Predigt Ostern 2022 Das leere Ei

18.4.2022

J.Berewinkel

Liebe Geschwister, wer von Ihnen hat heute morgen schon ein Osterei gegessen? … Ich hoffe, es hat gut geschmeckt. So ein Osterei ist nicht nur lecker. Es ist ...

Liebe Geschwister,
wer von Ihnen hat heute morgen schon ein Osterei gegessen? …
Ich hoffe, es hat gut geschmeckt.
So ein Osterei ist nicht nur lecker. Es ist auch ein schönes, tiefsinniges Symbol.

Ich habe hier ein Osterei. Das ist aber nicht zum Essen. Es ist nämlich leer, ausgeblasen.

Und dieses leere Osterei wird uns heute eine Predigt halten.
Es will uns helfen zu verstehen, was eigentlich am Ostermorgen passiert ist.

Dieses Ei lehrt uns drei wichtige Dinge.

1. Das leere Ei zeigt uns wie sich die Frauen fühlten, als sie am Ostermorgen zum Grab gingen.

Wir haben vorhin in der Lesung von diesen Frauen gehört. Drei Frauen, alle mit Namen genannt.
Maria von Magdala. Die wird in den Evangelien öfters erwähnt.
Dann Maria, die Mutter von Jakobus. Der Evangelist erwähnt diesen Namen, weil er davon ausgeht, dass seine Leser damit etwas anfangen können. Das ist so, wie wenn wir sagen: „Das ist die Petra, die Mutter vom Dieter!“ „Ach die!“.
Und dann ist noch eine Salome dabei. Von der wissen wir sonst nichts. Aber es sind reale Personen. Sie stammen alle drei aus Galiläa.

Da hatten sie Jesus kennengelernt. Und sie waren voller Begeisterung für ihn. Sie hatten bei ihm etwas entdeckt, das sie so noch nie erlebt hatten. Und sie machten etwas, was damals völlig undenkbar war, völlig aus dem Rahmen fiel. Sie wurden Jüngerinnen. Maria von Magdala, die stammte vermutlich aus einem etwas zwielichtigen Milieu, gibt ihr Gewerbe auf. Die andere Maria war Mutter und Hausfrau. Salome vermutlich auch. Und die sagen ihren verdutzten Männern auf einmal „Tschüß, wir sind dann mal weg“ und ziehen Jesus hinterher. Unglaublich!

Und so sind sie etliche Wochen, vielleicht Monate im Gefolge von Jesus. Sie erleben seine Kraft, die Wunder, die er tut. Die Güte, die er ausstrahlt. Seine Geradheit und Wahrhaftigkeit. Diese totale Klarheit über Gott, die er hat.
Und je besser sie ihn kennenlernen, desto tiefer sind sie davon überzeugt, dass er von Gott geschickt worden ist und dass bald in Israel alles anders und gut werden wird.

Ich bin sicher: Diese Frauen waren in ihrem Leben noch nie so erwartungsvoll gewesen, haben ihr Leben noch nie als so sinnvoll empfunden wie in diesen Monaten mit Jesus.

Sie hatten alles auf eine Karte gesetzt. Und sie waren sich sicher, dass sie mit Jesus auf der richtigen Seite stehen.

Und dann erleben sie, wie ihr Meister gefangen genommen wird, wie Pilatus ihn verurteilt.
Sie haben mit angesehen wie er das Kreuz zur Hinrichtungsstelle schleppt und dort angenagelt wird.
Sie haben es mit angesehen wie er stirbt.
Vielleicht hatten sie noch bis zum letzten Moment Hoffnung gehabt, dass es doch noch irgendeine glückliche Wendung gibt.

Aber als sie den leblosen Körper am Kreuz hängen sehen, da zerbricht alles in ihnen. Alle Hoffnung. Aller Glaube. Aller Lebenssinn.
Alles zerbricht. Alles erlischt.

