Liebe Geschwister,
heute am Wahlsonntag möchte ich mit Euch über Politik sprechen. Nicht über Parteipolitik. Keine Sorge! Es wird hier auch keine Wahlempfehlung geben. Höchstens eine Nicht-Empfehlung.
Worüber ich gerne mit Euch nachdenken möchte ist die Frage: Was können wir aus der Bibel für unser politisches Handeln heute lernen? Inwiefern ist dieses Buch relevant für unser politisches Urteil, für unser Wahl?
(F1)
Die Bibel ist ja ein uraltes Buch. Da steht nichts drin über KI und Krankenkassen und wie man die Wirtschaft am besten ankurbelt. Die Bibel bietet keine fertigen Lösungen für komplexe Fragen. Sie ersetzt kein Parteiprogramm.
Aber die Bibel ist wie ein Kompass.
Sie zeigt uns die richtige Richtung.
Sie zeigt uns, was sich Gott mit dieser Welt gedacht hat, und sie zeigt uns, wer wir Menschen sind, wozu wir berufen sind und wozu wir fähig sind, im Guten wie im Bösen.
Also, schauen wir rein in die Bibel und was sie uns für die politische Arbeit mitgibt.
Es gibt in der Bibel 3 Grunddaten, die entscheidend sind. Die markieren sozusagen das Feld, in dem sich eine biblisch-orientierte Politik bewegt.
(F2)
Das erste: Diese Welt ist Gottes wunderbare Schöpfung.
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“. (Gen. 1,1)
So fängt die Bibel an.
Diese Welt ist Schöpfung und Gabe.
Kein Zufall. Kein Steinbruch. Sondern ein wundervolles Geschenk, dem wir mit Ehrfurcht und Staunen gegenüberstehen.
Und innerhalb dieser Schöpfung spielt der Mensch eine herausragende Rolle. Gott schuf den Menschen zu seinem Bild, seinem Ebenbild. So steht es im gleichen Kapitel. Zu seinem Bild, d.h. Gott schuf den Menschen zu seinem Gegenüber, mit dem er in Beziehung treten will, zu seinem Partner, der mit Gott und für Gott diese Welt gestalten soll.
Diese biblische Sicht vom Menschen ist übrigens etwas ganz Besonderes in der Religionsgeschichte. In den meisten Schöpfungserzählungen der damaligen Zeit werden die Menschen nur als Sklaven der Götter betrachtet. Die Götter erschaffen die Menschen, damit sie ihnen dienen und ihnen das Essen bringen.
Nur die Könige der Völker – die waren etwas Besonderes. Die galten als Ebenbilder und Partner der Götter.
Die Bibel hat eine einzigartig hohe Sicht vom Menschen. Jeder Mensch ein Ebenbild Gottes. Jeder berufen, mit Gott in Kontakt zu sein, sein Partner zu sein.
Das ganze Thema Menschenwürde ist hier begründet!
Die Welt als Schöpfung und der Mensch als Ebenbild – was hat das für Konsequenzen für die Politik? Inwieweit gibt das Orientierung?
> Diese Erde ist nicht unser Besitz. Sie ist kein Steinbruch, den wir nach Belieben ausbeuten können. Sondern sie ist uns anvertraut zum Bebauen und Bewahren, zum Pflegen und Nutzen.
Ja, wir sollen von der Schöpfung leben, aber sie nicht zerstören!
Und ich sehe mit Sorge, dass das Klima-Thema gerade ziemlich in den Hintergrund der Debatten rückt. Gute Politik wird sich weiter um den Schutz des Klimas, um die Bewahrung der Schöpfung kümmern müssen.
Und noch etwas wird hier deutlich: Jeder Mensch ist Gottes Ebenbild und hat damit eine unveräußerliche Würde. Egal, wie reich oder arm er ist. Egal, wo er herkommt.
Das ist ein ganz klares Nein zu allem Rassismus, ein klares Nein zu allem Hass und aller Hetze gegen bestimmte Menschengruppen. Eine Politik, die sich an der Bibel orientiert, kann nicht sagen: Mir doch egal, was mit den Leuten passiert, die auf dem Mittelmeer ertrinken.
