ganzen Tag draußen in der Wildnis mit seinen Schafen und Ziegen. Er hatte eine Kalabasse mit Milch und einen Stock, sonst nichts.
Die Gegend dort, wo die Massai leben, ist sehr trocken. Der Junge musste immer wieder schauen, wo etwas wächst, damit die Tiere genug zu fressen haben und wo sie etwas trinken können.
Im Massailand leben auch wilde Tiere: Hyänen, Löwen, Leoparden, Schlangen. Alles, was man sich so vorstellt. Und manchmal tauchen solche Tiere auf. Ich würde mich ja sofort in Sicherheit bringen. Aber die Massai laufen vor den wilden Tieren nicht weg. Wenn so eine Hyäne kommt, dann fangen diese Massaijungen an zu schreien und ihren Prügel zu schwingen und rennen auf die Hyänen zu und tun sonst was, um sie zu vertreiben. Aber sie laufen nicht weg. Sie lassen ihre Herde nie im Stich. Nie. Diese Massaijungs sind echt mutige Kerle. Die setzen ihr Leben aufs Spiel, um ihre Tiere zu schützen.
So wie dieser Massaijunge, so ähnlich stelle ich mir den David aus der Bibel vor. David hatte ja später politische Karriere gemacht. Er war König geworden. Aber als Jugendlicher musste er auch auf die Schafe und Ziegen seiner Familie aufpassen. Genau wie dieser Massaijunge: Morgens mit den Tieren losziehen, schauen, dass sie Gras finden und Wasserstellen. Er hatte auch nicht mehr als einen Stock in der Hand. Aber er war genau so mutig. Und wenn ein wildes Tier kam, dann ging er mit seinem Prügel auf dieses Tier los und schützte seine Herde. David war echt tough.
Und er war sehr gläubig. Er kannte Gott und lebte mit ihm.
Und irgendwann, als er über sein Leben nachdachte, ging ihm auf:
Was ich für meine Schafe bin – das ist Gott für mich.
Der Herr ist mein Hirte.
(F2: Der Herr ist mein Hirte)
David war weder dumm wie ein Schaf noch so ängstlich wie ein Schaf. Aber er wusste: So wie meine Schafe mich brauchen, so brauche ich Gott.
Und so wie ich mich um meine Schafe kümmere, so kümmert sich Gott um mich.
Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln.
Und so wie ich schaue, dass meine Schafe Gras finden und Wasser zum Trinken, so sorgt Gott für meine Bedürfnisse:
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Ein Skeptiker könnte natürlich sagen: Das ist doch naiv, was David da erzählt. Nicht Gott versorgt mich mit Nahrung. Das tun die Landwirte. Die produzieren doch Getreide und Milch und Fleisch. Da hat doch Gott nichts mit zu tun.
Da würde David kontern und sagen: Denk doch mal tiefer: Die Landwirte können Samen aussäen und düngen und wässern. Aber das Wachstum – das können die Bauern nicht machen. Dass aus einem kleinen Samen wirklich Getreide wird, das uns satt macht – das ist doch ein großes Wunder.
Und ich glaube tatsächlich: Hinter diesen ganzen Prozessen in der Natur steht eine geheimnisvolle Macht, ein wundersamer Schöpfer.
Der sorgt dafür, dass Getreide aus dem Boden wächst und Gemüse und Obst. Der sorgt dafür, dass wir satt werden können.
Du wirst versorgt.
Aber Gott wirkt leise und verborgen.
Er bleibt hinter dem Vorhang, der die sichtbare Welt von der unsichtbaren Welt trennt.
Wir erfassen ihn nur im Glauben.
Denn glauben heißt: Tiefer sehen.
Hinter den Vorhang schauen.
Wahrnehmen, was unter der Oberfläche liegt,
Hinter dem Vordergründigen eine tiefere Realität entdecken.
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
– – –
Der Anfang vom Ps 23 klingt ein bisschen nach Schön-Wetter-Psalm. Alles ist gut. Das Leben ist schön. Ein Psalm für glückliche Stunden.
Aber David hat auch anderes erlebt. Er spricht von dunklen Tälern:
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal…
Es gab Momente in seinem Leben, wo sich alles verdunkelt hat.
Wo sein Leben bedroht war, wo er im Stich gelassen war und wo er keine Perspektive mehr hatte.
Wir müssen alle mal durch solche finsteren Täler.
