Predigt, 6.7.2025 Thema: Ich glaube (G-MIT zum Gemeindefest)

6.7.2025

J.Berewinkel

Ihr Lieben, vor ein paar Wochen war ich mit einem Freund klettern. Ich war mit ihm schon ein paar Mal bouldern. Das ist Klettern an kleinen ...

Ihr Lieben,
vor ein paar Wochen war ich mit einem Freund klettern. Ich war mit ihm schon ein paar Mal bouldern. Das ist Klettern an kleinen Kletterwänden, bis 3 Metern Höhe.
Aber jetzt wollten wir in eine richtige Kletterhalle, mit Seil und Sicherung und allem. Mein Freund macht das regelmäßig und hatte schon öfters gefragt. Also bin ich mit.
Ich hatte da, ehrlich gesagt, schon ein bisschen Respekt. Und als wir dann da in der Halle standen, wuchs der Respekt. Die Kletterwände sind da 15-20 Meter hoch. Da wird es einem schon ein bisschen mulmig. Aber ich konnte ja jetzt keinen Rückzieher mehr machen.

Tom, mein Freund, sagte: Das Entscheidende ist die Sicherung. Dafür braucht man so ein Seil. Das Seil kommt über einen Haken an der Decke von oben runter und wird von einem, der unten steht, gehalten, gesichert. Der Kletterer bekommt dann einen Klettergurt angelegt, und nun kommt es darauf an, dass man das Seil richtig mit dem Klettergurt verbindet, mit einem ganz bestimmten Knoten, einem Doppelachter. Man braucht für das Klettern also immer zwei Leute: Einer klettert und ein anderer sichert. Und bevor der Kletterer hochsteigt, fragt er den anderen: Gesichert? Und der sagt: Gesichert.

Dann ging es los. Anfänger wie ich nehmen natürlich erst mal eine leichte Klettertour. Und es ging ganz gut. In der Höhe wurde es schon ein bisschen mulmig, aber es war immer dieses gute Gefühl da: Ich bin gesichert. Wenn ich abrutsche, hänge ich im Seil.

Und natürlich habe ich bei schwierigeren Touren auch mal den Halt verloren und hing dann tatsächlich im Seil, aber wenn man sich so ein bisschen daran gewöhnt hat, war das eigentlich richtig schön.

Beim Klettern kommt also alles darauf an, dass man gut gesichert ist, dass man mit dem Seil fest verbunden ist und über das Seil mit jemandem, der einen sichert.

Mit dem Glauben ist es wie mit dem Klettern.

Wir haben ja eben gemerkt, dass unser deutsches Wort „glauben“ sehr schillernd ist.
Wenn Udo Jürgens singt „Ich glaube“, dann meint er damit eine feste Überzeugung. Wenn wir sagen: „Ich glaube, dass wir gleich draußen essen können“ – dann meinen wir etwas, das wir nur vermuten, aber nicht wissen.
Glauben kann bei uns also sehr Unterschiedliches bedeuten.

Wenn in der Bibel von „Glaube“ die Rede ist, dann ist das nicht so schillernd wie in unserer Sprache, sondern es ist etwas sehr Spezifisches gemeint.

Das hebräische Wort für glauben heißt „häämin“. Der Wortstamm bedeutet: Fest sein. „aman“. Den Wortstamm kennen wir von dem Wort „Amen“.
Und „häämin“ heißt: Sich festmachen. Sich fest machen an dem, was fest ist.

Und damit sind wir wieder beim Klettern.
Beim Klettern mache ich mich fest an etwas, das fest ist.

Ich verbinde mich mit dem Seil und das Seil ist fest verbunden mit einem Haken an der Decke oder im Fels und darüber mit dem, der das Seil hält, der sichert.

An Gott glauben, das meint in der Bibel: Ich mache mich fest an Gott. Ich mache mich fest an seinen Zusagen. Ich hänge mich an ihn. Ich verlasse mich auf ihn. Verlasse mich darauf, dass er hält.

