Predigt, 29.6.205 Jes. 55, 1-5

29.6.2025

J.Berewinkel

  Ihr Lieben, ich gehe total gerne auf den Markt, unten auf dem Marktplatz in der Stadt. Da sind ja diese großen Gemüsestände, und da gibt es ...

 

Ihr Lieben,
ich gehe total gerne auf den Markt, unten auf dem Marktplatz in der Stadt. Da sind ja diese großen Gemüsestände, und da gibt es ein paar Verkäufer mit einer ganz markanten, durchdringenden Stimme. Die habt Ihr bestimmt auch schon gehört: 2 Kilo Äpfel für 2 Euro! Frische Erdbeeren! Nur 4 Euro die Schale!

Stellt euch mal vor, auf dem Markt würde plötzlich jemand rufen: Leute kommt! Frische Erdbeeren für 0 Euro!

Wir wären erst mal irritiert und misstrauisch. Da ist doch ein Haken dran, oder? Oder ist das Ramschware, die weg muss?
Aber wenn wir dann sehen würden: Wow, das sind ja richtig tolle Erdbeeren! Und der gibt die wirklich umsonst weg! – dann würden wir sofort zugreifen. Und alle anderen Leute würden hinrennen, oder? Das würden wir uns nicht entgehen lassen. Wir sind doch nicht doof!

Beim Propheten Jesaja stellt Gott sich genau so vor.
Er tritt auf wie ein Marktschreier. Und er bietet die beste Ware an, ganz umsonst.
Ich lese den Predigttext, der für diesen Sonntag vorgeschlagen ist:

Lesung: Jesaja 55, 1-5

Ihr Lieben, das ist ein prophetisches Wort. Die Propheten Israels haben ja nicht ihre eigenen Fantasien über Gott erzählt, sondern das waren Menschen, die etwas von Gott empfangen haben. Die hatten Eindrücke; die hatten etwas gehört, etwas wahrgenommen, das Gott ihnen geschenkt hat. Und auch das, was Jesaja hier sagt, das hat er von Gott empfangen.

Gott spricht hier.
Und er spricht wie ein orientalischer Marktschreier. Es gab auf diesen Märkten im Orient Leute, die frisches Brot anbieten oder Wein oder Fleisch.
Und es gab die Wasserverkäufer mit großen Wasserbehältern auf dem Rücken.
Und so ruft er den Menschen zu:
Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Kommt, kauft Brot! Kauft Wein und Milch! Kommt!
Und das Verblüffende ist: Dieser Händler bietet seine Ware kostenlos an: Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst!

Gott ist kein Businessmann, der Profit machen will. Sondern seine Gaben sind frei. Wir können sie nicht bezahlen und wir brauchen es nicht. Er schenkt sie uns kostenlos! Sola gratia.

Und darum drängt er die Menschen: Kommt doch! Nehmt’s doch! Seid doch nicht doof! Vergeudet doch nicht euer Lebenskapital für Sachen, die gar nicht satt machen. Kommt doch zu mir!

Ganz ähnlich ist übrigens Jesus aufgetreten.
Wir haben das in der Lesung vorhin gehört:
Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, die ihr abgearbeitet und erschöpft seid! Ich will euch erquicken, erfrischen!

Und als er einmal im Tempel in Jerusalem war, da rief er den Leuten zu:
Wer Durst hat, der komme zu mir und trinke!

Bei Jesus und auch hier bei Jesaja spürt man ein ganz großes Engagement. Eine große Leidenschaft.
Der Gott, der sich in der Bibel vorstellt, ist kein kühl-distanziertes Wesen, sondern dieser Gott, der will etwas. Der hat ein leidenschaftliches Interesse daran, uns seine Waren zu geben.

Aber warum will er denn so unbedingt, dass wir seine Ware nehmen?

Er will es, weil wir ihm nicht egal sind. Es geht ihm um uns. Gott selbst hat ja keinen Vorteil davon, wenn wir ihm seine Ware abnehmen. Er will nichts verdienen. Er braucht uns auch nicht.
Sondern es geht ihm um uns. Er will, dass es uns gut geht. Und darum lädt er uns ein: Kommt, kommt zu mir! Bei mir bekommt ihr, was ihr im Tiefsten braucht!

Aber um was für eine Ware geht es denn da?

