GD 6.8.2023 Predigtreihe Josef Teil 1

6.8.2023

J.Berewinkel

Liebe Geschwister! Der russische Schriftsteller Dostojewski hat einmal gesagt: „Habe dein Schicksal lieb. Es ist der Weg Gottes mit deiner Seele.“ Wir beginnen heute eine Predigtreihe über einen ...

Liebe Geschwister!
Der russische Schriftsteller Dostojewski hat einmal gesagt:
„Habe dein Schicksal lieb. Es ist der Weg Gottes mit deiner Seele.“

Wir beginnen heute eine Predigtreihe über einen Menschen, der das getan hat.
Er hat sein Schicksal, mit seinen Höhen und Tiefen, liebgewonnen. Er hat erfahren, dass das wahr ist: mein Schicksal, das, was mir zustößt in meinem Leben, das ist Gottes Weg mit meiner Seele, Gottes guter Weg mit mir.

Der Mann heißt Josef. Lebte ungefähr 1700 vor Chr.
Josef ist der Sohn von Jakob. Enkel von Isaak, Urenkel von Abraham und Sarah. Einer der Patriarchen, aus denen Volk Israel hervorging.

Von kaum einer Person im AT wird so detailliert und ausführlich erzählt wie von Josef. 13 Kapitel, das letzte Viertel des 1. Mosebuches, handelt nur von ihm und seinen Brüdern.
Im Grunde ist es eine große Familienstory, mit allem Schönen und Unschönen, was zu Familiengeschichten dazugehört, damals wie heute: Heiraten, Kinder kriegen, Umzüge, Ehekrach, Konflikte zwischen den Geschwistern, Neid und Intrigen, Rache und Versöhnung.

Warum sollen wir uns überhaupt mit so einer Familiengeschichte beschäftigen?
Die Geschichte von Josef und von den anderen Patriarchen ist Familiengeschichte. Sie ist aber gleichzeitig auch Gottes Geschichte mit dieser Familie! Das ist das eigentlich Spannende!

Gott hatte sich Abraham und Sara erwählt. Er hat ihnen das Versprechen gegeben: Ich werde aus euch ein großes Volk machen, ein Volk, das mich kennt, das meinen Willen tut.
Ich will dich segnen und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Völker auf der ganzen Erde gesegnet werden.

Das sind die Verheißungen, die Gott Abraham gegeben hatte. Und durch die ganze Geschichte der Patriarchen hindurch geht es im Grunde um diese eine Frage: Wie macht Gott diese Verheißung wahr? Wie kommt durch sie Gottes Segen zu den anderen Völkern?

Das ist der Zusammenhang, in dem die Geschichte Josefs eingebettet ist.
Eine ganz normale Familiengeschichte und zugleich Gottes Geschichte mit dieser Familie.

Wenn wir uns die Geschichte Josefs anschauen, dann können wir etwas entdecken, was auch für uns gilt:
Meine Lebensgeschichte, Familiengeschichte ist eingewoben in Gottes Geschichte mit dieser Welt.

Vielleicht ist das ja für manche eine ungewohnte Perspektive. Aber stellt es euch mal vor: Mein Leben – kein isolierter Punkt irgendwo in der Zeit. Sondern Teil von etwas Großem, von einem großen Muster, Teil von Gottes Plan mit dieser Welt!

Ich finde das eine ungeheuer weitende Perspektive:
Gott hat mit meinem Leben etwas vor. Es ist Teil von Gottes großer Vision, diese Welt zu ändern, zu segnen.
Ein zweiter Grund, warum es sich lohnt, sich mit Josef zu beschäftigen:
Josef war ein Mensch, der von Gott geprägt war.
Er war das allerdings nicht von Anfang an. Sondern Gott hat durch manche schweren Erfahrungen seinen Charakter geformt.
Er hat aus einem unreifen, egozentrischen Teenager einen Menschen gemacht, der Überzeugungen hatte, der vor Königen gerade stehen konnte, der ein ganzes Land verwaltet und mit Nahrung versorgt hat.
Josefs Geschichte ist wie ein Modell. An ihm kann man sehen, wie Gott mit einem Menschen einen Weg geht und ihn auf diesem Weg prägt und verändert!

