Predigt 7.7.2024 Ex16, 1-5+13-21

7.7.2024

J.Berewinkel

Liebe Geschwister, manche von Euch waren ja beim Gottesdienst zum Gemeindefest. Da hatten wir das Volk Israel bei seinem Aufbruch aus Ägypten begleitet, aus der Sklaverei ...

Liebe Geschwister,

manche von Euch waren ja beim Gottesdienst zum Gemeindefest. Da hatten wir das Volk Israel bei seinem Aufbruch aus Ägypten begleitet, aus der Sklaverei in die Freiheit.
Sie sind dann ja nicht so ganz schnell in das Land Kanaan gekommen. Denn zwischen Ägypten und Kanaan liegt die Wüste Sinai.

(Bild: Wüste Sinai)
So sieht es dort aus. Damals wie heute.
Wüste: Steine um Steine, Sand ohne Ende. Hier und da Dorngesträuch und gelbe Grasbüschel. Links und rechts hohe, felsige Berge. Sengende Sonne, und der Gaumen immer trocken.
Wüste – das ist Mangel. Mangel an Wasser. Mangel an Nahrung. Mangel an Schutz.

Das Volk Israel war schon anderthalb Monate auf Wanderung.
Sie waren ja mit großer Begeisterung loszugezogen, mit Gott auf ihrer Seite. Aber jetzt sind sie in dieser elenden Wüste.
Und bald schon schlug die Stimmung um und die erste Krise kam:

Ex. 16, 1-5+13-21 lesen

Wüstenzeiten sind Krisenzeiten. Was sonst so klar und selbstverständlich ist, gerät ins Wanken. Der Glaube kommt auf den Prüfstand.
So war es bei den Israeliten auch: Nach ein paar Wochen Wüste ist die Begeisterung verpufft. Die Füße sind wund, der Magen knurrt, die Wasservorräte schwinden rapide. Vor ihnen ein endloser Wüstenhorizont. Und allmählich wird ihnen klar: Was wir hier machen, ist doch der reine Wahnsinn! Wovon sollen wir denn hier leben? Wir werden ja alle krepieren!
Einzelne fangen an zu murren. Erst mit dem Nachbarn, dann immer lauter. Und immer mehr richtet sich der Ärger gegen Mose, den Anführer, und seinen Bruder Aaron: „Ihr seid schuld! Wären wir nur zu Hause geblieben, in Ägypten! Da sind wir wenigstens satt geworden!“ Sie sehen nur noch den Tod vor sich und die Fleischtöpfe Ägyptens hinter sich. Von Gott ist keine Rede mehr. Als hätten sie ihn völlig vergessen.

In der Wüste kommt der Glaube in die Krise. Da wird er geprüft.
Das Ergebnis ist ernüchternd: Sobald der Magen anfängt zu knurren, sobald das Leben bedroht ist, ist es bei den meisten mit dem Vertrauen auf Gott vorbei. In der Wüste scheint der Glaube wie Wasser zu verdunsten.

Doch dann geschieht das Unerwartete: Über Nacht kommt Gottes Hilfe:

Am nächsten Morgen finden sie überall auf dem Boden kleine, feine Körner. Weil der Magen leer ist, essen sie es. Und sind völlig überrascht: Das schmeckt ja! Süßlich, knusperig.
Und sie fragen sich: Man hu? Was ist das? Aus dem Man hu? wurde dann der Name für diese seltsame Speise: Man oder Manna.

Übrigens- etwas ganz ähnliches kann man noch heute auf der Sinaihalbinsel finden. Es gibt ein Sekret, das Schildläuse abgeben, die auf Tamariskensträuchern sitzen. Dieses Sekret tropft auf den Boden und wird in der Kühle der Nacht hart und körnig. Es wird auch heute noch von den Beduinen man genannt und gerne gegessen. Gut möglich, dass es das war, was die Israeliten in der Wüste gefunden hatten.

