Predigt 30.6.2024 1.Petr. 5, 5-7

30.6.2024

J.Berewinkel

Liebe Geschwister, ich möchte gerne heute mit Euch über ein einzelnes Wort nachdenken. Es ist ein Wort, das in unserem Sprachgebrauch selten geworden ist. Wobei – ...

Liebe Geschwister,
ich möchte gerne heute mit Euch über ein einzelnes Wort nachdenken. Es ist ein Wort, das in unserem Sprachgebrauch selten geworden ist. Wobei – in letzter Zeit hört man es wieder häufiger.

Der Apostel Petrus spricht in einem Brief davon.
Ich lese aus diesem Brief einige Sätze vor.

Lesen: 1 Petr 5, 5-7

5 Desgleichen ihr Jüngeren, ordnet euch den Ältesten unter. Alle aber miteinander bekleidet euch mit Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.
6 So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit.
7 Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.

Sie ahnen, um welches Wort es geht.
Es ist das Wort: Demut.

Was ist eigentlich Demut?
Was empfindet Ihr, wenn Ihr „Demut“ hört? Ein Mensch ist demütig? Klingt das für euch positiv? Erstrebenswert? Oder hat das einen negativen Beigeschmack?

(Kurzer Austausch mit Nachbarn)

Demut –
Von allen Tugenden ist das die am meisten missverstandene.
Viele Menschen verbinden mit Demut, dass man ein negatives Bild von sich selber hat, dass man sich selbst klein macht und gering von sich denkt.
Demut ist, denken sie, wenn ein gescheiter Mensch versucht, sich für dumm zu halten und eine hübsche Frau sich einredet, sie sei gar nicht so hübsch.

Die Kirche hat im Laufe der Jahrhunderte dazu beigetragen, dass Demut so verstanden wird.
Demut wurde da oft von der Sünde des Menschen her begründet: Du bist ein Sünder. Also denke gefälligst schlecht von dir!

Ich glaube, dass das ein gründliches Missverständnis ist und dass Demut eigentlich etwas ganz anderes bedeutet.

Was meint Petrus, wenn er sagt: „Alle aber miteinander, bekleidet euch mit Demut!“?
Was für Bilder hat er da im Kopf?

Am besten verstehen wir diese Tugend nicht durch abstrakte Definitionen, sondern durch Menschen, die Demut verkörpert haben.

Es gibt in der Bibel 3 Personen, von denen ausdrücklich gesagt wird, dass sie demütig sind.
Es sind alles Männer.
Das liegt nicht daran, dass es in der Bibel keine demütigen Frauen gibt, sondern eher daran, dass die Frauen in der Bibel so bescheiden sind, dass sie ohnehin nicht viel Aufhebens um sich machen wollten.

Also – 3 demütige Männer.

Der erste ist Mose.
Von Mose heißt es: „Mose war sehr demütig, mehr als alle Menschen auf Erden.“ (4.Mose 12, 3)

Das ist interessant. Denn Mose hatte ja die höchste Position im Volk Israel.
Er war als ägyptischer Prinz aufgewachsen. Gehörte zur Elite des Volkes. War dann von Gott berufen worden, das Volk Israel aus der Sklaverei zu befreien und sie in das Land Kanaan zu führen.
Mose – ein großer Leiter, der aufrecht vor dem Pharao stand. Der es gewohnt war, Befehle zu erteilen und Menschen zu führen.

Und trotzdem heißt es von ihm, dass er ausgesprochen demütig war.
Worin bestand seine Demut?

Dieser Satz wird über ihn gesagt, nachdem sein Bruder Aaron und seine Schwester Miriam ihn heftig kritisiert hatten. Sie hatten seinen Führungsanspruch in Frage gestellt. Hatten ihm gesagt: Du denkst wohl, Gott redet nur zu dir! Du bildest dir ein, du wärst was Besonderes! Usw.

Und Mose hört sich diese Kritik an ohne sich zu verteidigen, ohne wütend zu werden. Ohne dass er nun seinerseits seine Geschwister in den Senkel stellt.