Es gibt ja so Grundbedürfnisse, die jedes Lebewesen hat: Wir brauchen Essen und Trinken. Wir brauchen Schutz vor Hitze und Kälte. Wir brauchen soziale Kontakt und wollen uns fortpflanzen.
Das sind die Grundbedürfnisse, die hat jeder.
Die hat auch dein Hund.
Wenn dein Hund Essen und Trinken hat und ab und zu Sex und ein paar Streicheleinheiten, dann ist er zufrieden. Mehr braucht er nicht.

Bei uns Menschen ist das anders.
Wenn unsere Grundbedürfnisse erfüllt sind, dann ist das schön, aber wir sehnen uns nach mehr.
Wir wollen nicht nur über-leben, sondern richtig leben.
Wir wollen auch nicht nur bequem leben, sondern erfüllt leben.

Es gibt eine Sehnsucht nach Mehr.
Und darum geht es hier bei Jesaja und auch bei Jesus.
Es geht nicht um den physischen Durst, sondern um den Lebensdurst.

(Wasserflasche aufstellen und Schluck trinken)
Das ist doch etwas, das wir alle kennen und immer wieder spüren: Durst! Durst nach Leben!

Wonach dürstest du?
Was liegt unterhalb von deinen physischen Bedürfnissen?
Es lohnt sich, dem mal genauer nachzuspüren.
Wonach dürstest du?
Uns fallen da vielleicht zuerst Wünsche ein:
Einen richtig schönen Urlaub machen. Ein tolles Konzert hören, mit anderen ausgelassen feiern.

Oder im Beruf: ein Projekt erfolgreich abschließen.
Anerkennung bekommen durch den Chef und die Kollegen.
Karriere machen oder weniger Stress haben oder eine schönere Wohnung finden oder attraktiver aussehen…
Das sind lauter Wünsche und Ziele.
Aber was liegt hinter diesen Wünschen? Was liegt darunter?

Wenn wir tiefer graben, stoßen wir auf unsere Sehnsüchte.
Wonach sehnst du dich wirklich?
Wonach hungerst und dürstest du?

Das wird wahrscheinlich bei uns recht verschieden sein. Es wäre interessant, wenn wir uns das einmal erzählen würden, oder?
Bei den meisten wird es vermutlich etwas mit Liebe zu tun haben: Echte Liebe erfahren und teilen. In guten, liebevollen Beziehungen leben, wo ich willkommen und angenommen bin so wie ich bin.

Und die meisten von uns werden in sich eine Sehnsucht danach spüren, tiefen Sinn zu erfahren. Zu merken, dass sich das Potenzial, das in mir steckt, entfalten kann, dass ich etwas bewirken kann, dass ich in irgendeiner Weise ein kleines bisschen die Welt zum Guten verändern kann, dass mein Leben Bedeutung hat.

Durst nach Leben, nach erfülltem, liebevollen, sinnvollen Leben.

Und Gott sagt durch den Propheten: Alle, die ihr diesen Durst habt, kommt zu mir! Bei mir wird euer Durst gestillt!

Gott hat uns Menschen ja so geschaffen, als seine Ebenbilder. Das ist unsere Berufung, unsere Bestimmung: Als Ebenbilder Gottes leben, in liebevollen Beziehungen zu ihm und zu einander, als Ebenbilder Gottes mit den Gaben und Potenzialen, die er uns geschenkt hat, diese Welt gestalten und zu einem guten Ort machen. Erst darin erfüllt sich unsere Bestimmung. Und erst, wenn wir das erleben, ist unser Leben erfüllt. Erst dann ist unser Durst gestillt.

Dieses erfüllte Leben will Gott uns geben!
Dir, Clara, hat er es heute besonders zugesagt.
Und es gilt für uns alle!

Aber wie kommen wir dran an diese Gaben?

In dem Prophetenwort heißt es: Kommt zu mir, kauft und esst! Und dann wird das in V. 2 und 3 konkreter. Da ruft Gott uns Menschen auf: Hört doch auf mich! Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben!

Auf Gott hören – das ist zunächst mal genau das, was wir jetzt gerade miteinander tun.
Wir hören auf einen Bibeltext.
Und die Bibel ist das Buch, in dem wir am deutlichsten Gottes Stimme hören.

Also, zu Gott kommen, bei ihm essen und trinken, das heißt erst mal ganz schlicht: Auf die Bibel hören.
Hier im Gottesdienst.
Oder in einem Bibelkreis. Wir haben ja einen in unserer Gemeinde. Die treffen sich alle zwei Wochen im Gemeindehaus und lesen und besprechen Bibeltexte. Da kann man hingehen.
Oder auch für sich ganz alleine zu Hause.