Auch wenn man so eine natürliche Erklärung findet – es bleibt doch ein Wunder. Israel macht die Erfahrung: Gott sorgt für uns. Er gibt uns zur rechten Zeit zu essen. Er gibt eine Nahrung, mit der wir überhaupt nicht gerechnet haben. Und er macht uns satter als wir es zu hoffen wagten!

Wüstenfutter! Gott deckt den Tisch, wo wir nicht damit rechnen.
Er versorgt sein Volk. Aber er versorgt immer nur für einen Tag.

Die Israeliten hätten sich zu gerne einen Riesenvorrat an Manna gesammelt. Man weiß ja nicht, ob es morgen wieder da ist.

Vielleicht haben manche von Ihnen früher mal echten Hunger kennen gelernt. Dann können Sie das bestimmt gut nachvollziehen: diesen Wunsch, Vorräte zu sammeln, für morgen und für übermorgen.
Aber Gott sagt dem Volk durch Mose: Sammelt nur so viel wie ihr für den Tag braucht. Hebt nichts bis morgen auf!

Natürlich halten sich nicht alle daran. Einige stecken einen Eimer voll mit Manna in ihr Zelt als eiserne Reserve für morgen. Aber als sie am nächsten Morgen den Eimer aufmachen, ist das Manna völlig verdorben und stinkt bestialisch.
Manna lässt sich nicht konservieren. Das kann man nicht auf Vorrat sammeln!

Und das hat, glaube ich, seinen tiefen Sinn.
Es gibt eine schöne rabbinische Erzählung, in der es genau um diesen Punkt geht: Ein Rabbi wird von seinen Schülern gefragt: Warum kam den Israeliten das Manna nicht für ein ganzes Jahr herab? Der Rabbi antwortet mit einem Gleichnis: Ein König hatte einen Sohn; er setzte ihm seine Nahrungsmittel immer für das ganze Jahr fest. Und der Sohn begrüßte darum das Angesicht des Vaters nur einmal im Jahr. Da machte der König sich auf und setzte seine Nahrungsmittel nur für jeweils einen Tag fest; darauf begrüßte der Sohn das Angesicht des Vaters täglich. Gott wollte also täglich um das Manna gebeten sein!

Weil die Menschen mit dem Manna keine Vorräte aufhäufen können, waren sie Tag für Tag auf Gott angewiesen. Und Tag für Tag haben sie seine Hilfe erfahren, seine Vertrauenswürdigkeit kennen gelernt.

Das Leben in der Wüste und die Gabe des Manna – das war die große Vertrauensschule für das Volk Israel. Ein Leben ohne Vorräte, ohne Keller, ohne Konten, ohne Sicherheiten. Immer nur für einen Tag haben und immer wieder erfahren, dass Gott gibt, genug gibt. So haben sie Tag für Tag in der Abhängigkeit von Gott gelebt und so haben sie gelernt, alles von ihm zu erbitten, alles von ihm zu erwarten, ihm in allem zu vertrauen.

Vielleicht ist das ja der Grund, warum es uns in Deutschland so schwer fällt, Gott zu vertrauen. Wir brauchen es gar nicht, weil wir immer Vorräte genug haben.

Ich habe ja mal eine zeitlang in Tansania gelebt. Morgen fliege ich für ein paar Tage dahin. Janek macht dort gerade ein Praktikum. Und wir wollen zusammen in das Dorf fahren, wo ich gelebt hatte.
Damals hatte ich eine Haushälterin, die hieß Mama Elisa. Ich weiß nicht, ob sie noch lebt. Sie war eine Witwe; war sehr arm, hatte kein eigenes Feld, kein Besitz, kein Konto. Sie wusste nie, was sie nächste Woche essen wird. Aber sie hat sich darin geübt, Gott zu vertrauen und alles von ihm zu erwarten. Und ich weiß noch, wie sie mal erzählte: Gott hat mich nie im Stich gelassen. Ich habe nie Hunger gelitten! Sie lebte von Tag zu Tag von dem, was sie von Gott empfing.

