Predigt 2. Teil der Predigtreihe Alles Liebe: Liebe leben (11.2.2024)

11.2.2024

J.Berewinkel

Liebe Gemeinde, letzte Woche haben wir viel davon gehört, wo wir Liebe entdecken können. Wir haben verschiedene Arten von Liebe kennengelernt, die erst einmal ganz unterschiedlich ...

Liebe Gemeinde,

letzte Woche haben wir viel davon gehört, wo wir Liebe entdecken können. Wir haben verschiedene Arten von Liebe kennengelernt, die erst einmal ganz unterschiedlich sind, aber doch verbindende Elemente haben. Immer geht es darum, dass Einer in seiner Liebe ganz dem anderen zugewandt ist, ja ihn manchmal schon fast erdrückt oder dabei sich selbst vergisst. Aber – sofern es sich um echte Liebe handelt – immer an ihm und seinen Bedürfnissen ausgerichtet ist.

Wir haben auch von der Sprache der Liebe gehört. Die Sprache der Liebe, die für viele unterschiedlich sein kann. Für manche ist sie eine schöne Blume, für andere ist es die Hilfe beim Umzug. Die Sprache der Liebe ist eine Sprache, die bei jedem etwas anders ist. Eine Sprache, die gelernt werden will. Die viele Facetten hat, wie wir gehört haben.

 

Heute soll es um Liebe leben gehen. Und ich möchte zunächst nicht danach fragen, wie wir heute Liebe leben, sondern wie einer Liebe gelebt hat, von dem Menschen sagen, dass in ihm die Liebe Gottes, ja Gott selbst sich den Menschen zeigt. Ich möchte heute mit Ihnen darauf schauen, wie Jesus von Nazareth, der Christus, die Liebe gelebt hat und in welcher Sprache dies geschah. Der uns die Liebe, wenn er Sohn Gottes ist, in seiner reinsten Form auf der Erde gezeigt hat.

 

In der Lesung haben wir gerade vom Beginn von Jesu öffentlichem Wirken gehört. Das Markusevangelium beginnt ja mit dem Auftreten von Johannes dem Täufer. Dann wird Jesus getauft. Nach der Taufe beruft Jesus seine Jünger. Und dann sind wir schon bei der Stelle, die wir gerade in der Lesung gehört haben. Es ist der Beginn des öffentlichen Wirkens von Jesus zunächst noch in Galiläa, dann aber später auch auf nichtjüdischem Gebiet.

 

Da ist auf engem Raum schon alles enthalten, was sich im kommenden Evangelium entfalten wird und ihn letztlich nach Jerusalem bringt. Ich möchte vier Punkte herausgreifen, die mich am Wirken von Jesus von Nazareth besonders faszinieren und was sie uns heute sagen können. Vier Punkte, die Zeichen seiner Liebe sind.

 

Jesus lehrt und predigt

Und sie gingen hinein nach Kapernaum; und alsbald am Sabbat ging er in die Synagoge und lehrte. Und sie entsetzten sich über seine Lehre; denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie die Schriftgelehrten.

 

Das erste, was Jesus tut, ist zu lehren und zu predigen. Das tut er in der Synagoge, gestützt auf die Heilige Schrift. Jesus hat keine neue Lehre, sondern knüpft an das Bekannte an. Er legt die bekannten Texte von Tora und Propheten aus. Und doch entsetzen sich die Menschen dort über ihn. Weil er mit Vollmacht lehrt!

Der Inhalt seiner Lehre ist der gleiche, wie der der Schriftgelehrten, aber das wie ist anders. Während die Schriftgelehrten ganz gut darin sind, einzelne Worte – wie Liebe – in ihre Bestandteile zu zerlegen und verschiedene Aspekte herauszustellen, spüren die Menschen bei Jesus eine besondere Energie und Autorität mit der er spricht.

 

Deshalb beschäftigen wir uns auch heute noch mit den Evangelien – in ihnen können wir etwas erahnen, von der Vollmacht, mit der Jesus gepredigt hat.

 

Anstatt von Belehrung und von Predigt reden wir heute eher von Bildung. Bildung meint, dass sich auch bei mir etwas verändert. In der Wahrnehmung meiner Selbst, der Welt und Gott. Ich glaube, die Predigt Jesu, ist genau so: Er hilft den Menschen, zu sich und zu Gott zu finden: Was willst du, das ich dir tue? Ist ja so ein Satz von Jesus, der mit seiner Überzeugungskraft zu tun hat. Jesus hat seine Vollmacht und seine Überzeugungskraft dadurch, dass er Gottes Wille ganz auf die Menschen hin auslegt und sie ansieht.

