Predigt, 6.10.2024 (Erntedank) Mk. 8, 1-9

6.10.2024

J.Berewinkel

Ihr Lieben, der Predigttext für diesen Sonntag hat auf den ersten Blick wenig mit Erntedank zu tun. Aber wenn man ein bisschen nachdenkt, merkt man: Doch, ...

Ihr Lieben,
der Predigttext für diesen Sonntag hat auf den ersten Blick wenig mit Erntedank zu tun. Aber wenn man ein bisschen nachdenkt, merkt man: Doch, das passt. Das passt sogar sehr gut zu diesem Tag!

Ich lese aus Mk 8, 1-9

Zu dieser Zeit war wieder eine große Volksmenge
bei Jesus zusammengekommen. Da die Menschen nichts zu essen hatten, rief Jesus die Jünger zu sich.
Er sagte zu ihnen:
»Ich habe großes Mitleid mit den Menschen. Sie sind nun schon drei Tage bei mir und haben nichts zu essen. Wenn ich sie hungrig nach Hause schicke,
werden sie unterwegs zusammenbrechen –
denn einige sind von weit her gekommen.«
Seine Jünger antworteten:
»Wo soll in dieser einsamen Gegend das Brot herkommen, um diese Leute satt zu machen?«
Und er fragte sie: »Wie viele Brote habt ihr?«
Sie antworteten: »Sieben.«
Jesus forderte die Volksmenge auf, sich auf dem Boden niederzulassen. Dann nahm er die sieben Brote. Er dankte Gott, brach sie in Stücke
und gab sie seinen Jüngern zum Verteilen.
Und die Jünger teilten das Brot an die Volksmenge aus.
Sie hatten auch noch einige kleine Fische.
Jesus dankte Gott dafür und ließ sie ebenfalls austeilen. Die Menschen aßen und wurden satt.
Danach sammelten sie die Reste und füllten damit sieben Körbe. Es waren etwa 4000, die Jesus heimschickte.

Markus berichtet hier von einem Wunder.
Und dieses Wunder beginnt mit Erbarmen.
Jesus sagt seinen Jüngern: „Ich habe großes Mitleid mit den Menschen.“

Da ist eine große Menschenmenge um ihn herum. Das war oft so. Jesus zog die Menschen an. Sie waren ihm in Scharen hinterhergelaufen. Sie wollten ihn sehen, ihn hören, ihn berühren. Drei Tage sind sie schon da; haben Hunger nach Gott. Aber jetzt ist der Magen leer und der Hunger nach Brot steht ihnen ins Gesicht geschrieben.

Jesus nimmt das wahr. Er sieht, wie die Leute leiden und dass sie keine lange Fußwanderung mehr schaffen werden ohne Nahrung. Und er hat großes Mitleid mit ihnen.

Mitleid – da steht im griechischen Grundtext ein Wort, das bezeichnet eigentlich die Eingeweide, splangchnizomai. Wörtlich müsste man übersetzen: Es geht mir an die Eingeweide.
Es geht mir ans Innerste.

Wenn wir die Evangelien lesen, dann taucht das immer wieder auf, dass Jesus sich von der Not der Menschen im Innersten berühren lässt. Dass ihm das Schmerzen bereitet, dass er mit-leidet.

Und jetzt ist Jesus ja nicht nur so ein besonders empathischer Mensch, sondern in ihm hat Gott selbst unsere Erde berührt. Jesus sagte mal von sich: „Wer mich sieht, der sieht den Vater“.
Jesus ist so eine Art Fenster zum Himmel.
Wenn wir Jesus ansehen, dann sehen wir, wie Gott ist. Dann gucken wir Gott direkt ins Herz!

Und wenn Jesus von sich sagt: Ich habe großes Mitleid mit den Menschen – dann bedeutet das ja: Gott selbst hat großes Mitleid. Es geht Gott selbst ans Innerste.

Manchmal haben wir ja das Gefühl: Gott kümmert sich nicht um unsere Not. Irgendwie scheint ihm das alles egal zu sein, was hier auf der Erde an Schlimmem passiert. So viel Leid, so viel Böses – und Gott tut irgendwie nichts. Ist es nicht offensichtlich, dass ihm das alles egal ist?

Und hier bei Jesus sehen wir in Gottes Herz. Dieser Gott, der so fern und kühl wirkt, dem geht unsere Not ans Innerste. Er leidet mit, wenn wir leiden.