Und so war das immer wieder. Er wurde viel vom Volk kritisiert. In den ganzen Jahren der Wüstenwanderung – ständig haben ihm die Leute Vorwürfe gemacht: Dass er sie den falschen Weg führt, dass er nicht für genug Essen sorgt, dass sie kein Wasser finden… Immer wurde ihm die Schuld dafür gegeben.
Und er nahm das an. Er reagierte nicht wütend, wie ein angeschossener Eber, sondern betete zu Gott und suchte Lösungen für die Probleme.

Das ist Demut: Dass man Kritik – ob nun berechtigt oder unberechtigt – hört, ohne aufbrausend zu werden, ohne beleidigt zu sein und alles hinzuschmeißen.

Mose konnte so gelassen auf Kritik reagieren, weil er ganz tief wusste: Gott hat mir diesen Job gegeben. Er hat mich berufen, das Volk zu führen. Er hat mir diese Würde gegeben.
Das war sein Halt.
Darum hatte er keine Angst vor Kritik.
Er konnte Fehler zugeben und auch unberechtigte Kritik einstecken, weil er seinen Selbstwert nicht aus seinem Ansehen oder seiner Position bezog, sondern in Gott verankert war.

Wir merken hier an Mose:
Demut ist nicht Schwäche, sondern Demut ist Stärke.
Die innere Stärke, Kritik anzunehmen.

Eine zweite demütige Person, die uns einen weiteren Aspekt der Demut zeigt: Das ist David.
David – der große König. Einer der erfolgreichsten Politiker Israels aller Zeiten.

Er war gerade erst König geworden, da bringt er die Bundeslade nach Jerusalem, in seine neue Hauptstadt.
Die Bundeslade, das war der goldene Kasten, in dem die 10 Gebote waren, ein Ort der besonderen Nähe Gottes.

David begleitet diesen heiligen Transportzug und tanzt.
In der Bibel wird berichtet: (2.Sam. 6)

Und David tanzte mit aller Macht vor dem HERRN her und war umgürtet mit einem leinenen Priesterschurz.
Und David mit dem ganzen Hause Israel führte die Lade des HERRN herauf mit Jauchzen und Posaunenschall.
Und als die Lade des HERRN in die Stadt Davids kam, sah Michal, die Tochter Sauls, durchs Fenster und sah den König David springen und tanzen vor dem HERRN und verachtete ihn in ihrem Herzen.

Ich finde das total spannend, wie David sich hier verhält.
Man muss sich die Szene mal vorstellen: Tausende von Menschen am Straßenrand. Alle wollen sehen, wie die heilige Lade nach Jerusalem gebracht wird.
Jeder andere König hätte diese Gelegenheit genutzt, um die Menschen zu beeindrucken, hätte sich das feinste Ornat angezogen, mit den höchsten Würdenträgern umgeben, um dem Volk zu zeigen, wie groß und toll ihr König ist.

Aber David macht das Gegenteil: Er zieht sich aus.
Halb nackt, in einem Lendenschurz, in Shorts sozusagen, tanzt er ausgelassen vor der Lade herum. Er freut sich an Gott, an seiner Nähe und ihm ist es völlig schnurz, was die Leute von ihm denken.

Seiner Frau Michal, eine Tochter von König Saul, ist das todpeinlich.
Sie macht ein großes Donnerwetter, als ihr Mann abends nach Hause kommt: Wie kann man sich nur so erniedrigen! Wie kann man sich nur so klein machen! Und das vor dem ganzen Volk! Oh wie peinlich!!

Aber da sagt David zu ihr:
Ich will vor dem HERRN tanzen, der mich erwählt hat vor deinem Vater und vor seinem ganzen Hause, um mich zum Fürsten zu bestellen über das Volk des HERRN, über Israel,
und ich will noch geringer werden als jetzt und will niedrig sein in meinen Augen.

David ist ein demütiger Mensch.
Er legt die Königsrobe ab und zeigt sich vor den Menschen wie er ist. In seiner Nacktheit. In seiner Natürlichkeit. In seiner Verletzlichkeit.