Das Wort „glauben“ taucht in der Bibel zum ersten Mal bei Abraham auf, in der Genesis. Ihr kennt vielleicht die Geschichte.
Gott fordert den Abraham auf, seine Heimat und seine Sippe zu verlassen und mit seiner Frau Sara in ein fremdes Land zu gehen, nach Kanaan. Und dort, verspricht Gott, dort werde ich dich segnen. Dort wirst du eine neue Heimat finden. Du und Sara, ihr werdet dort ein Kind bekommen und zu einem ganzen Volk werden. Und du wirst ein Segen werden für diese Welt.

Und dann heißt es in Gen 15: „Abraham glaubte dem Herrn.“ Da steht dieses „häämin“.
Abraham machte sich fest an dieser Zusage. Er vertraute Gott, vertraute ihm sein Leben an.

Glaube im Sinne der Bibel steht also nicht in einem Gegensatz zum Wissen. So verstehen das heute ja manche Leute. Da sagt man dann: Das mit Gott kann man nicht wissen. Das muss man eben glauben.

Abraham hätte da nur den Kopf geschüttelt und gesagt: Ne, ne, das hast du falsch verstanden. Glaube ist kein Gegensatz zum Wissen. Es ist nicht nur ein Vermuten. Es ist überhaupt nichts Theoretisches, sondern etwas Existenzielles. Es geht um das, worauf ich mich verlasse.

Und in diesem Sinne ist jeder Mensch gläubig. Auch der gröbste Atheist. Denn wir alle verlassen uns auf bestimmte Dinge, sonst könnten wir gar nicht leben. Wir verlassen uns auf unsere Partner und Freunde und glauben ihren Worten, meistens jedenfalls.
Du steigst vielleicht im Urlaub in ein Flugzeug. Da verlässt du dich auf den Piloten, dass er dich heil wieder runterbringt. Das vermutest du nicht nur, sondern du vertraust darauf.
Im Alltag glauben wir ständig. Es geht gar nicht anders.

Jeder ist gläubig. Die Frage ist nur, woran bzw. wem man glaubt.

Vielleicht sind manche hier, die sagen sich: Ich würde ja gerne so auf Gott vertrauen, mich an ihm fest machen. Aber ich bin einfach unsicher, ob es Gott überhaupt gibt. Wie kann ich denn zu so einem Glauben kommen?

Ich habe ja eben gesagt: Glaube ist nichts rein Theoretisches. Das ist nicht nur etwas im Kopf, obwohl der Kopf ganz bestimmt dazu gehört. Sondern glauben ist ein existenzieller Akt. Der hat etwas mit dem praktischen Leben zu tun.

So war das bei Abraham. Er hatte ja von Gott diese Aufforderung bekommen: Geh aus deiner Heimat und Verwandtschaft in ein Land, das ich dir zeigen werden und dort werde ich dich segnen usw.

Jetzt hätte Abraham sagen können: Ja, Gott, ich glaube dir. Aber weißt du: Ich bleib doch lieber hier in meiner Heimat. Ich glaube dir, aber losziehen will ich nicht.
Das wäre schräg, oder?

Glauben bedeutete für Abraham in dieser konkreten Situation auf eine ganz bestimmte Weise zu handeln: Nämlich seine Sachen zu packen und loszugehen.

Sein Glaube zeigte sich genau darin, dass er losging.
Und weil er losging, hat sich sein Glaube bewährt. Er hat auf diese Weise bestimmte Erfahrungen mit Gott gemacht; hat erfahren, dass Gott seine Zusagen wirklich wahr macht. Es hat lange gedauert, aber irgendwann bekamen die beiden noch ein Kind und das hat seinen Glauben, sein Vertrauen zu Gott, wiederum gestärkt.