Erloschene Hoffnung.
Wir haben jetzt Kontakt zu manchen Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Einige von ihnen sind schwer traumatisiert. Die haben erlebt, dass Häuser bombardiert wurden, dass Verwandte oder Freunde getötet wurden. Da ist ganz viel Hoffnung zerbrochen, wie bei diesen Frauen auf dem Weg zum Grab.

Und auch manche von Ihnen wissen wie sich das anfühlt, wenn eine Hoffnung verlöscht: Wenn der Partner stirbt oder eine Beziehung kaputtgeht. Oder wenn man beruflich scheitert oder ein Konflikt sich nicht lösen lässt oder eine Krankheit das Leben zerfrisst.

Das ist schlimm! Dann fühlt man sich so elend, so leer, so dunkel und sinnlos.

In dieser Stimmung gingen die Frauen am Ostermorgen zum Grab. Sie wollten noch einmal den toten Jesus sehen, noch eine letzte Ehre ihm erweisen.
Aber da war kein Funke in ihnen. Nur Trauer und Enttäuschung. Ihr Leben kam ihnen so leer, so hohl, so wertlos vor wie dieses Ei.

So kamen sie zum Grab.

Und jetzt kommen wir zum zweiten, was uns dieses Ei lehrt:

2. Das Grab war leer. Leer wie dieses Ei!

Die Frauen hatten erwartet, einen blassen Leichnam zu sehen. Aber er war nicht mehr da!
Der Tote ist weg.
Der Tod hat sich verflüchtigt.
Die Verwesung ist verduftet.

Was das leere Grab bedeutet, das konnten sie noch nicht erfassen.

Der Engel hat ihnen dann ein bisschen Nachhilfe gegeben, aber auch das kapierten sie nicht sofort.
Das leere Grab löst keine Osterfreude bei ihnen aus, sondern im Gegenteil: Blankes Entsetzen. Sie rennen vom Grab weg und sind völlig bestürzt.

Erst die Begegnung mit dem auferstandenen Jesus hat bei den Jüngerinnen und Jüngern den Glauben ausgelöst. Nicht das leere Grab, nicht die Botschaft des Engels. Erst als sie Jesus lebendig vor sich sahen, wussten sie, dass er wirklich auferweckt ist.

Es ist ja auch kein Wunder, dass ihnen das mit dem Osterglauben schwer fiel.
Was an Ostern passiert ist, das ist einfach unmöglich!
Am Ostersonntag im Jahr 30 ist etwas geschehen, was in der ganzen Weltgeschichte so noch nie geschehen ist.

Auferweckung ist ja keine Wiederbelebung. Keine Rückkehr eines Toten in sein altes Leben, für ein paar Jahre, bis man dann endgültig stirbt.

Auferweckung bedeutet auch nicht, dass die Seele von Jesus irgendwie in den Himmel schwebt, während sein Leichnam im Grab verwest.

Sondern Auferweckung heißt, dass Gott dem toten Jesus ein neues Leben geschenkt hat.
Auferweckung ist ein schöpferischer Eingriff Gottes. Eine Verwandlung, eine Transformation aus unserer normalen irdischen Seinsweise in eine neue Seinsweise.

Am Ostermorgen haben sich die unsichtbare Welt Gottes und unsere sichtbare Erdenwelt berührt.
Dafür gibt es keine Analogien in der Natur oder in der Geschichte.
Darum fällt es auch so schwer, das zu glauben. Man denkt: Das kann doch gar nicht sein! Das hat es nie gegeben. Und darum kann das auch damals nicht so passiert sein!

Und dann versucht man, den Ostermorgen symbolisch zu deuten, als eine hübsche Erzählung, die uns Mut machen will.
In der aktuellen Ausgabe der ZEIT wird das so gemacht: Die Ostererzählung, steht da, sei doch so eine religiöse Chiffre für das Prinzip Hoffnung. Das Leben geht weiter. Kopf hoch! Es wird schon wieder.

Das ist ja nett gemeint. Aber was an Ostern wirklich passiert ist, ist damit überhaupt nicht erfasst. Es geht um etwas ganz anderes als ein Prinzip Hoffnung oder um irgendeine Durchhalteparole.

