Predigt: Pfingsten 2022 2.Tim 1, 7

7.6.2022

J.Berewinkel

Liebe Geschwister, Pfingsten ist die Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit. Auf die Herausforderungen in unserer Gesellschaft und in unserer Kirche. Ich glaube, es ist auch ...

Liebe Geschwister,
Pfingsten ist die Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit. Auf die Herausforderungen in unserer Gesellschaft und in unserer Kirche. Ich glaube, es ist auch die Antwort auf viele unserer persönlichen Herausforderungen. Das Pfingstfest erinnert uns daran, dass es eine Kraft gibt, die mit den größten Schwierigkeiten fertig werden kann.

Es gibt einen Satz in der Bibel, der das auf den Punkt bringt:
(Folie 1:)
„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2.Tim 1, 7)

Das hat Paulus an Timotheus geschrieben. Timotheus war ein junger Kerl, ein Schüler und Mitarbeiter von Paulus. Jetzt war Paulus ins Gefängnis gekommen und Timotheus musste Leitungsverantwortung wahrnehmen. Er fühlte sich etwas überfordert mit dieser großen Aufgabe, dachte: Ich bin zu jung dafür, zu unbegabt. Ich schaff das nicht.
Und er hatte richtig Schiss.

Es gibt ein altes Wort für seinen Zustand: Er war „verzagt“. Verzagt ist ein Zustand, wenn man die Schultern hängen lässt und sich zu nichts mehr aufraffen kann; wenn man das Gefühl hat: Alles wird zu viel. Wenn die Gedanken nur noch in Dauerschleifen kreisen, wenn man sich wie gelähmt fühlt und keine Energie mehr hat.

Sie kennen bestimmt alle solche Momente.
Und es ist ja auch kein Wunder.
So viele schlechte Nachrichten! Eine Krise türmt sich auf die andere. Und es sind keine Lösungen in Sicht.
Da kann man echt verzagen.
Und vielleicht ist es in Ihrem eigenen, persönlichen Leben gerade auch so, dass sich ein Problem aufs andere türmt und Sie das Gefühl haben: Das schaffe ich nicht! Ich bin wie gelähmt. Verzagt!

So ähnlich wird sich also Timotheus gefühlt haben.

Und da hinein nun dieser Satz seines Mentors:
„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“.

In der Basisbibel wird das so übersetzt:
„Denn der Geist, den Gott uns geschenkt hat, lässt uns nicht verzagen. Vielmehr weckt er in uns Kraft, Liebe und Besonnenheit.“

Genau so war das beim ersten Pfingstfest; damals in Jerusalem. Jesus war auferstanden. Eigentlich ein großer Grund zur Freude. Aber die Jünger von Jesus hatten noch immer die Türen verschlossen. Sie hatten Angst, als Jesusanhänger entdeckt zu werden. Die Hinrichtung von Jesus war ja erst ein paar Wochen her, und es war überhaupt nicht klar, ob die Behörden mit ihnen nicht das gleiche machen würden wie mit ihrem Meister. Also waren sie vorsichtig, flüsterten nur, beteten leise. Bloß nicht auffallen, bloß in Deckung bleiben. Außerdem waren sie völlig planlos. Sie wussten überhaupt nicht, was sie machen sollen, wo die Reise hingeht. Ein Geist der Furcht.

Und dann kam das Pfingstfest, wie wir das eben in der Lesung gehört haben. Da kam Gottes Geist auf diese Jüngertruppe. Und der blies die Furcht weg, diese Verzagtheit. Der erfüllte sie mit Energie und Schwung. Ein Geist der Kraft.

(Folie 2)
Kraft statt Verzagtheit.
Das wird uns hier in Aussicht gestellt.
Und das ist es doch, was wir im Moment brauchen. Dringend brauchen.
In unserer Gesellschaft mit den immensen Herausforderungen.
Aber auch in der Kirche. Da ist ja auch so viel Verzagtheit.
Und auch wir ganz persönlich haben das nötig.
Kraft statt Verzagtheit.