Ich sage es mal sehr deutlich: Eine Partei wie z.B. die AfD, die Hass schürt und pauschal gegen Migranten hetzt, macht keine Politik im christlichen Sinne, im Sinne der Bibel. Das ist meine Sicht und die Sicht beider großen Kirchen.
Die Welt als Schöpfung, der Mensch als Ebenbild Gottes – das ist eine Grunddatum der Bibel.
(F. 3)
Aber jetzt geht es weiter.
Nach dem Schöpfungsbericht kommt in der Bibel der Bericht über den Sündenfall. Die Menschen wenden sich von Gott ab. Sie misstrauen ihm, brechen sein Gebot. Sie geben dem Bösen Raum und verlieren das Paradies.
Der Fall, der Sündenfall – das beschreibt nicht etwas, was hinter uns liegt, sondern was sozusagen unter uns liegt. Er beschreibt unsere Gegenwart. So sind wir Menschen. So ist unsere Welt! Das Böse ist da. Und Schuld daran sind nicht nur die üblen Umstände. Sondern das Böse steckt in uns Menschen drin, in unseren Herzen.
Das ist sehr rätselhaft. Es wird in der Bibel auch nicht groß erklärt. Aber es ist Fakt.
Der Mensch, der so wunderbar geschaffen ist, den Gott mit Verstand und Gewissen und großartigen Fähigkeiten ausgestattet hat, der hat eine Neigung zum Bösen. Und das kennen wir ja alle von uns selber.
Die Bibel sagt deutlich: Diese Welt ist kein Paradies mehr, sondern da ist etwas Dunkles, Schlimmes. Und das macht sich überall bemerkbar.
Eine Politik, die sich an der Bibel orientiert, die nimmt das Böse ernst. Sie ist nicht blauäugig.
Sie rechnet damit, dass Menschen sich egoistisch verhalten, dass sie lügen und betrügen, stehlen und Gewalt üben. Und darum braucht es Polizei und strenge Gesetze, es braucht Strafen und Zwang und Gefängnisse. Alles, um dem Bösen Grenzen zu setzen, es einzudämmen.
Eine Politik, die an der Bibel orientiert ist, weiß, dass die Drohungen von Putin und anderen Despoten ernst zu nehmen sind und wird den Wehretat erhöhen.
Sie weiß auch, dass man der eigenen Bevölkerung nur begrenzte Belastungen zumuten kann, weil sonst die Unzufriedenheit eskaliert. Dass man nicht jedem, der Hilfe braucht, helfen kann und dass es manchmal keine gerechten Lösungen gibt.
Die Aussagen der Bibel über den Zustand dieser Welt führen uns zu einer Realpolitik, die weiß, dass wir hier auf der Erde keine idealen Zustände herstellen können, sondern dass man Kompromisse schließen muss. Oft muss man das kleinere Übel wählen, muss sich mit fiesen Diktatoren an einen Tisch setzen und man muss sich als Politiker manchmal die Hände schmutzig machen, um Schlimmeres zu verhindern.
Diese beiden Grunddaten – Schöpfung und Fall – stehen in Spannung zueinander.
Beides ist wahr: Die Welt ist Gottes gute Schöpfung und jeder Mensch sein Ebenbild.
Und gleichzeitig ist sie eine gefallene Welt und der Mensch zum Schlimmsten fähig.
Eine Politik, die sich an der Bibel orientiert, wird versuchen, beide Pole zusammenzuhalten und nicht zur einen oder zur anderen Seite zu kippen.
Idealismus und Realismus – beides gehört zu einer christlich orientierten Politik.
Und dann gibt es noch ein drittes Datum:
Die Bibel sagt uns, dass wir auf eine neue Welt zugehen. Jesus hat gesagt: Das Reich Gottes kommt und es fängt jetzt schon an. Wenn wir durch Jesus mit Gott in Verbindung kommen, dann kann ein Stück weit die Sünde überwunden werden. Es gibt Hoffnung auf Veränderung.