Es geht um einen einzigartigen Eingriff Gottes in diese Welt.

Vorgestern, am Karfreitag, haben wir über unser Kreuz hier in der Kirche nachgedacht und gesehen, wie tief nach unten das geht. Tief hinein in das Leid der Welt, tief hinein in die Wirklichkeit, in die Realität.

Das Ostergeschehen ist genau so tief verankert in der Wirklichkeit. Ein wirklicher Mensch, der wirklich tot ist und in einem realen Grab lag.

Ich bin überzeugt, dass das Grab tatsächlich leer war.
Wäre der Leichnam von Jesus noch da gewesen, dann hätten die Behörden in Jerusalem dieses Gerücht von der Auferstehung sofort, mit einem Schlag widerlegen können. Es hätte sich nie ausgebreitet. Das Christentum wäre nie entstanden.

Aber das Grab war leer und mit Jesus ist etwas passiert, für das wir keine Kategorien haben, für das es keine Analogien gibt.

Er hat den Tod besiegt. Unser Bild vom Auferstandenen hier versucht das auszudrücken.
Ein Sieger über den Tod.
Voller Lebendigkeit und Energie.
Der Tod konnte ihn nicht festhalten.

Und damit sind wir beim dritten, was uns dieses leere Ei lehrt.

Die Frage ist ja: Was hat denn Ostern mit uns zu tun?
Was hat das, was damals mit Jesus passiert ist, für eine Relevanz für uns heute?

3. Das leere Ei zeigt uns: Es gibt mehr als Ei!

In so einem Ei kann ein kleines Küken heranwachsen.
Für das Küken ist das Innere des Eis alles, was es gibt. Es ist seine Welt. Sein Lebensraum. Mehr gibt es nicht. Doch dieser Lebensraum ist begrenzt von einer Schale.

Stellen Sie sich mal vor, Sie wären im Inneren des Eis. Da ist um Sie herum eine harte, bedrohliche Grenze.
Der Lebensraum endet da.
Und je größer das Küken wird, desto deutlicher spürt es diese Grenze.

Mit unserem Leben ist es ganz ähnlich.
Unser Lebensraum ist vom Tod begrenzt.
Der Tod umfängt uns. Er bedroht uns und engt uns ein. Und je älter wir werden, desto deutlicher spüren wir das.

Aus unserer Perspektive betrachtet ist der Tod das Ende. Da ist Schluss.
Was soll dahinter schon kommen?!

Das Ei hier zeigt uns etwas anderes:
Der Tod ist nur die Schale.
Die Schale, die uns von einem viel größeren Lebensraum trennt.

Das Ei zeigt uns: Der Tod ist vom Leben umgeben.

Das feiern wir an Ostern.
Einer hat die Schale durchbrochen.
Jesus ist vom Tod auferstanden.
Er hat diese Grenze aufgestoßen.

Und damit ist er uns vorangegangen.
Jesus hat für uns die Tür aufgemacht in ein neues, viel größeres Leben.

Und wenn du dich an Jesus festhältst, ihm vertraust,
dann wird er dich mitnehmen, durch den Tod ins Leben.

Noch sind wir nicht da.
Und noch können wir uns das ja auch gar nicht vorstellen, dass es jenseits unseres Lebensraumes etwas noch Größeres gibt.
Noch macht uns der Tod Angst,
weil er so dunkel ist und so endgültig wirkt.

Aber der Tod ist nicht dein Ende.
Er ist nur die Schale.

Der Kabarettist Hans-Dieter Hüsch, manche von Ihnen werden ihn kennen, hatte vor etlichen Jahren Krebs bekommen. Er wusste, dass er sterben würde. Und kurz vor seinem Tod hat er gesagt:
„Wenn Christus nicht auferstanden wäre, dann wäre sein Grab auch unser Grab. Aber er ist auferstanden
und wir mit ihm. Ich glaube an die Auferstehung und lasse meinen Jesus nicht.“

Ostern heißt:
Die Schale hat einen Riss bekommen.
Die Grenze ist geöffnet.
Denn der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden.
Amen.