Diese Kraft ist aber keine Kraftstrotzerei.
Wenn der Heilige Geist uns mit Kraft erfüllt, dann führt das nicht zu so einer selbstgefälligen Was-bin-ich-doch-stark-Haltung! Sondern diese Kraft ist verbunden mit Liebe und Besonnenheit. Eine Kraft, die das Gute für die Mitmenschen sucht und die überlegt agiert und klug.

Paulus sagt dem verzagten Timotheus und uns verzagten Leuten heute: Gott will uns diesen Geist schenken. Diese Kraft ist da! Sie ist real.

Und das ist ein wichtiger Punkt.
Ich bin überzeugt, dass das Christentum in unserem Land nur Zukunft hat, wenn Menschen reale Erfahrungen mit dieser Kraft machen können.
Wenn das mit dem Heiligen Geist nur so eine theologische Formel ist, eine schöne Theorie, dann haut das keinen vom Hocker. Ein Glaube, der nur aus Worten besteht, überzeugt keinen Menschen.

Der Theologe Christian Grethlein sagt: „In unserer spätmodernen Gesellschaft fragen die Menschen nicht, was wahr ist, sondern was wirkt. Nur das, was den Menschen praktisch im Leben weiterzuhelfen verspricht, erhält Aufmerksamkeit“.

Das ist übrigens nicht nur heute so. Paulus schreibt einmal in einem Brief an die Korinther, wie er das damals geschafft hat, dass die Leute seiner Botschaft geglaubt haben. Er sagt: Als wir zu euch kamen, da kamen wir nicht mit überredenden und klugen Worten, sondern „im Erweis des Geistes und der Kraft“. (1.Kor. 2,4)

Glaube ist keine Theorie, sondern er erweist sich in erfahrener, realer Kraft.

Stellen Sie sich mal einen Menschen vor, einen ganz normalen Zeitgenossen. Er weiß nicht so recht, ob er an Gott glauben soll oder nicht, mit der Kirche hat er nichts am Hut. Er ist weder besonders zufrieden noch besonders unzufrieden. Einfach ein ganz normaler Mensch.
Stellen Sie sich vor, dieser Mensch hat im Büro eine Kollegin, die seit einiger Zeit den Glauben entdeckt hat und zu einer Gemeinde geht.
Wenn diese Frau jetzt versuchen würde, ihren Kollegen von Gott zu überzeugen und dabei die klügsten Argumente vorbringen würde – das würde diesen Mann überhaupt nicht berühren. Auf jedes Argument gibt es irgendein Gegenargument. Und am Ende kann man immer noch sagen: Es weiß ja eh keiner so genau, also lass mich in Ruhe!

Aber stellen Sie sich mal vor, dieser Mann würde beobachten, wie die Frau sich verändert. Sie kommt morgens fröhlicher ins Büro. Sie klagt nicht mehr so viel und kommt auch mit ihrer Krankheit besser zurecht. Und sie kann sogar mal einen Fehler eingestehen. Dann würde dieser Mann doch neugierig werden und sich fragen: Was ist nur los mit ihr? Und wenn sie dann anfängt zu erzählen, woher diese Veränderung kommt, dann wird er sehr aufmerksam hinhören.

Der christliche Glaube ist keine nette Theorie, kein theologisches Konstrukt, sondern es geht um einen realen Gott, der durch seinen Geist real in unser Leben hineinwirken will. Ein Geist der Kraft.

Aber wie kommt man jetzt dran an diese Kraft? Wie empfängt man diesen Geist? Das ist ja die spannende Frage.

Es ist ein bisschen ähnlich wie bei einem Elektroauto.
(Folie 3: E-Auto)
Ein E-Auto bekommt seine Kraft, indem seine Batterie mit Strom geladen wird.

Meine Frau ist letztes Jahr mit einer Freundin für ein paar Tage an die Nordsee gefahren. Die trafen sich in Bremen. Die Freundin kam mit ihrem neuen E-Auto. Sie mussten bis zur Küste noch eine ganze Strecke fahren. Aber jetzt gab es ein Problem. Die Ladung reichte nicht mehr bis zum Ziel. Sie mussten irgendwo eine Ladestation finden. Und das ist leider noch gar nicht so einfach. Hat jemand von Ihnen ein E-Auto? Dann wissen Sie das ja bestimmt.
Sie hatten dann endlich eine Ladestation gefunden. Aber das war so eine, wo man nur langsam laden kann. Sie saßen da und warteten und warteten.

