Predigt, 28.7.24 T-Zuversicht; Ps 46

28.7.2024

J.Berewinkel

Ihr Lieben, es gibt eine Menge Menschen, die leiden an Vitaminmangel. Bei einem Sommer wie in diesem Jahr leiden zB viele an einem Mangel an Vitamin-D. ...

Ihr Lieben,

es gibt eine Menge Menschen, die leiden an Vitaminmangel. Bei einem Sommer wie in diesem Jahr leiden zB viele an einem Mangel an Vitamin-D. Da muss man dann bewusst viel in die Sonne gehen – falls die sich mal zeigt – oder Tabletten nehmen. Vitamine sind ja Stoffe, die wir brauchen, die aber unser Körper nicht selber produzieren kann.

Ein Vitamin, das ganz wichtig ist, ist das Vitamin Z.

Kennt Ihr das?

Das ist total wichtig. Nicht für den Körper, sondern für die Seele. Ohne Vitamin Z verkümmert unsere Seele. Da werden wir lethargisch, melancholisch, verlieren die Lebensfreude und die Antriebskraft.

Z steht für Zuversicht.

Zuversicht ist ja ein etwas altertümliches Wort. Es hängt eng zusammen mit Hoffnung, mit Vertrauen, aber es ist noch mal etwas eigenes. Zuversicht ist eine bestimmte Sicht auf die Welt und aufs Leben.

Ich habe den Eindruck, dass wir als Gesellschaft unter Zuversichtsmangel leiden. Viele Menschen haben in den letzten Jahren Zuversicht verloren.

Und das hat ja auch gute Gründe. Viele Fakten nehmen uns die Zuversicht – im Blick auf unsere Erde, auf das Klima, auf die Kriege, auf die Wirtschaft, auf unsere Bürokratie und auf die Bundesbahn – Mensch, wenn man sich das so anschaut – das kann einen ja echt zermürben.

Die vielen schlechten Nachrichten zehren an der Zuversicht. Erlebt Ihr das auch so?

Und mit der Zuversicht ist es wie bei anderen Vitaminen: wir können sie nicht selbst produzieren. Du kannst dir nicht einfach vornehmen: So, jetzt bin ich wieder zuversichtlich! Das funktioniert nicht.

Aber wie können wir Zuversicht gewinnen – in dieser Weltlage?

Ich möchte mir mit Euch einen Psalm anschauen. Aus dem strömt die Zuversicht nur so heraus.

Ps 46, 2-4 lesen (Bildschirm)

Der Psalm ist geschrieben von den Korachitern. Das war eine Gruppe von Tempeldienern im alten Israel. Und diese Leute haben Zuversicht – und zwar mitten im Sturm.

„Gott ist unsere Zuversicht und Stärke.

Eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.“

Die haben also große Nöte erlebt bzw. erleben sie gerade.

Und das fühlt sich so an als ob die Welt unterginge,

wie bei einem riesigen Sturm auf dem Meer, mit meterhohen Wellen, die alles zum Einsturz bringen.

Es ist ja leicht, zuversichtlich zu sein, wenn alles gut aussieht, wenn die Sonne scheint und alles rosig und schön ist.

Aber diese Psalmschreiber haben Zuversicht mitten im Sturm, in einer schweren Lebenssituation, wo von außen viel Schlimmes einstürmt.

Woher kriegen die nur ihre Zuversicht?

Das hebräische Wort, das hier hinter dem deutschen „Zuversicht“ steht, ist Machasä. Und das bedeutet so etwas wie Halt, Festung, Zuflucht. Es ist ein Ort, wo man sich bergen kann, wo man festen Halt hat. Ein Fels, auf dem man steht.

Und die Psalmschreiber sagen nun: Gott ist unsere Machasä. Gott ist unsere Zuversicht, unser Halt, unser Fels, der, der uns Sicherheit gibt, mitten im Sturm.

(Bild)

Ich habe mal versucht, den Psalm ein bisschen grafisch darzustellen.

Da ist dieser Mensch, der auf dem Felsen der Zuversicht steht.

Und da sind die Wellen. Die haben verschiedene Namen.

Jeder von uns kennt ja solche Wellen: Bedrohliche Dinge, die auf uns zu rollen. Ich weiß nicht, welche Welle dich gerade bedroht.

