Predigt, 26.1.2025 (G-MIT) Joh. 16, 33

26.1.2025

J.Berewinkel

Liebe Geschwister, als wir vor zwei Wochen im Team diesen G-MIT vorbereitet hatten, da haben wir uns auch ausgetauscht, was uns so bewegt im Blick auf ...

Liebe Geschwister,

als wir vor zwei Wochen im Team diesen G-MIT vorbereitet hatten, da haben wir uns auch ausgetauscht, was uns so bewegt im Blick auf das neue Jahr. Und da kamen viele ähnliche Themen hoch wie gerade. Sachen, die uns Angst machen, die uns Sorgen machen.

Die ersten Tage mit Donald Trump haben ja bestätigt, dass die Zeiten vorbei sind, wo wir als Europäer uns auf die USA als Partner verlassen können.
Beim Krieg in der Ukraine ist kein Ende in Sicht.
Europa ist so gespalten und geschwächt, wie lange nicht mehr.
Und die Aussichten für Deutschland, politisch, wirtschaftlich – nicht gerade rosig.

Der Blick auf das neue Jahr ist ganz schön duster. Und vielleicht haben manche von Euch noch ganz andere, persönliche Sorgen: Sorgen um die Gesundheit, um eine Beziehung, …

Ich hatte am Anfang einen Satz zitiert, den Jesus einmal gesagt hat: „In der Welt habt ihr Angst.“

Das ist ein Fakt. In der Welt haben wir Angst.
Und das liegt nicht daran, dass wir so überängstliche Leute sind. Es liegt daran, dass es in dieser Welt Grund zur Angst gibt und Grund zur Sorge. Da ist vieles, was uns bedroht, was gefährlich und schlimm ist.

Die meisten von uns sind in Deutschland groß geworden, in einem sicheren, reichen Rechtsstaat. Wir haben nie äußere Bedrohung erlebt: Hunger, Krieg oder Willkür.
Für uns war Frieden und Wohlstand und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit völlig normal und selbstverständlich. Wir sind in dieser Hinsicht ja ein bisschen gepampert durchs Leben gegangen. Und jetzt merken wir: Das ist alles überhaupt nicht selbstverständlich. Es ist bedroht. Und das macht Angst.

In der Welt habt ihr Angst.
Das sagt Jesus zu seinen Jüngern damals.
Er sagt es an dem Abend, als er von ihnen Abschied nimmt, kurz vor seiner Verhaftung.

Jesus ahnt schon voraus, was mit ihm passieren wird.
Er wird selber auch Angst haben in Gethsemane, weil er weiß, dass sein Leben bedroht ist, dass er einen furchtbaren Tod sterben muss.

Und er weiß, dass auch seine Jünger eine schwere Zeit vor sich haben: Dass auch ihnen sehr bald schon die Verhaftung droht, vielleicht der Tod.
In der Welt habt ihr Angst.

Aber damit endet der Satz ja nicht.
Er geht weiter.
Jetzt kommt das ABER:

„aber seid getrost!“

Seid getrost – das klingt ja so ein bisschen altertümlich. Und es klingt ziemlich passiv. So im Sinne von „beruhig dich!“

Das Wort, das im griechischen Original hier steht, ist aber nicht passiv, sondern aktiv: tharseite!
Die Basisbibel übersetzt das ganz treffend mit „Fasst Mut!“
Tharseite, fasst Mut! – das haben in früheren Zeiten die Feldherren ihren Soldaten zugerufen, bevor es in die Schlacht ging.
Das sagte Mose dem Volk Israel, als sie von den Ägyptern bedroht wurden und keinen Ausweg mehr sahen: Fasst Mut!

Wenn man Mut fasst, heißt das ja nicht, dass die Angst plötzlich nicht mehr da ist, sondern dass man sich von seiner Angst nicht beherrschen lässt.

Das Gefühl der Angst ist ja nichts Schlechtes.
Die Angst ist ein wichtiger Warnimpuls. Sie schützt uns.
Aber die Angst kann auch lähmen.
Wenn wir von der Angst beherrscht werden, dann erstarren wir wie das Kaninchen vor der Schlange.
Wenn die Angst uns beherrscht, dann handeln wir nicht mehr rational, sondern panisch.

Fasst Mut! – das heißt: Lasst euch nicht von der Angst lähmen! Lasst euch nicht von der Angst abhalten, das Richtige zu tun. Geht mutig voran!