Ich beschäftige mich gerade etwas intensiver mit einem Menschen namens Dallas Willard. Der ist vor ein paar Jahren gestorben. Er war Professor für Philosophie in Los Angeles und war zugleich überzeugter Christ, hat viele gute Bücher geschrieben; ein ganz profunder christlicher Denker. Und Dallas betont gerade diesen Punkt: Er sagt: Du glaubst nicht dann an etwas, wenn du sagst, dass du daran glaubst. Du glaubst nicht dann an etwas, wenn du denkst, dass du daran glaubst. Sondern du glaubst an etwas, wenn du so handelst, als ob das wahr wäre.

Was wir wirklich glauben, im Innersten glauben, das zeigt sich in unserem Handeln.

So war es auch bei Simon Petrus. Der hatte ein ganz besonderes Glaubenserlebnis. Er war Fischer am See Genezareth. Nachts war er draußen auf dem See und fing Fische. Eines Morgens kam er ans Ufer zurück und war völlig fertig und frustriert, weil er nichts gefangen hatte. Er hatte das Boot aufs Ufer gezogen, machte noch ein bisschen sauber und wollte dann schlafen gehen. Da kommt Jesus, gefolgt von einer großen Menschenmenge, die ihn umdrängen.
Jesus geht auf Simon zu und sagt: Könntest Du mich vielleicht in deinem Boot ein paar Meter vom Ufer wegfahren? Dann kann ich besser zu den Leuten reden. Simon hatte bestimmt schon von Jesus gehört, dass er ein großer Rabbi ist und eine Menge Leute geheilt hat. Na ja, er sagt nicht Nein, schiebt das Boot ins Wasser, steigt mit Jesus rein und hört unweigerlich zu als Jesus da eine Rede hält. Jesus erzählt von Gott und seinem Reich und dass man ihn erfahren kann. Irgendwann sagt er „Amen“ und Simon denkt: Endlich! Jetzt ins Bett.
Da sagt Jesus: Simon, fahr noch mal raus auf den See und wirf noch mal dein Netz aus!
Ich weiß nicht, was dem Simon da durch den Kopf gegangen ist.

Er hatte jetzt zwei Möglichkeiten zu reagieren:
Entweder dem Wort von Jesus glauben und entsprechend handeln, also rausfahren
oder ihm nicht glauben und schlafen gehen.

Was er nicht machen konnte, war zu sagen: Ja, ich glaube deinen Worten, aber gehe jetzt nach Hause.

Es ist wie bei Abraham: Der Glaube zeigt sich im Verhalten. Er verwirklicht sich darin.
Und er wächst dadurch.

Simon sagte: Meister, ich hab mich die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen, aber auf dein Wort hin fahre ich jetzt noch mal raus.
Und er macht einen Riesenfang!
Sein Glaube vorher war klein und brüchig. Er kannte Jesus ja kaum. Es war eher so etwas wie ein Versuchsglaube: Ich wage es mal, mich auf dein Wort zu verlassen. Und weil er dieses Wagnis eingegangen ist, macht er eine Erfahrung, die sein Vertrauen zu Jesus enorm stärkt.

Das gleiche gilt auch heute.
Wenn du möchtest, dass dein zaghafter Glaube stärker wird, dann wird theoretisches Nachdenken nur wenig nützen – obwohl auch das nicht unwichtig ist. Aber der Glaube wächst, in dem man Erfahrungen mit Gott macht. Und Erfahrungen macht man, indem man handelt, indem man etwas ausprobiert.

Was könnte man denn probieren?
Das hängt davon ab, wo du auf deinem Glaubensweg gerade bist.

Wer selten oder nie betet, der könnte sich zB vornehmen, eine Woche lang jeden Tag 10 Minuten zu beten: Draußen im Wald oder in deinem Zimmer: Einen Moment still werden, schweigen und dann das Herz vor Gott ausschütten.

Oder für ein paar Tage in ein Kloster gehen oder nach Rengsdorf ins Haus der Stille und schweigen und auf Gott hören.