Vielleicht ist es eine ernsthafte Krankheit und du weißt nicht, wie das ausgehen wird. Die rollt wie so eine bedrohliche Welle auf dich zu.

Vielleicht erlebst du gerade einen Konflikt, in der Familie oder im Beruf. Und auch das ist wie so eine hohe Welle. Das löst Angst aus und Ärger. Die Gedanken kreisen darum und du kannst nicht einschlafen, weil das so bedrohlich ist.

Die vielen Krisen in unserer Welt sind wie hohe Wellen. Das meiste davon ist ja weit weg, aber wir kriegen das ja mit, wie zerbrechlich die Welt ist, wie schlimm die Menschen sein können, wie Konflikte immer mehr eskalieren.

Und dann die ganz hohe Welle: Der Tod. Der bedroht jeden von uns.

Der Psalmschreiber steht auf einem Felsen mitten im Sturm, und die Wellen schwappen heran. Und doch sagt er: Wir fürchten uns nicht!

Die Füße werden zwar nass und vielleicht auch das Hemd. Aber ich stehe auf einem festen Felsen. Der geht nicht unter. Gott ist unsere Zuversicht.

In diesem Psalm wird also das Schlimme nicht verharmlost. Die Wellen sind da, und die Nöte sind schlimm. Auch wenn wir an Gott glauben und mit ihm leben – er pampert uns nicht. Er lässt Leid und Schmerz und Enttäuschung zu. Das haben wir auch eben in der Lesung beim Paulus gehört: Der hatte auch ganz schlimme Momente erlebt: Hunger und Gefängnis und Prügel und Todesnot. Wie dieser Psalmschreiber.

Aber er hat diesen festen Halt. Er steht auf dem Felsen und er weiß: Egal, was passiert: Gott hält mein Leben. Es kann mir nichts passieren als das, was Gott zulässt.

Wenn ich krank werde – Gott hält mich.

Wenn Beziehungen zerbrechen – Er ist da.

Und selbst der Tod kann mich nicht von Gott trennen. Wenn ich sterbe, dann falle ich in seine Hände.

Und darum – keine Welle kann mich von diesem Felsen wegspülen.

Gott ist unsere Zuversicht und Stärke. Darum fürchten wir uns nicht.

Jetzt ist es ja so: Zuversicht haben ist ja mehr als nur ein theoretisches Wissen haben.

Es gibt Menschen, die glauben, dass es Gott gibt, aber es erwächst trotzdem keine Zuversicht daraus.

Ich las kürzlich von einer interessanten Episode aus John Wesleys Leben. John Wesley war der Gründer der Methodistischen Kirche.

Als ganz junger anglikanischer Pfarrer ist er mal in den 1720er Jahren mit einem Segelschiff von England nach Amerika gefahren, um dort einen Gemeindedienst zu übernehmen.

Zufällig waren auf dem gleichen Schiff einige Leute der Herrnhuter Brüdergemeine. Die war erst wenige Jahre vorher gegründet worden. Es waren Handwerker, die in Amerika den Sklaven helfen und missionarisch wirken wollten.

Wesley hat also diese Leute auf dem Schiff kennengelernt.

Dann kam das Schiff in einen heftigen Sturm. Viele Passagiere gerieten in Panik. Auch Wesley selber. Er hatte Todesangst, war panisch und verzweifelt. Und dann sah er diese Herrnhuter, wie sie da in Seelenruhe zusammensitzen, Psalmen lesen und Lieder singen. Die schienen keine Angst vor dem Tod zu haben.

Das hat Wesley tief beeindruckt. Er schrieb das später in seinem Tagebuch. Und er merkte: Sein eigener Glaube war nur Theorie. Theoretisch glaubte er, dass sein Leben in Gottes Hand liegt und dass er nach dem Tod bei Gott ein neues Leben bekommt. Aber dieses theoretische Wissen drang nicht in sein Herz. Sein Herz war voller Angst und Unruhe. Er merkte: Mir fehlt da etwas.

Das ist ja eine entscheidende Frage:

Wie kommt eine Einsicht vom Kopf ins Herz?

Wie dringt sie ein in die tieferen Schichten?

Wie kann aus dem Glauben an Gott echte Zuversicht erwachsen?