Ich lese gerade die Autobiografie von Alexei Nawalny und bin jetzt an der Stelle, wo er nach Russland zurückkehrt. Er war ja vergiftet worden, war dann nach Deutschland gekommen; wurde hier gepflegt und konnte sich regenerieren. Und dann hat er sich entschlossen, nach Russland zurückzukehren.
Natürlich hatte er damit gerechnet, dass man ihn dort inhaftiert und natürlich hatte er Angst gehabt. Aber er schreibt, dass es für ihn völlig außer Frage stand zurückzugehen, dass er wusste, dass dort in Russland sein Platz ist.

Man kann das jetzt im Nachhinein natürlich in Frage stellen und sagen: Wäre er da doch nur ein bisschen weniger mutig gewesen, dann würde er vielleicht noch leben. Aber für ihn war das keine Option. Er wusste: Dort ist meine Lebensaufgabe, egal, was da noch passieren wird.

Ich hoffe, dass uns solche Konflikte erspart bleiben.
Aber es ist nun mal so, dass es in unserer Welt Menschen gibt, die ganz gezielt Angst schüren, um ihre Ziele durchzusetzen: Ein Putin in Russland, ein Trump in Amerika. Politiker von AfD und BSW bei uns. Vielleicht auch Leute an Deinem Arbeitsplatz oder in der Schule. Es gibt Menschen, die uns drohen und Angst machen, um ihre Absichten durchzusetzen.

Wir müssen uns nicht schämen, wenn wir da Angst kriegen. Angst haben wir alle.
Aber es geht darum, ob wir uns von der Angst bestimmen lassen, ob wir einknicken und schweigen. Oder ob wir trotz unserer Angst das tun, was richtig und nötig ist.

In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, fasst Mut!
Nur – wo kommt denn jetzt dieser Mut her?

Jesus sagt: „Fasst Mut, ich habe die Welt überwunden.“

Mit „Welt“ meint Jesus hier nicht unseren Planeten oder das Universum, sondern die menschliche Welt, das System, wie diese Welt funktioniert. Eine Welt, die sich von Gott gelöst hat.

Jesus hat diese Welt „überwunden“.
Er hat ihre Gesetzmäßigkeiten, ihre Spielregeln überwunden und besiegt.
Und zwar in doppelter Hinsicht.

1. Jesus hat das Böse durch die Liebe überwunden

Ein Kennzeichen unserer Welt ist ja, dass sich das Böse immer vermehrt. Das ist ganz verrückt.
Niemand will böse sein. Alle leiden darunter. Und trotzdem kriegen wir das Böse nicht eingedämmt.
Weil es wie ein Virus ist. Es ist ansteckend.

Es ist ja so: Wenn ein anderer Mensch dich hasst, dich beleidigt oder verletzt, dann löst das in dir eine Reaktion aus. Du bist stinksauer auf diesen Menschen. Du hast auf einmal Hassfantasien, wirfst ihm üble Worte an den Kopf und wenn er dich schlägt, dann schlägst du zurück.
Da hat dich schon das Böse ansteckt, und so verbreitet es sich.

Jesus hat viel Böses erlebt. Er wurde beleidigt. Es gab Intrigen. Der Hohe Rat hatte Leute bestochen, damit sie vor Gericht falsche Anschuldigungen gegen ihn vorzubringen. Und dann wurde er von den Römern gefoltert und am Kreuz entwürdigt und gequält.

So viel Bosheit! Wir hätten uns da wohl alle anstecken lassen. Hätten auf den Hass mit Hass reagiert und wenn wir gekonnt hätten, dann hätten wir doch diese ganzen Verbrecher kurz und klein geschlagen.

Und das erstaunliche bei Jesus ist: Er nimmt dieses Böse auf sich und trägt es. Lässt sich nicht infizieren.
Jesus betet: Vater, vergib ihnen. Sie wissen nicht, was sie tun!
Kein Hass. Keine Vergeltung. Keine Spirale der Gewalt.
Jesus überwindet das Böse mit Gutem,
den Hass mit Liebe,
die Lüge mit Wahrheit,
die Feindschaft mit Versöhnung.

Und hier ist die Quelle für Veränderung.
Bei Jesus können wir die Liebe finden, die wir brauchen, um auch den Hass zu besiegen.
Wenn wir mit ihm verbunden sind, dann können wir die Kraft finden, um das Böse mit Gutem zu überwinden.

