Predigt 9.5.2021

9.5.2021

J.Berewinkel

Predigt, 9.5.2021 Lk 11, 5-13 Liebe Geschwister, am Sonntag Rogate geht es um das Gebet. Was bringt das Beten? Warum ist das sinnvoll? Warum sollte man das machen? Mir sagte mal ...

Predigt, 9.5.2021 Lk 11, 5-13

Liebe Geschwister,
am Sonntag Rogate geht es um das Gebet.
Was bringt das Beten?
Warum ist das sinnvoll?
Warum sollte man das machen?

Mir sagte mal eine Frau bei einem Hausbesuch:
Ja, ich bete schon; so für die großen Nöte in dieser Welt. Aber nicht für meine persönlichen kleinen Sachen. Gott kann sich ja nicht um alles kümmern.

Da ist das Bild: Gott ist mit den großen Dingen in dieser Welt beschäftigt. Da kann ich ihm doch nicht mit meinen Zipperlein kommen. Das wäre doch eine lächerliche Vorstellung, dass Gott sich mit den persönlichen Bedürfnissen von 8 Milliarden Menschen beschäftigt!

Wie sehen Sie das?
Wie machen Sie das mit dem Gebet? …

 

Die Jünger von Jesus waren sich beim Thema Gebet auch nicht so ganz sicher. Sie sahen, wie Jesus, ihr Meister, sich immer wieder zum Gebet zurückzog, wie das Gebet für ihn offenbar eine ungeheuer wichtige Sache war. Und einmal sprechen sie ihn darauf an und bitten ihn:
Herr, lehre uns beten!
Bring uns bei, wie wir mit Gott sprechen können,
wie es angemessen ist.
Das steht im Lukasev. im 11. Kapitel.

Jesus gibt ihnen dann erst einmal das Vater unser als Mustergebet und dann sagt er ihnen, was heute unser Predigttext ist und was auf Ihrem GD-Blatt steht:

Lesung: Lk. 11, 5-13:
5 Und er sprach zu ihnen: Wer unter euch hat einen Freund und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; 6 denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, 7 und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. 8 Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, so viel er bedarf.
9 Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. 10 Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. 11 Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater um einen Fisch, und der gibt ihm statt des Fisches eine Schlange? 12 Oder gibt ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion? 13 Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!

Jesus liebte es ja, kuriose Geschichten zu erzählen. Geschichten, die irritieren und provozieren und ins Nachdenken bringen.

Diese Geschichte mit dem bittenden Freund ist auch so eine.

Da kriegt jemand überraschend Besuch. Das kommt ja vor. Mitten in der Nacht taucht der plötzlich auf. Auf der Durchreise. Vielleicht war irgendwas schiefgegangen; er hat es nicht zu seinem Ziel geschafft; wie auch immer. Da steht er also und hat Hunger. Und unser Gastgeber will ihm natürlich etwas vorsetzen. Aber der Kühlschrank ist leer. Nichts da. Das Brot, das die Frau am Morgen gebacken hat, ist aufgegessen. Es gibt keine Läden, wo man hingehen könnte. Also geht er zu einem Freund, der ein paar Häuser weiter wohnt.
Und natürlich wird ein Freund in so einer Notlage helfen. Ist doch klar.

Aber jetzt wird es seltsam. Stellt euch vor, erzählt Jesus, der Freund drinnen würde sagen: Stör mich nicht! Die Tür ist zu und ich lieg schon im Bett! Ich kann dir nichts geben!

Und ich stelle mir die Jünger vor, die die Geschichte hören: Die schütteln den Kopf und sagen: Ah, so was macht man doch nicht. Was ist denn das für ein Freund!?

Klar, es war unbequem. Man lag damals in Israel als ganze Familie auf einer Matte auf dem Boden, mit Frau und Kindern unter einer Decke. Aber – wenn da einer laut klopft und dann noch ein Freund, der in Not ist –
natürlich steht man da auf und hilft aus.

Aber der Punkt, den Jesus hier macht ist:
Stellt euch vor, das wäre so ein mieser Freund, der so bequem ist, dass ihm die Not seines Freundes egal ist, dann würde er trotzdem aufstehen. Und wenn es nur ist, weil der so unverschämt und laut klopft!