Aber um so verändert zu werden, musste er durch viele Tiefen gehen. Sein ganzes Leben ein Auf und Ab: Hoch hinauf und steil bergab.
Wir wollen uns heute und an nächsten Sonntagen einige Etappen seines Lebens näher ansehen. Insgesamt 7 Etappen in drei Predigten.

Beginnen wir mit der ersten Etappe:

1. Josef als Papas Liebling
Wir haben das eben in der Lesung gehört:
Da lernen wir Josef kennen als 17-jährigen Teenager, mit Pickeln im Gesicht und beginnendem Bartwuchs. Ein sehr begabter Kerl. Die Geschwister sind alle deutlich älter, außer Benjamin, dem Nachzügler. Der war damals wohl noch ein Kleinkind.

Josef ist Papas Liebling. Jakob war schon alt, als Josef zur Welt kam. Und er hat ihn einfach verhätschelt. Seine Brüder spüren das. Man hört sie hinter dem Rücken des Vaters reden: Josef braucht bei der harten Arbeit nie anpacken. Der wird nie bestraft, wenn er was falsch macht. Bei ihm drückt Vater immer ein Auge zu.

Und dann bekommt Josef zu irgendeiner besonderen Gelegenheit vom Vater ein spezielles Kleidungsstück geschenkt. Ein besonders edles Teil, bunt, aus einem tollen Stoff, wahnsinnig teuer. So etwas trugen damals Prinzen und Priester, aber nicht Leute, die hart arbeiteten!

Man kann sich gut vorstellen, wie das die Brüder wurmt: Schon wieder wird Josef bevorzugt, jetzt sogar für alle sichtbar!
Bei den Brüdern entsteht ein tiefer Neid auf Josef.

Vielleicht kennen das manche von uns aus ihrer eigenen Familie. Dass der Bruder oder die Schwester von den Eltern bevorzugt wurde, weil sie begabter oder braver oder jünger war. Dass sie mehr durfte, mehr Aufmerksamkeit bekam…
Das frisst sich tief in der Seele fest, dieses Gefühl: Ich werde weniger geliebt, weniger beachtet als meine Schwester oder mein Bruder. Das kann zu einem Grundgefühl werden, das sich durch das ganze Leben durchzieht und das immer wieder bestätigt wird: andere werden besser behandelt als ich, andere müssen weniger arbeiten, bekommen mehr Liebe. Das ist doch ungerecht!

Josef selbst macht durch sein Verhalten die ganze Sache noch schlimmer.
Er ist, als wir ihn kennenlernen, keine besonders sympathische Figur.
Josef genießt das offenbar, Papas Liebling zu sein, versucht sogar, seine Vorzugsstellung auszubauen. Wenn seine Brüder etwas anstellen, rennt er sofort zu Papa und petzt! Echt unsympathisch!

Ein weiterer typischer Zug an ihm: Josef ist ein Träumer.
Von zwei Träumen wird hier berichtet:
Er sieht im Traum Getreidegarben auf einem abgeernteten Feld. Sieht, wie die Garben der Brüder sich vor seiner Garbe verneigen.
Das gleiche im zweiten Traum: er steht im Mittelpunkt und seine Brüder verneigen sich vor ihm!!

Er hatte aber nicht nur besondere Träume. Sondern er scheint auch in einer Traumwelt gelebt zu haben. Er ist ganz mit sich selbst beschäftigt, träumt davon, etwas Besonderes zu werden.
Er kreist so um sich selbst, dass er die Wirklichkeit um sich herum gar nicht wahrnimmt.
Er scheint den Neid und Hass seiner Brüder überhaupt nicht bemerkt zu haben und erzählt ihnen völlig unbekümmert von seinen Träumen! Als würde er erwarten, dass sie sich alle mit ihm freuen und vor ihm niederfallen.
Unglaublich, wie blind er ist! Unglaublich, wie falsch er sich und seine Situation einschätzt!

Wir sehen: Mit 17 Jahren ist Josef ein verwöhnter, egozentrischer und unreifer Teenager. Er hält sich selbst für den Mittelpunkt der Welt und meint, dass alle ihn toll finden müssten.

Die Träume, die Josef hat, kommen zwar tatsächlich von Gott. Und sie werden sich auch erfüllen. Aber dazu muss mit Josef eine tiefgreifende Veränderung geschehen.