Jesus empfindet großes Mitleid. Und er möchte seine Jünger damit anstecken. Er will auch uns damit anstecken.
Ich weiß nicht, wie es euch geht. Ich merke bei mir selbst wie schnell ich mein Herz dicht mache. Ganz reflexhaft: Wenn ein Obdachloser um Hilfe bittet. Wenn ich auf dem Bildschirm Bilder von leidenden Menschen sehe – ganz schnell mache ich da innerlich zu, um das bloß nicht an mein Herz heranzulassen.

Das Wunder der Speisung beginnt mit dem Mit-Leiden, mit der Öffnung des Herzens für die Not.
Die Jünger damals kapieren sofort, was Jesus ihnen sagen will. Sie spüren, dass er ihr Mitleid wecken will. Und sie reagieren, wie wir meistens auch reagieren – realistisch:

„Wo soll in dieser einsamen Gegend das Brot herkommen, um diese Leute satt zu machen?“

Die Jünger gucken sich die Menschenmenge an – tausende sind das. Wie soll man die satt machen?
Es ist eine einsame Gegend. Keine Pommesbude in der Nähe, kein ALDI. Kein Dorf, wo man etwas kriegen könnte. Und was wir selber haben, das ist viel zu wenig.

Die Jünger gucken also auf die eigenen Ressourcen und merken: Das, was wir haben, reicht nicht!

So geht uns das ja auch manchmal: Wenn wir die Not in der Welt sehen oder auch die Not in unserer Umgebung, die Not in der Gemeinde – da fragen wir uns:
Wo soll ich die Kraft hernehmen? Ich bin doch ohnehin schon so am Anschlag.
Wo soll ich die Zeit hernehmen? Ich habe doch eh kaum eine freie Minute?
Unsere Ressourcen sind so klein.
Und das spüren wir. Oder?

Aber Jesus lässt nicht locker.
Wie viel habt ihr denn?
7 Brote.
7 schöne, runde Fladenbrote – wahrscheinlich nicht so groß wie das Merzenicher hier auf dem Altar. Aber immerhin. Ein bisschen haben sie.

Und jetzt kommt der entscheidende Vorgang.

Die Jünger legen ihre Brote in die Hände von Jesus.
Ihre kleinen Ressourcen übergeben sie an ihn.

Und das ist interessant!
Jesus hätte ja auch mit einem Fingerschnipsen Brot für alle herbeizaubern können. Wenn in ihm wirklich Gott präsent ist – dann wäre das doch kein Problem. Jesus hätte Steine in Brot verwandeln können. Die Macht hatte er. Aber er macht das nicht.
Sondern er will durch seine Jünger, durch uns Menschen wirken. Er nimmt ihre kleinen Gaben in seine Hände. Und dann gibt er sie an die Jünger zurück und lässt sie sie austeilen. Und alle werden satt! Irgendwie reicht es am Ende für alle.

Das ist schwer, sich vorzustellen – oder? Wie die Jünger mit ihre Brotstücken da durch die Menschengruppen gehen, die überall sitzen und das Teilen gar nicht aufhört und das Brot nicht zu Ende geht. Schwer vorstellbar, und man kommt dann schnell auf den Gedanken: Ist nur eine hübsche Geschichte, die uns der Markus da erzählt.

Ich glaube, dass da mehr dran ist. Ich glaube, dass der Gott, der in Jesus präsent war, tatsächlich aus Wenig Viel machen kann. Der Gott, der jedes Jahr aus einer Handvoll Samenkörnern eine Fülle von Brot wachsen lässt, der kann auch mit wenig Broten viele satt machen.

Und dieser Gott kann auch heute so etwas tun.
Er kann mit unseren kleinen Ressourcen viel bewirken. Er kann mit deiner kleinen Kraft und deinem kleinen bisschen Zeit Großes tun, kann damit viele Menschen satt machen an Leib und Seele.

Und dabei überfordert er uns nicht. Wir müssen keine Superleistungen bringen. Nicht wir müssen das Wunder vollbringen. Wir brauchen nur das bisschen, das wir haben, in seine Hände legen!
Was sind deine 7 Brote?
Was sind deine Ressourcen, mit denen du Menschen an Leib und Seele satt machen kannst?

Leg das doch so wie die Jünger damals in die Hände von Jesus und sag ihm: Jesus, das bisschen, was ich habe, gebe ich dir! Mache du doch etwas Gutes daraus.
Und alles andere können wir ihm überlassen.