Sei getrost! Fass Mut! Das Böse muss nicht das letzte Wort haben. Es kann mit Liebe besiegt werden.

Und Jesus hat die Welt noch in einer anderen Hinsicht besiegt.

2. Jesus hat den Tod durch das Leben überwunden

Nur ein paar Stunden, nachdem Jesus diese Worte gesagt hat, ist er verhaftet worden. Und dann ist er durch die Hölle gegangen. Ich hab es eben schon angedeutet: Ein verlogener Prozess vor dem Hohen Rat, das Verhör durch Pilatus, die Folter am Kreuz und dann stirbt er.
Und es scheint, als ob sich die Prinzipien dieser Welt wieder mal durchgesetzt haben:
Die Lüge besiegt die Wahrheit,
die Macht setzt sich durch gegen das Recht.
Die Starken gewinnen und die Ehrlichen, die Gerechten, die Unschuldigen – sie sterben.

Aber der Karfreitag ist eben nicht das Ende.
Jesus geht durch die Hölle, aber er bleibt nicht dort.
Er geht durch den Tod und überwindet ihn; dringt durch zu einem neuen Leben, Auferstehungsleben.
Das ist ein Wendepunkt.

Jesus hat den Weg zum Leben freigemacht. Auch für uns. Er nimmt uns an der Hand und führt uns durch Tod und Hölle in ein neues Leben.

Und darum ist der Tod keine Endstation mehr, sondern nur eine Durchgangsstation; ein Tunnel und am Ende ist das Licht, Licht aus Gottes Welt.

Das ändert alles!
Ostern heißt: Nach der Nacht kommt ein neuer Tag.
Dein Tod ist nicht dein Ende!
Dahinter wartet Gott auf uns, wartet ein neues Leben.

Und darum brauchst Du keine Angst vor dem Tod mehr haben!
Und wenn du den Tod nicht mehr fürchtest, dann brauchst du gar nichts mehr fürchten.

Denn letztlich ist ja alle Angst Todesangst.
Alle Ängste, die wir haben, gehen zurück auf diese eine Urangst: Die Angst, das Leben zu verlieren.

Und wenn wir davor keine Angst mehr haben müssen, dann müssen wir vor gar nichts Angst haben.

Das sagt sich jetzt so leicht.
Ich bin von meinem Naturell her überhaupt kein mutiger Typ, sondern eher ängstlich und vorsichtig.

Aber ich habe gemerkt: Da, wo ich mich eng an Jesus festhalte, an seinen Zusagen, wo ich mit ihm in Kontakt bin, da finde ich das bisschen Mut, das ich b brauche, um die Angst zu überwinden.

Und ich hoffe, dass das auch in Zukunft so sein wird, bei den Herausforderungen, die da möglicherweise auf uns zukommen.

Es kommt darauf an, dass du dich bei ihm, dem Auferstandenen, festmachst. Dann kannst Du Mut fassen.

Ich hatte im Gottesdienst vor 2 Wochen ein Bild gezeigt, eine Ikone, die Freundschaftsikone aus Taize.
Die bringt das ganz schön zum Ausdruck.

Da sehen wir Jesus, den Auferstandenen, auf der rechten Seite. Und neben ihm ein Mann namens Menas. Menas war römischer Soldat gewesen, war dann Christ geworden und hatte deswegen die Armee verlassen. Es war die Zeit, wo Christen verfolgt wurden und Menas weiß, dass ihm ganz Schlimmes droht. Er sieht mit großen Augen der Zukunft entgegen.
Aber Jesus legt seinen Arm auf seine Schulter als würde er sagen: Du brauchst keine Angst haben! Ich gehe mit dir da durch! Ich verlasse dich nicht!

In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, fasst Mut, ich habe die Welt überwunden.

Jesus ist da, an deiner Seite.
Wir sind in keiner Situation allein.
Und wenn wir sterben, dann fallen wir in seine Hände.

Und darum brauchst du dich nicht von der Angst beherrschen und lähmen lassen, musst nicht den Schwanz einkneifen und schweigen.
Du kannst in diesem neuen Jahr mutig das tun, was richtig und gut und wichtig ist, denn der, der die Welt überwunden hat, ist an deiner Seite.

Amen.