 

Damit macht er uns tiefe Wahrheiten deutlich, die wir schon vorher in uns trugen, aber nicht ganz ausdrücken konnten. Kennen Sie das, das jemand ihnen etwas sagt und sie dachten: Genau das habe ich immer gewusst, aber jetzt habe ich Worte dafür. Das ist für mich die Wahrheit der Predigt Jesu – dass er uns unseren Kern zeigt. Und diesen Kern, der von Gott in uns gelegt wurde, mit Vollmacht offen legt.

 

Vollmacht, die auch mit Liebe zu tun hat. Wenn wir im Gespräch merken, dass da jemand wirklich Interesse an mir hat, dann höre ich anders zu. Dann geraten wir in einen Zustand, in dem wir uns teils stundenlang miteinander unterhalten können. Da verfliegt die Zeit und alle können etwas lernen.

 

Die meisten von uns, haben diese Zuwendung und Vollmacht nicht, oder zumindest nicht immer – vielleicht nur ganz selten. Wir sind oft mit uns selbst beschäftigt und haben eigene Themen, die uns belasten, sodass wir uns nicht richtig öffnen können.

 

Vielleicht müssen wir auch gar nicht genau so sein, wie Jesus, sondern dürfen uns einfach von dieser Predigt in Vollmacht berühren lassen. Und uns von den Momenten der Liebe im engen Austausch verzaubern lassen, wenn wir sie mit anderen erleben.

 

Jesus treibt Dämonen aus / Jesus nimmt die Lasten

 

Und alsbald war in ihrer Synagoge ein Mensch, besessen von einem unreinen Geist; der schrie: 24 Was haben wir mit dir zu schaffen, Jesus von Nazareth? Bist du gekommen, uns zu vernichten? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes! 25 Und Jesus bedrohte ihn und sprach: Verstumme und fahre aus von ihm! 26 Und der unreine Geist riss ihn hin und her und schrie laut und fuhr aus von ihm. 27 Und sie entsetzten sich alle, sodass sie sich untereinander befragten und sprachen: Was ist das? Eine neue Lehre in Vollmacht! Er gebietet auch den unreinen Geistern, und sie gehorchen ihm! 28 Und die Kunde von ihm erscholl alsbald überall in das ganze Land um Galiläa.

 

Jesus treibt unreine Geister aus. Jesus treibt Dämonen aus. Davon gibt es viele Berichte in den Evangelien.

Heute sind wir ja zu Recht vorsichtig beim Thema Exorzismus. Oft genug verbinden wir damit die Qual von psychisch Kranken, unterlassene Hilfeleistung oder gar religiösen Wahn.

 

Dämonen passen nicht mehr in unser Weltbild – gerade nicht in das protestantische, in dem es zwischen Himmel und Erde keine magischen Wesen gibt.

 

Im vierten Jahrhundert hat ein Mönch, der allein in der Wüste in Ägypten lebte, eine Dämonenlehre entwickelt. Dämonen waren für ihn eben solche Stimmungen, die einem im Leben abhalten, sich zu entfalten und gerade im Leben als Mönch, sich Gott zu öffnen: Gier, Trägheit, Neid usw.

Daraus hat sich irgendwann die Lehre von den Todsünden in der katholischen Kirche entwickelt.

 

Wir machen im Leben oft die Erfahrung, dass wir uns nicht immer in der Hand haben. Dass uns manchmal Stimmungen oder Gefühle überkommen, mit denen wir zu ringen haben. Dinge, die zu großem Leiden führen können. Solche Leiden sollten durch fachgerechte Therapien oder sonstige Formen angegangen werden. Sie belasten uns und unser Umfeld.

 

Aber die Vorstellung, dass Jesus Dämonen austreibt, meint auch: Nicht alles, was dich belastet gehört zu dir! Manches ist fremd und manches hat eine gewaltige Macht über uns. Aber es gibt einen Unterschied zwischen uns und unserer Last.

 

Ich glaube, die Bezeichnung von solch Gefühlen und Stimmungen, die uns Leiden lassen und uns unter Umständen schlimme Dinge tun lassen, als Dämonen ist so eine mythische Grundlage der reformatorischen Einsicht, dass Person und Werk zu trennen ist.

 

Vieles was wir tun, ist schlecht. Auch wenn wir das meist gar nicht wollen. Niemand handelt perfekt. Aber die Person ist von solchen Handlungen zu unterscheiden. Was nicht heißt, dass wir nicht verantwortlich für unsere Taten sind. Ein Verbrecher ist natürlich zu bestrafen und wir tragen die Verantwortung für unser Handeln. Dabei sollten wir aber immer den Mensch und seine Tat trennen. Oft leidet ein Mensch ja selbst unter sich und seinen Handlungsmustern.