Wüstenzeiten sind Zeiten, wo der Glaube in die Krise kommt. Aber es sind auch Zeiten, wo unser Glaube echt werden kann. Denn gerade da, wo wir uns selbst nicht mehr helfen können, wo wir keine Sicherungen mehr haben, gerade da können wir Gott erleben, können erfahren, dass er wirklich hilft.

Aber so etwas macht kein Mensch freiwillig. Kaum jemand ist bereit, von sich aus alle Sicherungen aus der Hand zu legen und sich allein von Gott abhängig zu machen. Oder?

Und weil wir das normalerweise von uns aus nicht machen, darum führt Gott uns manchmal in die Wüste. Ich glaube, jeder Mensch macht in seinem Leben Zeiten durch, die Wüstenzeiten sind.

Wüstenzeiten – damit meine ich Zeiten, wo wir an den Rand unserer Existenz kommen; wo unser Leben äußerlich oder innerlich bedroht ist; wo die alten Sicherheiten plötzlich weg sind und unsere Hände leer sind.

Wüstenzeit – das kann eine ernste Krankheit sein. Oder auch nur ein Verdacht auf etwas Bösartiges. Und mit einem Mal ist alles, was einem sonst Sicherheit und Halt gibt, weg. Mit einem Mal merkt man wie abhängig man ist.

Auch eine Krise in der eigenen Beziehung oder im Beruf kann eine Wüstenzeit sein.

Ich habe bisher keine wirklich schlimmen Wüstenzeiten erlebt, aber so ein paar kleine Wüsten. Und immer war es so, dass ich in diesen Zeiten viel intensiver gebetet habe, viel stärker auf Gott ausgerichtet war.

Das wünscht man sich nicht. Das wünsche ich keinem von Euch. Aber solche Wüstenzeiten können ein Segen für unseren Glauben sein.

Denn es sind Zeiten, wo wir erleben, wie Gott für uns sorgt, wie er uns sein Manna gibt.
Das Manna, das Gott uns in unserer Wüste gibt, kann ein Wort aus der Bibel sein, das uns stärkt und durch den Tag trägt.
Oder es ist der Anruf von einer guten Freundin, die uns Mut macht.
Oder es ist eine Zugabe an körperlicher Kraft, mit der wir durch den Tag kommen.

Aber auch hier ist es meist so wie mit dem Manna in der Wüste:
Gott gibt Kraft, Hilfe, Mut, Glauben nicht für Morgen und Übermorgen, sondern für heute.
Gott gibt sein Manna nicht auf Vorrat, sondern für den Tagesbedarf.

Manchmal fragt man sich ja, wenn man eine Wüste vor sich hat: Wie soll ich das nur durchhalten? Wie soll ich diese 3 Wochen oder 3 Monate oder wie lange es ist nur überstehen? Wo soll ich nur die Kraft dafür hernehmen?
Dann sagt Gott uns: Du brauchst nicht jetzt Kraft für die nächsten 3 Monate haben. Ich gebe dir heute Kraft und Mut und Glauben für heute. Und morgen werde ich dir für morgen geben! Sorge dich nicht um den morgigen Tag. Der morgige Tag wird für das seine sorgen!

Wir feiern gleich das Abendmahl. Da können wir das zeichenhaft erleben: ich komme zu Gott mit leeren Händen und er gibt mir das, was ich jetzt für diese Moment brauche: Ein Stück Brot. Einen Schluck Wein. Eine Gemeinschaft. Nahrung in der Wüste.

In der Wüste kommt der Glaube in die Krise.
In der Wüste kann er aber auch echt und stark werden, dadurch dass wir Tag für Tag von dem leben, was Gott gibt.

Der Schauspieler Ernst Ginsberg ist am Ende seines Lebens schwer krank gewesen. Es gibt ein Gebet von ihm aus dieser Lebensphase.

 

Mit diesem Gebet möchte ich schließen:

Ich bitte dich, Herr, um die große Kraft, diesen kleinen Tag zu bestehen, um auf dem großen Weg zu dir einen kleinen Schritt weiter zu gehen.

Amen.