Das ist Demut.
Demut bedeutet nicht, mich selbst schlecht machen oder klein machen, sondern mich so zeigen wie ich bin. Ohne mich aufzuplustern, ohne etwas zu kaschieren.
Demut heißt: ich lege die Verkleidung ab. Das, womit ich so gerne andere beeindrucken möchte. Womit ich mich so gerne etwas größer mache als ich eigentlich bin.

Und wieder sehen wir: Das ist Stärke und nicht Schwäche.
David kann das, weil er – ganz ähnlich wie Mose – weiß, ganz fest weiß: Gott hat mich zum König gemacht. Mein Leben, meine Würde, meine Position – das ist mir alles von Gott geschenkt.
Und darum braucht er gar nicht die Menschen beeindrucken. Und er braucht keine Angst haben, wenn sie ihn in seiner Geschöpflichkeit, seiner Nacktheit sehen.
Weil er alles von Gott empfängt und von Gott erwartet, kann er vor Menschen so klein sein wie er nun mal ist.

Demut bedeutet:
Ja sagen zu meiner Geschöpflichkeit.
Meine Schönheit und Kraft und Klugheit als Geschenk Gottes annehmen,
und auch zu meinen Grenzen und Schwächen Ja sagen und dazu stehen.

Die dritte Gestalt, die uns zeigt, was Demut ist, das ist Jesus.

Jesus sagt von sich selber: Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. (Mt 11, 29)
Und hier bei Jesus wird nun endgültig klar, dass Demut nichts zu tun hat mit Selbstentwertung oder Kriechertum oder dass man sich anderen unterlegen fühlt.

Bei Jesus sehen wir, was Demut wortwörtlich meint. Unser Wort Demut stammt vom althochdeutschen „diomuoti“. Da steckt das Wort „Dienen“ drin. „Dienemut“. Demut ist eine Haltung des Dienens.
Und genau das hat Jesus verwirklicht.

Er hat uns Menschen gedient. Und das hat er aus freiem Entschluss getan. Nicht weil er musste oder weil er sich für minderwertig hielt.

Jesus ist der Herr und Meister. Aber er ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen.

In einer Situation wurde das besonders anschaulich. Es war nach dem Abendmahl, so berichtet der Evangelist Johannes. Da stand Jesus auf, legte sein Gewand ab und wickelte sich ein Tuch um die Hüften, wie das damals die Sklaven gemacht haben. Und dann geht er zu seinen Jüngern, geht vor ihnen auf die Knie und wäscht ihnen die Füße.
Der Herr macht sich zum Knecht und dient seinen Jüngern.
Und auch das ist Stärke, nicht Schwäche!

Dieses Bild von der Fußwaschung war für Petrus so eindrücklich – das hat er sein ganzes Leben lang nicht vergessen.

Und wenn er die Christen auffordert: „Bekleidet euch mit Demut!“, dann hat er genau diese Szene vor Augen. Das Wort, das er hier benutzt und das mit „bekleiden“ übersetzt ist, das heißt nämlich eigentlich: „schürzt euch mit Demut“. Bindet euch die Demut um wie eine Schürze! Genau so wie Jesus es damals bei der Fußwaschung gemacht hat.

Demut ist der Mut, anderen zu dienen.
Es ist der freie Entschluss, auf die eigenen Rechte zu verzichten, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen und das zu tun, was dem anderen Menschen gut tut.

Drei Personen, an denen wir sehen können, was Demut ist:

Mose, der Kritik annehmen kann, weil er in Gott seinen festen Halt hat.

David, der zu seiner Geschöpflichkeit steht und sich nicht aufplustern braucht, weil er sein Königtum und alles aus Gottes Hand empfängt.

Jesus, der Mut zum Dienen hat und sein Leben in freiem Entschluss für uns hingegeben hat.

Und Petrus sagt uns heute:
Lasst uns alle solche Demut anziehen!
Heute und in der Woche, die vor uns liegt.

Wenn dich am Montag einer mit Kritik konfrontiert.
Wenn Du am Dienstag in eine peinliche Situation kommst und entscheiden musst, ob du den schönen Schein warst, oder ehrlich bist.
Wenn du am Mittwoch einem Bedürftigen begegnest, dem du dienen kannst.

Du kannst Demut praktizieren,
weil Gott deine Stärke ist! Amen.