Die Evangelien sind voll von Verwandlungs-geschichten. Überall, wo Menschen Jesus begegnen, verändert sich ihr Leben zum Guten: Geizhälse werden plötzlich freigebig. Kriminelle und Prostituierte fangen ein neues Leben an. Fromme Heuchler legen ihren Heiligenschein ab und werden ehrlich. Verhärtete Menschen fangen an zu lieben und zu vergeben.
Viele Menschen haben Erlösung real erlebt.
Und das ging in der Urgemeinde weiter. Die junge Kirche hat die Gesellschaft tiefgreifend verändert:
Frauen wurde aufgewertet. Die Sklaverei wurde von innen heraus überwunden. Ungewollte Babys wurden nicht mehr einfach ausgesetzt. Man kümmerte sich um die Armen. Es wurden Krankenhäuser gebaut und Schulen gegründet.
Die Bibel sagt uns: Es muss nicht alles so bleiben wie es ist. Menschen können mit Gottes Hilfe anders werden. Es gibt Hoffnung. Es kann sich `was ändern.
Wir werden hier auf der Erde kein Paradies schaffen. Das hatten ja schon immer die großen Utopisten gedacht und gehofft: Wir wollen hier auf Erden schon das Himmelreich errichten. Durch Kommunismus oder durch freien Markt. Das ist naiv. Das werden wir auf dieser Erde nie erreichen.
Aber es muss auch nicht alles so bleiben wie es ist.
Einzelne Menschen können sich ändern.
Und auch Gesellschaften können sich ändern.
Zumindest ein Stück weit.
Durch kluge Politik können sich Dinge zum Guten entwickeln:
Plastikmüll und CO2 kann reduziert werden.
Menschen mit Migrationshintergrund können integriert werden.
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa kann verbessert werden.
Und vielleicht, ganz vielleicht, kann sogar die Bürokratie abgebaut werden.
Wir werden es nie perfekt hinkriegen, aber ein Stück weit. Veränderung ist möglich.
Das sind die drei Grunddaten, die uns die Bibel gibt.
Und das ist das Feld, in dem sich eine an der Bibel orientierte Politik bewegt.
Und wenn man sich unsere demokratischen Parteien anschaut, dann merkt man, dass sie sich irgendwo in diesem Feld bewegen.
Ihr werdet sicher leicht die einzelnen Parteien wiedererkennen:
Die einen orientieren sich stark an der Menschenwürde und dem, wie es idealerweise sein sollte.
Andere tendieren eher zum Realismus hin, nehmen das Böse sehr ernst.
Manche sind stark von der Hoffnung auf Veränderung bewegt.
Schöpfung – Fall – Hoffnung.
Eine an der Bibel orientierte Politik wird versuchen, da die Balance zu halten, nicht zu stark in eine der Ecken zu rutschen. Es gilt, diese Spannungen auszuhalten, die Mitte zu halten:
An Menschenwürde und Klimaschutz festhalten und gleichzeitig nüchtern und realistisch sein und schauen, was machbar ist und dabei nicht zynisch werden, sondern die Hoffnung festhalten ohne naiv und träumerisch zu werden.
Es ist nicht einfach, da eine Balance zu finden. Und es ist gut, dass wir mehrere Parteien haben, die sich da gegenseitig korrigieren und ausgleichen können.
Ich glaube, es ist auch gut, wenn wir als Christen nicht über die herziehen, die Politik machen.
Das ist ein schwieriges Geschäft und kritisieren ist leicht.
Was wir auf jeden Fall tun können, und was wir auch gleich machen werden, ist, für unser Land und für die Menschen, die politische Verantwortung tragen, zu beten.
Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn! Das hat schon der Prophet Jeremia der Gemeinde im Exil geschrieben und das wollen wir gleich machen.
Ich bin sehr froh, dass wir die Bibel haben.
Sie gibt uns keine politischen Patentrezepte, aber sie gibt uns bis heute Orientierung und hilft uns so, als Christen politische Verantwortung zu übernehmen und eine gute Wahl zu treffen.
Und der Friede Gottes …