Das erste ist:

Wenn Gott für dich nur eine Hypothese im Kopf ist, eine Idee, über die man manchmal nachdenkt, ein Gedanke, den man für möglich hält – dann wird daraus keine Zuversicht erwachsen können.

Es braucht eine echte Begegnung mit Gott. Eine Begegnung, in der man merkt und erfährt: Er ist real! Er ist wirklich da.

Und für so eine Begegnung braucht man Offenheit und Hingabebereitschaft. Gott lässt sich finden, wenn wir ihm ehrlich unser Herz öffnen, wenn wir uns ihm ehrlich und entschlossen zuwenden. Dann kann es zu so einer Begegnung kommen.

Dann kann es passieren, dass wir die Erfahrung machen: Dieser Gott, den ich bisher nur für einen Gedanken, eine Tradition, eine Hypothese hielt – der ist ja lebendig! Wow!

Und so eine Erfahrung kann tief ins Herz eindringen, kann unsere Sicht aufs Leben verändern, kann unsere Gefühle verändern. Und daraus kann eine Haltung der Zuversicht entstehen.

Das ist das erste.

Aber auch wenn man einmal so eine Begegnung mit Gott gehabt hat – die Zuversicht kann wieder verschwinden. Die Ängste und Zweifel können wieder zurückkehren.

Wir sehen dann nur die Wellen und das Wasser und nicht mehr den Felsen.

Deswegen brauchen wir die kontinuierliche Erinnerung an Gottes unsichtbare Gegenwart. Es ist wichtig, gerade wenn solche Wellen auf uns zurollen, dass wir uns immer wieder diese andere Realität ins Bewusstsein zurückrufen: Gott ist da. Er hält mich. Diese Welle kann mir nichts wirklich Schlimmes anhaben.

Indem wir uns diese unsichtbare Wirklichkeit ins Bewusstsein rufen, immer wieder, mehrmals am Tag, kann sie ganz langsam wieder in das Herz und die Gefühle eindringen.

Jedes Mal, wenn die Angst aufsteigt, sage ich mir das neu: Gott ist da. Er hält mich.

Und so kann Zuversicht wachsen und kräftig werden.

Das ist das zweite.

Und wenn wir dann bewusst auf diesem Felsen stehen und Zuversicht im Blick auf Gott haben, dann kann sich diese Zuversicht ausbreiten auf andere Lebensbereiche.

Dann kann ich langsam anfangen, auch im Blick auf andere Situationen hoffnungsvoller zu werden, im Blick auf mein Leben, auf die Menschen um mich herum, oder auch im Blick auf die Kirche.

Das habe ich jetzt in Tansania erlebt. Ich hatte ja meinen Sohn da besucht. Wir sind vor zwei Wochen dann zusammen in das Dorf gefahren, wo ich vor 30 Jahren mal gelebt hatte und haben da Gottesdienst gefeiert. Die sind da sehr zuversichtlich im Blick auf die Gemeindearbeit.

Vor kurzem haben sie begonnen, sonntags einen zweiten Gottesdienst anzubieten, weil sonst die Kirche zu voll wäre. Ihr glaubt nicht, um wie viel Uhr! Sonntagsmorgens um 7.00 Uhr! Da kamen nicht so viele, aber immerhin so 70, 80 Leute, vor allem junge Leute.

Und dann um 10.00 Uhr der Hauptgottesdienst.

(Bild)

Da waren es so 150 Leute, viele junge.

Wenn man das so sieht wie die Gemeinde da wächst und lebendig ist – das zündet schon Zuversicht und Hoffnung an.

Zuversicht strahlt aus und steckt an.

Vielleicht können wir ja diesen Psalmvers mitnehmen in die neue Woche.

Ich würde den Vers dafür mal ein bisschen persönlicher formulieren. Das kann dann dein Motto für die nächsten Tage werden und wann immer Wellen auf dich zurollen.

Gott ist meine Zuversicht und Stärke,

eine Hilfe in den großen Nöten,

die mich getroffen haben.

Darum fürchte ich mich nicht.

Lasst uns das einmal gemeinsam sprechen und dann vielleicht zu Hause immer wieder mal sprechen und so die Zuversicht ins Herz bringen:

Gott ist meine Zuversicht und Stärke,

eine Hilfe in den großen Nöten,

die mich getroffen haben.

Darum fürchte ich mich nicht.

Amen.