Wie kommt es zu dieser Veränderung? Wie wird aus einem egozentrischen Träumer ein Mann, der Völker am Leben erhält? Wie wird – so hat es jemand auf den Punkt gebracht – aus einem „Verzehrer“ ein „Ernährer“?

Das ist ja eine wichtige Frage für uns: Wie kann in meinem Leben Veränderung geschehen? Wie kann ich zu einer reifen, geistlichen Persönlichkeit werden?

Die Verwandlung, die Josef erlebt hat, hat ihren Preis gekostet. Der Preis war: tiefes Leiden. Um hoch zu kommen, um das zu werden, was er werden sollte, musste Josef zunächst einmal ganz tief fallen.

Damit kommen wir zur nächsten Etappe:

2. Der tiefe Fall

(1.Mose. 37, 12-36)

Josefs Brüder hassen ihn. Und dann kommt die Gelegenheit, wo sich dieser Hass entlädt. Die Bibel berichtet, wie Jakob eines Tages Josef losschickt. Er soll nach seinen Brüdern sehen! Die sind irgendwo weit draußen in der Pampa und weiden die großen Herden.

Da sehen sie Josef kommen in seinem tollen Gewand, arrogant und ahnungslos.
Der Hass kocht hoch. Hier sind sie unbemerkt :

Lesen: Gen 37, 18-24

Die Brüder sahen ihn schon von Weitem kommen. Noch bevor er bei ihnen war, beschlossen sie, ihn zu töten. Sie sagten zueinander: »Seht! Da kommt er ja, der Meisterträumer. Auf, wir erschlagen ihn! Dann werfen wir ihn in eine Zisterne und behaupten: ›Ein wildes Tier hat ihn gefressen.‹ Dann werden wir ja sehen, was aus seinen Träumen wird.« Als Ruben das hörte, wollte er Josef vor ihnen retten. Er dachte: „Wir können ihn doch nicht umbringen!“ Zu seinen Brüdern sagte er: »Vergießt kein Blut! Werft ihn in die Zisterne da in der Steppe. Aber tastet sein Leben nicht an!« Das sagte er, um Josef vor ihnen zu retten und ihn zum Vater zurückzubringen. Als Josef bei seinen Brüdern ankam, rissen sie ihm sein prächtiges Gewand vom Körper. Sie packten ihn und warfen ihn in die Zisterne, die leer und trocken war.

Man muss sich die Szene einmal vorstellen; sich in Josef hineinversetzen.
Der ahnt ja nichts von den Gedanken seiner Brüder; kommt völlig unbekümmert, um nach dem Rechten zu sehen.

Und dann sieht er plötzlich in ihren Augen den Hass. Spürt ihre Wut, als sie ihm brutal sein Gewand ausziehen, wie sie ihn an Armen und Beinen packen und in eine ausgetrocknete Zisterne werfen. Ein harter Aufprall und dann liegt er plötzlich im Dunkeln, kann nicht fassen, was da passiert, schreit vor Wut und Angst.

Ich glaube, durch diesen Sturz in die Zisterne ist Josef aufgewacht aus seinen Träumen. Da unten in der Zisterne sieht er zum ersten Mal die Wirklichkeit, wie sie ist! Wird Realist.

Was für ein Sturz!
Mit dem Wurf in die Zisterne verliert Josef alles, was er bis dahin hatte: Seine Sonderstellung, seinen Vater, seine Sippe, seine Heimat, seinen Besitz. Er dachte, er würde ganz nach oben kommen. Und nun liegt er ganz unten.
Hätten Ruben und Juda, die beiden ältesten Brüder, sich nicht für ihn eingesetzt, dann wäre er jetzt tot. Ruben wollte ihn eigentlich retten, aber dann verkaufen ihn die anderen an Sklavenhändler und die bringen ihn als Sklaven nach Ägypten. Dem Vater erzählen sie, dass er von einem wilden Tier gefressen wurde.

Stellt Euch nur mal diese Familie vor!
Die Mutter früh gestorben, ein Vater, der seinen Sohn hemmungslos verwöhnt, Brüder, die ihren eigenen Bruder als Sklaven verkaufen und den Vater belügen. Eine völlig zerrüttete Familie.

Und doch hat Gott diese Familie erwählt. Und mit dieser Familie macht Gott Geschichte. Durch diese Familie soll Segen Gottes zu allen Menschen kommen! Das ist krass!