Wer klopft und bittet, der kriegt!
Und wenn das schon bei einem so miesen Kerl wie diesem Freund der Fall ist, dann doch erst recht bei Gott!
Wenn wir schon unseren Freunden und unseren Kindern gute Gaben geben, wie viel mehr wird Gott das tun!

Jesus will also seine Jünger damals und uns heute motivieren zum Gebet!

Und seine Kernaussage ist – das sehen wir jetzt mal auf diesem Bild:

Bittet, und es wird euch gegeben!
Suchet, und ihr werdet finden!
Klopft an, und es wird euch aufgetan!

Aber da kommen bei uns natürlich sofort Fragen hoch, mindestens zwei Anfragen:

Die eine Anfrage ist eher intellektueller Natur:
Wieso sollen wir überhaupt bitten?
Gott weiß doch sowieso schon alles.

Jesus sagt schließlich an einer anderen Stelle: „Euer Vater weiß, was ihr braucht, ehe ihr ihn bittet!“

Ich muss ihn also nicht informieren so im Sinne von:
Übrigens, Gott, du hast es vielleicht noch nicht ganz mitbekommen, aber diese Pandemie, die macht uns allen gerade ganz schön zu schaffen!

Das braucht Gott nicht. Das weiß ER!

Gebet bedeutet nicht, dass wir Gott über unsere Nöte informieren.

Aber warum sollten wir es dann tun?
Ist Gott so ein schrulliger Typ, der das braucht, dass man ihn bittet?
Es gibt ja so Leute, die genießen das, dass man sie um Hilfe bittet. Die tun einem einen Gefallen erst, wenn man „Oh bitte, bitte“ gesagt hat.

Aber das passt ja überhaupt nicht zu dem, was Jesus uns sonst von Gott sagt.
Da erzählt er doch, dass Gott wie ein liebevoller Vater ist, der dem abgehauenen Sohn entgegenrennt und ihn mit Güte und Geschenken überhäuft, ehe der nur ein Wort gesagt hat.
Gott ist großzügig und schenkt uns gerne gute Gaben, aus Liebe.
Wir müssen ihn nicht erst mit unseren Bitten günstig stimmen.
Wir müssen ihn nicht überreden, damit er etwas tut, was er eigentlich gar nicht tun will.

Aber warum sollen wir dann beten?

Weil Beten Beziehung gestaltet.
Durch das Gebet treten wir in Beziehung zu Gott. Das ist der Sinn der Sache.
Diese Beziehung ist vielfältig: Im Gebet erzählen wir Gott, was wir auf dem Herzen haben, wir danken ihm und loben ihn und klagen auch vor ihm.
Und zu dieser Beziehung gehört eben auch das Bitten.

Im Bitten kommen wir ins rechte Verhältnis zu Gott.
Wir stehen ihm ja nicht auf einer Ebene gegenüber. Wir sind nicht seine Partner, wo es ein Geben und Nehmen gibt.
Sondern ER ist der Schöpfer und wir seine Geschöpfe.
ER ist der Geber und wir die Empfänger.
Wir sind bedürftig und ER ist reich.

Wir sind aber nicht wie Pflanzen und Tiere, die stumm auf Gottes Gaben warten oder wie Säuglinge, die nur schreien.
Sondern wir treten unserem Schöpfer gegenüber als mündige Geschöpfe, als Söhne und Töchter, und erzählen ihm, was uns bewegt, was wir brauchen.

Bitten ist ein Ausdruck des Vertrauens.
Und es ist ein Zeichen, dass Gott uns als seine Kinder ernst nimmt.
Er möchte, dass wir ihn bitten. Nicht weil ER es für sich braucht, sondern weil es für diese Beziehung angemessen ist.
Gott nimmt uns als seine Kinder ernst und darum macht es einen Unterschied, ob wir ihn um etwas bitten oder nicht.