Das gilt übrigens auch für dich, Jafar! Der Dienst als Küster ist ja ungeheuer vielfältig und es gibt Wochen und Tage, da schwirrt einem der Kopf. Manchmal wirst du dich fragen: Wie soll ich das schaffen? Woher soll ich nur die Zeit nehmen, um diese ganzen Aufgaben zu bewältigen? Meine Ressourcen sind so begrenzt und die Arbeit so viel!
Dann kannst du es wie die Jünger machen: Deine Zeit, deine Kraft in die Hände von Jesus legen. Herr, mehr habe ich nicht. Aber was ich habe, gebe ich dir. Mach du doch etwas Gutes daraus, dass die Gemeinde durch meine Arbeit satt wird.

Und mal in Klammern gesagt: Liebe Gemeinde, ein Küster ist nicht beleidigt, wenn man ihm Hilfe und Unterstützung anbietet. Der freut sich bestimmt, wenn Leute mit anpacken, mit Stühle stellen oder Kaffee kochen. Arbeit ist immer genug da!

Also – die Jünger geben ihre Brote in die Hände von Jesus.
Und was macht er dann damit? > V. 6

Er dankt dafür, er bricht es in Stücke, und er gibt es aus.
Danken, teilen, geben.

Das ist der Dreischritt von Erntedank.
Es ist der Dreischritt, in dem wir mit Gottes Gaben umgehen können.

Vielleicht können wir das mal mit Gesten mitmachen.
Danken, teilen, geben.

Im Danken empfange die Gaben aus Gottes Hand. Da begreife ich: Das ist alles ein Geschenk!
Der neue Tag. Die gesunden Glieder. Meine Sinne und mein Verstand. Die Luft zum Atmen. Das Frühstück. Die 24 Stunden, die ich heute habe. Die Kraft zum Arbeiten. Das Geld, das ich verdiene.

Alles ein Geschenk des Schöpfers.

Es wird mir gegeben. Aber ich behalte es nicht für mich allein, sondern teile und gebe. Etwas von meiner Zeit, meiner Kraft, meinen Fähigkeiten, meinem Geld. Ich teile und gebe weiter für andere.

Danken, teilen, geben.
Das gilt für alle Lebensbereiche.
In der Familie.
Im beruflichen Umfeld.
Im Engagement für Menschen in Not.
Und auch in der Gemeinde.

Für unsere Gemeinde wird es in Zukunft entscheidend sein, dass wir diesen Dreischritt von Danken, Teilen, Geben einüben.

Ihr wisst ja, dass wir gerade vor großen finanziellen Herausforderungen stehen. In meinem Interview im General Anzeiger vor ein paar Wochen ist es ja deutlich geworden. Die Kirchensteuern gehen zurück, die Ausgaben steigen und alle Gemeinden im Kirchenkreis haben heftige Defizite.

Im Presbyterium geht es uns wie den Jüngern von Jesus damals. Wir fragen uns: Woher sollen wir das Geld kriegen, um so viele Ausgaben zu decken?
Die Ressourcen werden kleiner und reichen nicht.

Aber es kann passieren: Wenn wir unsere kleinen Ressourcen in Gottes Hände legen, dann kann er viel daraus machen!

Es gibt ja in unserer Gemeinde eine ganze Reihe von Menschen, die Zeit und Kraft und Geld für die Gemeinde einsetzen, im Ehrenamt. Ich bin total froh darüber. Aber es könnten noch ein paar mehr werden!

Was meint Ihr, was dann hier passieren wird, wenn viele von uns anfangen, ihre Ressourcen zu teilen?

Dann werden wir auch in Zukunft eine blühende und pulsierende Gemeinde sein!
Die Kirchensteuern werden zwar weiter zurückgehen und es wird in Zukunft weniger hauptamtliches Personal da sein. Vieles wird anders werden. Da führt kein Weg dran vorbei.

Aber wenn alle ihre Brote auspacken, was meint ihr, was dann hier los sein wird?!
Wenn alle sich an irgendeiner Stelle ehrenamtlich einbringen – was wird das für eine Lebendigkeit sein!

Einer kann vielleicht eine Stunde in der Woche beim Kirchenkaffee helfen oder im Besuchsdienst oder beim Repair Café.
Ein anderer kann seine Talente in einem Ausschuss einbringen oder einen Kreis leiten.
Jemand anderes kann 20 oder auch 50 Euro im Monat erübrigen und für die Gemeinde spenden. Und noch jemand anderes kann für die Gemeinde beten.

Jeder von uns hat doch Ressourcen, die er teilen kann und durch die andere Menschen bereichert werden.

Jesus zeigt uns heute:
Alles fängt damit an, dass wir unser Herz öffnen und uns von seiner Liebe anstecken lassen.
Und wenn wir dann das kleine bisschen, das wir haben, in seine Hände legen, wenn wir danken, teilen und geben – dann werden viele Menschen satt.
Und der Friede Gottes… Amen.