Wenn Gott durch solche Leute Segen zu allen Völkern bringen kann, dann kann er es auch durch uns! Egal, was in unserer Familiengeschichte schiefgelaufen ist – Gott kann und will auch durch uns Segen in diese Welt bringen!

Schauen wir uns noch kurz die dritte Etappe in Josefs Leben an. Hier lernen wir eine ganz neue Seite an ihm kennen.
Josef wurde auf dem Sklavenmarkt in Ägypten gekauft von Potiphar, dem Chef der Leibwache des Pharaos. Das war ein hoher Beamter.

Bei ihm im Haus beginnt die dritte Etappe:

3. Josefs Karriere bei Potiphar.

Josef war ganz unten. Der verwöhnte Sohn – ein Sklave in einem fremden Land, ohne Rechte, ohne Schutz. Und im Gedächtnis eingebrannt: meine eigenen Brüder haben mich hierhin verkauft!

Aber am Tiefpunkt seines Lebens macht er eine Erfahrung, die er sonst wohl nicht gemacht hätte:

Es heißt am Anfang von Kapitel 39, als Josef Potiphars Sklave wurde:
„Der HERR war mit Josef. Und er wurde ein Mann, dem alles gelang.“

Von Gott war bisher noch gar nicht die Rede gewesen. Gott wird in der Josefsgeschichte nur an ganz wenigen Stellen erwähnt. Er ist wie ein Regisseur, der unsichtbar im Hintergrund steht. Er ist da, unbemerkt. Und er hält die Fäden in der Hand.

Der HERR war mit Josef und er wurde ein Mann, dem alles gelang.

Josef erlebt – zu seiner eigenen Überraschung -, dass er gesegnet wird. Sieht staunend: was ich anpacke, das gelingt! Was ich anfasse, das blüht auf. Was ich an Ideen habe, das kommt zur Verwirklichung.
Und er merkt: Gott selbst schenkt mir Gelingen, schenkt Segen.

Es heißt im Text: „von diesem Zeitpunkt an, wo Josef in Potiphars Haushalt war, lag der Segen Gottes auf Potiphar.“

Josef empfängt Segen und von ihm geht Segen aus. Gottes Segen fließt sozusagen durch seine Hände.

Hier beginnt sich die Verheißung an Abraham zu erfüllen! „Durch dich sollen alle Völker auf der Erde gesegnet werden.“

So möchte Gott auch durch uns wirken. Das ist unsere Berufung als Menschen, die zu Gott gehören: Segen empfangen und Segen an andere weitergeben. Kanal des Segens sein für diese Welt.

Der HERR war mit Josef und er wurde ein Mann, dem alles gelang.

Josef hat erlebt: Der Gott, den meine Eltern verehren, den ich bisher nur vom Hörensagen kannte, der ist hier! Mitten in meinem Elend, in der Fremde. Er steht auf meiner Seite, trotz allem, was da passiert ist.
Dieser Gott hat mein Leben in der Hand.
Und so entsteht in der Einsamkeit in Ägypten eine tiefe, vertraute Beziehung zwischen Josef und Gott.

Potiphar bemerkt, dass Josef Segen verbreitet und darum befördert er ihn von einer Karrierestufe auf die andere.
Vom niedrigsten Sklaven steigt Josef auf zum obersten Verwalter, der allen anderen Befehle gibt.
Eine Traumkarriere!
Man könnte denken: Wunderbar! Jetzt hat er es geschafft. Jetzt kommt bald das Happy End!

Aber dann kommt es völlig anders.
Der traumhafte Aufstieg endet mit einem katastrophalen Absturz.
Wie es dazu kommt und wie es dann mit Josef weitergeht, das wird Cornelius Brühn uns nächsten Sonntag erzählen.
Vielleicht haben Sie ja Lust bekommen, die Geschichte von Josef mal zu Hause nachzulesen:
1. Mose 37 – 50.

Halten wir noch mal die wichtigsten Punkte der ersten Etappen fest:
-Josefs Familie – absolut keine heile Familie. Und doch macht Gott mit dieser Familie Heilsgeschichte.

-Josef selbst- ein Mensch, der durch tiefes Leiden Gott erfahren hat und zu einer geistlichen Persönlichkeit herangereift ist.
-Und Josef erlebt, wie Gott ihn segnet und durch ihn Segen zu anderen bringt.

Und der Friede Gottes….