Die Bibel lesen und darin Gottes Stimme hören – das ist allerdings nichts Triviales.
Jeder, der das mal probiert hat, hat auch die Erfahrung gemacht: Ach, irgendwie sagt mir das nichts. Ich verstehe das nicht. Das klingt so fern und fremd. Das macht mich überhaupt nicht satt.

Das Hören auf Gott ist nichts Triviales, sondern es braucht Übung, braucht Training.

Es ist ein bisschen so, wie wenn jemand in ein Fitnessstudio geht.

Stell dir vor, jemand sagt sich: Ich sollte mal etwas für meine Muskulatur tun. Er geht ins Fitnessstudio, probiert ein Gerät aus, macht da zehnmal eine Bewegung und sagt dann: Ach, ich merke gar nichts. Und es ist so langweilig. Und irgendwie anstrengend. Ach ne, das bringt es nicht. Das lasse ich doch besser bleiben.

Jeder Trainer wird so jemandem sagen: Du, mit zehn mal Pumpen oder Strecken ist das nicht getan. Du musst dran bleiben! Mach weiter, eine Stunde lang. Und das zwei, drei Mal die Woche, über mehrere Monate. Dann wirst du merken, dass es dir gut tut. Dann wirst du merken, wie sich deine Muskeln entwickeln!

Genau so ist es mit dem Hören auf Gott in der Bibel.
Da brauchen wir Übung und langen Atem.
Wir lesen einen Text, vielleicht den von heute oder aus den Evangelien, lesen ihn einmal, zweimal, dreimal hintereinander. Und dabei beten wir: Lieber Gott, sprich du bitte durch dieses Wort zu mir! Und immer wieder hören, lauschen: Was will Gott mir da sagen? Und dann, was du erkennst, auch tun! Es in die Praxis umsetzen.

Es geht darum, durch Bibel und Gebet mit dem lebendigen Gott in Kontakt zu treten, ihm realen Einfluss auf mein Leben zu geben. Immer wieder. Am besten mehrmals die Woche.

Und wenn du das machst, über einen längeren Zeitraum, dann wirst du merken, wie sich etwas verändert. Dann wirst du merken können, das Gottes Worte satt machen. Dass in Gottes Nähe der Lebensdurst gestillt wird.

Und das wird dann übrigens auf andere ausstrahlen.
Darum geht es im zweiten Teil von dem Prophetenwort. Da geht es um David und Gottes Bund mit ihm. Wir können jetzt nicht genauer darauf eingehen. Aber deutlich wird hier: Gott interessiert sich nicht nur für die Menschen in Israel. Nicht nur für die Frommen, die sowieso schon an ihn glauben. Sondern er interessiert sich auch für die anderen Völker, für die Menschen, die ihn noch nicht kennen. Auch die will Gott mit seinen Gaben beschenken und ihren Lebensdurst stillen.

„Du wirst Völker rufen, die du nicht kennst und Völker, die dich nicht kennen, werden zur dir laufen um des Herrn willen“.

Gottes gute Gaben sollen unter die Leute kommen, überall.

Darum hat auch Jesus seine Jünger losgeschickt: Geht in die ganze Welt und macht alle Völker zu meinen Jüngern. Erzählt ihnen von mir, damit auch ihr Lebensdurst gestillt wird!

Das ist der Missionsauftrag.
Und hier wird deutlich: Mission heißt nicht, anderen Leuten meine Meinung aufdrücken, sondern Mission im Sinne der Bibel heißt: Anderen Menschen zeigen, wo es ganz umsonst Wasser und Brot und frische Erdbeeren gibt. Es wäre doch fies, wenn wir das für uns behalten!

Wenn wir selbst erleben, dass Gott unseren Lebensdurst stillt, dann werden wir die Einladung Gottes an andere weitergeben.

Und wenn ihr hier in der Gemeinde, in unserem Gottesdienst etwas Gutes empfangt, dann behaltet das doch nicht für euch, sondern erzählt es weiter, damit andere das auch mitbekommen!

Gott lädt uns ein! Er will uns mit seinen Gaben beschenken. Er will uns satt machen, frei und umsonst! Und diese Einladung sollten wir großzügig an andere weitergeben.

Und der Friede Gottes, der unsere Vernunft übersteigt, bewahre eure Herzen und Gedanken in Jesus Christus. Amen.