Dietrich Bonhoeffer hat einmal in wenigen Sätzen sein Glaubensverständnis zusammengefasst. Und einer dieser Sätze heißt:
„Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“

Darum: Bittet, und es wird euch gegeben!
– – –

Aber da sind wir jetzt bei der zweiten Schwierigkeit.
Jeder, der das Beten ausprobiert, macht die Erfahrung: Es ist nicht immer so einfach, wie es hier klingt.
Nicht immer wird uns gegeben, wenn wir bitten. Nicht immer geht die Türe auf, wenn wir klopfen.

Manchmal klopfen wir sehr lange und nichts passiert.

Vielleicht haben Sie das auch schon erlebt: ich klopfe und bete für eine Sache, bitte Gott um Hilfe, bitte, dass Er eingreift. Immer wieder. Aber es ändert sich nichts.

Eine Krankheit, ein Schmerz bleibt und quält mich.
Eine Beziehung bleibt schwierig.
Eine Sehnsucht bleibt ungestillt.

Und dann steht man vor dieser verschlossenen Türe und fragt sich: Was soll das? Warum antwortet Gott nicht?

Natürlich kann man jetzt einwenden: Ja, in dieser einen Sache ist die Türe zu, aber schau doch auf die vielen Dinge, wo Gott deine Bedürfnisse erfüllt, auf seine täglichen Geschenke und die vielen offenen Türen! Fixiere dich nicht zu stark auf diese eine Sache!

Das ist wahr und richtig.
Und trotzdem kann diese eine Sache, die mich quält, zur Anfechtung werden.
Ich klopfe und klopfe – und Gott schweigt.

Wenn Er doch nur irgendwie antworten würde! Und wenn Er nur sagen würde wie der Freund im Gleichnis: „Stör mich nicht!“ Das wäre doch noch besser als dieses Schweigen!

Wenn man so vor dieser verschlossenen Türe steht und klopft und nichts passiert, dann fragt man sich: Wer ist das hinter dieser Türe? Schläft der gerade? Hört der mich überhaupt? Ist ihm mein Leid egal?
Ist da überhaupt jemand?

Bittet, so wird euch gegeben!
Suchet, so werdet ihr finden!
Klopft an, so wird euch aufgetan!

Diese Zusage scheint irgendwie naiv.

Der entscheidende Punkt ist aber, WER diese Zusage macht.
Das sagt ja kein religiöser Heißsporn.
Das sagt keiner, der gerade sechs Richtige im Lotto gewonnen hat und aus dem Überschwang heraus so große Versprechungen macht.

Sondern das sagt Jesus.
Und ich bin fest überzeugt, dass Jesus Gott kannte.
Besser als jeder andere Mensch.
Er wusste, wer das ist, der da verborgen hinter der Türe ist.
Er war ja auf dieser anderen Seite, kommt ja aus Gottes Welt. Er kennt den Vater, kennt seine Liebe.

Und er kennt auch die Situationen, wo Gott scheinbar schweigt. Wo Er Dinge zulässt, die schlimm sind und die gar nicht sein dürften.

Jesus selbst hat gebetet und geklopft und die Tür blieb zu.
Denken Sie an Gethsemane,
als Jesus ahnt, dass seine Verhaftung bevorsteht und dass man ihm furchtbare Dinge antun wird.
Da betet er in dieser Nacht im Garten:
Vater, wenn es möglich ist, lass diesen Kelch des Leidens an mir vorüber gehen!
Er bittet und fleht. Immer wieder.

Und dann sagt er: Aber nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe!
Er sagt am Ende Ja zu dem schweren Weg, im Vertrauen, dass Gottes Wille gut ist.

Ich denke, wir müssen diese Zusage:
„Bittet, und es wird euch gegeben!“
zusammensehen mit dem Gebet in Gethsemane:
„Nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“

Da ist eine Spannung und die bleibt auch.
Aber nur wenn wir beides zusammennehmen, beides ernst nehmen, nur dann bekommen wir eine realistische Sicht vom Gebet.

Wir können uns heute an dieser Zusage von Jesus fest machen:
„Bittet, und es wird euch gegeben!“

Hinter der Türe ist ein Vater, der dich liebt,
dem du vertrauen kannst, der auf dein Gebet wartet und der darauf antworten wird.

Vertrau dich ihm mit deinen Bitten an.

Und dann lass alles los und vertrau dich seinem Willen an:
Dein Wille geschehe!

Amen.