Die Menschen in der Ukraine gehen gerade durch ein ganz, ganz dunkles Tal.
Aber vielleicht stecken auch manche von Euch gerade in einem Tal:
Eine Krankheit, die uns bedroht.
Ein Konflikt, der uns belastet.
Eine schlimme Situation an der Schule oder bei der Arbeit.
Vielleicht ist die Situation zu Hause gerade ganz finster. Die Nerven liegen blank. Man hat Streit.
Es gibt viele finstere Täler. Wir können ihnen nicht immer ausweichen.
Und jetzt sagt David:
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir.
Ich weiß nicht, warum Gott in dieser Welt so viel Leid zulässt; warum es Krankheiten gibt und Viren; warum er uns Menschen so viel Freiheit lässt, Böses zu tun und andere zu ermorden. Das bleibt ein Rätsel.
Aber ich glaub fest, dass Gott mit uns durch die dunklen Täler geht, dass er bei uns ist, gerade in diesen schweren Zeiten.
Das sehen wir an Jesus. In Jesus hat sich Gott ja gezeigt, da hat er uns sein Herz und Wesen offenbart. In Jesus ist Gott selbst in ganz tiefes Leid hineingegangen, hat unsere Schmerzen geteilt und uns gezeigt: Ich bin bei dir, wenn du durchs dunkle Tal gehst!
Ich hab kürzlich etwas gelesen über ein Ehepaar. Die haben ihr Kind durch einen Unfall verloren. Das ist ja das Schlimmste, was einem passieren kann, wenn dein eigenes Kind ums Leben kommt.
Die beiden sind Christen. Und jemand fragte sie später einmal: Wie konntet ihr noch immer an eurem Glauben festhalten, obwohl ihr doch so etwas Schreckliches erlebt habt?
Da sagten die beiden:
Wir hatten eine simple Wahl:
Mit Gott oder ohne Gott durch dieses Leid gehen.
Und ohne ihn da durchzugehen – das war keine Option.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir.
Wenn Gott bei uns ist, dann verstehen wir nicht alles, was passiert, aber wir haben einen Halt in allem, was passiert.
Und darum brauchen wir uns nicht fürchten.
Da ist eine Hand unter dir, eine große Hand.
Die hält dich.
Die fängt dich auf, wenn du fällst.
In dieser großen Hand bist du geborgen, ganz egal was geschieht.
Sogar wenn wir sterben, ist diese Hand da.
Wir fallen nicht ins Leere, sondern in Gottes Hand.
Und wenn wir keine Angst haben müssen vor dem Sterben, dann müssen wir vor gar nichts Angst haben.
Ich fürchte kein Unglück, denn du bist bei mir.
Der große katholische Theologe Romano Guardini hat einmal gesagt:
Geborgenheit im Letzten gibt Gelassenheit im Vorletzten.
Wenn wir in Gott geborgen sind, dann können wir in allen Dingen des Lebens gelassen bleiben.
Denn du bist bei mir.
– – –
Wir können nicht den ganzen Psalm durchsprechen. Aber eine Sache ist noch wichtig.
Das ist der Unterschied zwischen „ein“ und „mein“.
David hätte ja auch schreiben können:
„Der Herr ist ein Hirte“.
Er hätte ihn beschreiben können: Wie mächtig Gott ist und wie fürsorglich.
So machen wir es ja manchmal:
Wir reden über Gott, was wir so über ihn denken, wie wir uns ihn vorstellen oder was die Theologie über ihn sagt.
Und das kann auch alles gut und richtig sein. Aber es hätte alles nichts mit mir zu tun.
Man kann vieles über Gott sagen und über ihn wissen. Und trotzdem ist er nur „ein Hirte“, nicht „mein Hirte“.
Wie ist das bei Euch und bei Ihnen:
Ist Gott „ein Hirte“ oder „mein Hirte“?
Es erfordert einen bestimmten Schritt, um vom „ein“ zum „mein“ zu kommen.
Es ist ein Schritt des Vertrauens.
Ich wage es, mich diesem Hirten anzuvertrauen.
Das ist der entscheidende Schritt zum Glauben.
Ich wage es, „mein“ zu sagen: „Mein Hirte“.
Ich wünsche es euch Konfis und uns allen, dass wir diesen Schritt wagen, diese Entscheidung treffen.
Und dann erleben, was David erlebte:
Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln.
Amen.