Ich finde E-Autos super. Aber eine Batterie laden ist eben etwas anderes als den Tank mit Benzin vollzukippen. Zum Laden braucht man eine Ladestation, und Laden dauert Zeit. Das geht nicht so ruckzuck.

Und mit dem Heiligen Geist ist es so ähnlich. Diese Kraft ist da. Sie ist real. Aber man kriegt sie nicht so ruckzuck. Wenn man die Kraft des Geistes erfahren will, dann braucht man dafür einen Ort und man braucht Zeit.

Mit einem Ort meine ich nicht einen speziellen sakralen Ort. Man muss nicht in eine Kirche gehen, um den Geist zu laden. Aber man braucht einen Ort, wo Ruhe ist, wo man wenig abgelenkt ist. Das kann eine ruhige Ecke in Ihrer Wohnung sein oder im Wald oder in einem Kloster.

Wenn Sie die Kraft des Geistes erfahren wollen, dann suchen Sie sich einen Ort, wo Sie Ruhe finden!

Und Sie brauchen Zeit.
Wir können über den Heiligen Geist nicht verfügen. Wir können ihn nicht nach Belieben herbeizitieren. Wir können uns nur für diese Kraft öffnen, unsere Seele offen und empfänglich halten und ihn bitten: Komm doch, Du Heiliger Geist, und erfülle mein Herz!
Das braucht Zeit. Das geht nicht in fünf Minuten.
Ich versuche mir, jeden Tag so 20, 30 Minuten zu nehmen, um mit Gott in Verbindung zu sein. Meistens morgens, bevor der Betrieb losgeht. Eine Zeit, wo ich ein Bibelwort meditiere, bete und die Seele für Gottes Geist öffne.

Und es tut gut, manchmal auch richtig raus zu gehen. In ein Kloster oder ein Stille-Haus, für ein paar Stunden oder ein Wochenende. Und dann laden; Gottes Geist in der Seele wirken lassen. > Einkehrtag

Dann kann es passieren, dass diese Kraft in uns zu wirken beginnt. Ganz langsam, unmerklich, leise – so wie eine Batterie ganz allmählich auflädt.

Viele von uns haben ein sehr ausgefülltes Leben, wo alles eng getaktet ist und man kaum freie Zeit hat. Und da fragen Sie sich: Wie soll ich mir denn jetzt auch noch Zeit zum geistlichen Tanken nehmen?
Das ist nicht einfach und das wird bei jedem unterschiedlich aussehen. Aber ich bin sicher, dass es sich lohnt, an der Stelle neue Prioritäten zu setzen und Gottes Geist im Alltag Raum zu geben.

(Folie 4: Jesus sendet den Geist)
Eine Sache ist dabei noch ganz wichtig.
Das NT sagt uns, dass der Heilige Geist ganz eng verbandelt ist mit Jesus. Jesus sendet den Geist.
Er kommt in seinem Namen. Das hat damit zu tun, dass Jesus die Verbindung zu Gott neu hergestellt hat.

Wir können ihn im Gebet ansprechen: Komm doch durch deinen Geist zu mir! Komm, und erfülle mein Herz mit deiner Kraft, mit deiner Liebe und Besonnenheit!

Gleich werden wir miteinander das Abendmahl feiern. Das ist auch so eine Gelegenheit, wo wir laden können. Wo wir Jesus und seinen Geist bei uns einziehen lassen. Wir empfangen Brot und Wein und der Herr ist darin und dabei und wir lassen ihn zu uns.

Pfingsten ist die Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit.
Wir können eine neue Kraft empfangen, auf eine neue Energiequelle umsteigen und auf diese Weise Gott real erfahren.
Und in dem Sinne wünsche ich uns allen Frohe Pfingsten!
Amen.