Oder kurze Abschnitte aus einem Evangelium lesen und dann versuchen, das ganz konkret umzusetzen, auszuprobieren, dich auf Gottes Worte einzulassen.

Oder in einer bestimmten Lebensfrage, die dich belastet, dich ganz bewusst an Gott wenden und die Sorgen an ihn abgeben: Ich setze meinen Sorgen und Ängsten eine Grenze, sage Stopp, und ich verlasse mich jetzt auf Gott.
Und es gibt noch viele andere Möglichkeiten.

Wenn wir solche Dinge tun, können wir mit Gott Erfahrungen machen. Und so kann aus einem ganz kleinen, zaghaften Glauben ein tieferes Vertrauen werden.

Das ist allerdings keine gerade aufsteigende Linie: Immer besser, immer stärker. Zum Glauben gehören auch Enttäuschungen und Krisen.
Abraham geriet in eine Krise, weil das versprochene Kind über Jahre nicht kam.
Simon Petrus geriet in eine Krise als Jesus später festgenommen wurde und sich nicht wehrte und alles den Bach runterzugehen schien.

Wir haben vorhin diese bewegenden Zeilen gehört von einem Juden, der sich in einem Keller vor den Nazis versteckt hatte und dort diese Zeilen in die Wand ritzte:
Ich glaube an die Sonne, auch wenn sie nicht scheint. Ich glaube an die Liebe, auch wenn ich sie nicht spüre.
Ich glaube an Gott, auch wenn er schweigt.

Glaube in der Krise. Wenn Gott schweigt.

Vielleicht sitzt jemand hier, der gerade auch in so einer Krise steckt, der Gott vertraut hat und irgendwie enttäuscht ist.

Ich denke, dass wir alle durch solche Phasen gehen. Da kommt es darauf an durchzuhalten. Festzuhalten, trotz allem. Sich immer wieder neu an Gott festmachen.

Und dann können wir erleben:
Ja, er hält. Es ist anders gekommen, als ich gedacht hatte, aber er hält mich. Ich kann mich auf ihn verlassen!

Glaube erweist sich im Handeln und er wächst durch Erfahrungen.

Und so ein Glaube verbindet dann.

Wir sind ja alle sehr verschieden.
Und wenn wir uns unsere Glaubensgeschichten und unsere Erfahrungen mit Gott erzählen würden – das wäre bestimmt auch ganz unterschiedlich.
Aber bei aller Verschiedenheit: Dieser Glaube verbindet.
Er verbindet durch die Zeiten, verbindet uns mit Abraham und Sara und mit Simon Petrus und mit Christen aus allen Jahrhunderten.
Und er verbindet uns mit allen Gläubigen quer durch die Konfessionen und quer durch die Gemeindegrenzen.

Wer ist denn heute hier, der nicht zur Auferstehungsgemeinde gehört?
Das ist wunderbar! Herzlich willkommen bei unserem Gemeindefest!
Euch hat ja sicher nicht nur die Aussicht auf ein leckeres Steak hergebracht, sondern diese gemeinsame Basis:
Der Glaube an den Gott, der sich in Christus gezeigt hat – ob fest und klar, oder zaghaft und zweifelnd und suchend:
Dieser Wunsch, sich an Gott festzumachen, verbindet.

Und darum ist es gut, dass wir heute gemeinsam feiern.
Und vielleicht erzählen wir uns beim Feiern auch ein bisschen von unseren Glaubenserfahrungen. Das wäre doch toll, wenn wir gleich im Garten sind, dass wir da nicht nur über den nächsten Urlaub reden, sondern uns auch erzählen, woran wir uns fest machen, was uns in unserem Glauben wichtig ist.

Mit dem Glauben ist es wie mit dem Klettern.
Mach dich fest an Gott und dann geh mutig los!
Du bist gut gesichert.

Und der Friede Gottes…