 

Martin Luther schreibt in seiner berühmten Freiheitsschrift, dass wir bestimmt werden, uns nicht selbst in der Hand haben: entweder vom Teufel, oder von Gott. Wir sind nur ein Reittier, schreibt Luther. Was für ein Bild!

 

Wenn man diese Geschichte von der Dämonenaustreibung mit diesem Bild Luthers verbindet, ist dann das Austreiben von Dämonen ein Symbol für einen Neuanfang. Jesus hilft, aus alten unreinen Gewohnheiten, die uns belasten, auszubrechen. Er reißt unsere Hüllen und Fassaden weg und nimmt uns das ab, was uns bestimmt, ohne dass wir das wünschen.

 

Er hilft uns neue Gewohnheiten zu entwickeln. Jesus führt zu einem Neuanfang. Die Liebe Gottes kann frei machen. Wenn wir Jesus darum bitten.

 

Menschen neue Wege zu zeigen, ist für mich eine große Handlung der Liebe. In der Diakonie geschieht das heute in vielen Beratungsstellen. Auch in der Unterstützung von Menschen auf der Flucht, geht es darum, neue Wege aufzuzeigen und hier anzukommen. Ihnen Wohnungen und Arbeit zu geben, dass sie wieder sie selbst sein können.

Wir dürfen die Menschen ansehen und mehr als ihre Last und ihr Äußeres sehen.

Ihre Last macht sie nicht aus, sondern überdeckt einen schönen Kern. Diesen Kern zu suchen, ihm die Last zu nehmen und ihm mit Liebe zu begegnen, das macht Jesus, wenn er Dämonen austreibt.

 

Jesus heilt Menschen und sucht Gemeinschaft

Und alsbald gingen sie aus der Synagoge und kamen in das Haus des Simon und Andreas mit Jakobus und Johannes. 30 Die Schwiegermutter Simons aber lag darnieder und hatte das Fieber; und alsbald sagten sie ihm von ihr. 31 Und er trat zu ihr, ergriff sie bei der Hand und richtete sie auf; und das Fieber verließ sie, und sie diente ihnen. Am Abend aber, da die Sonne untergegangen war, brachten sie zu ihm alle Kranken und Besessenen. 33 Und die ganze Stadt war versammelt vor der Tür. 34 Und er heilte viele, die an mancherlei Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus und ließ die Dämonen nicht reden; denn sie kannten ihn.

 

Jesus predigte, trieb Dämonen aus und heilte: Nun gibt es eine kurze Heilungsgeschichte.

Heilungsgeschichten unterscheiden sich von Dämonengeschichten ja davon, dass hier nicht etwas aus einem Menschen entschwindet, keine Last genommen wird, sondern der Mensch ganz, ja heil gemacht wird.

 

Hier geschieht das durch die Berührung Jesu, durch das Aufrichten der Schwiegermutter des Simons. Jesus hilft Menschen dadurch, dass er ihre Last – mythisch gesprochen ihre Dämonen – von ihnen nimmt. Aber auch dadurch, dass er zu den Menschen geht und sie mit seiner Liebe begegnet.

 

Meine Frau war in dieser Woche leider ziemlich krank. Hatte hohes Fieber und lag eigentlich nur im Bett. Das war keine sehr schöne Zeit.

Und nicht immer – aber doch ab und zu – wenn ich ihr eine kleine Stärkung, einen Tee, oder eine Aspirin oder irgendeinen Snack gebracht habe, konnte ich sehen, wie sie etwas freudiger wirkte. Diese Form der Zuneigung hat einen heilenden Effekt gehabt – zumindest im Kleinen.

Wenn ich dann aber meine Erkenntnisse über Dämonen mit ihr teilen wollte, wurde ich jedoch schnell aus dem Zimmer verbannt.

 

Auch Studien zeigen ja, dass Zuneigung und Liebe Heilungsprozesse beschleunigen. Vor einiger Zeit habe ich gelesen, dass diese alten Sanatorien in den Bergen, die man vielleicht aus Filmen kennt, wirklich auf den Heilungsprozess einen Einfluss hatten. Einen wesentlich positiveren Einfluss als unsere sterilen Krankenhäuser. Aber auch dort ist die Seelsorger oder einfach das Besuchen von Menschen ja so wichtig, weil oft nur in diesen Begegnungen so etwas wie Ruhe einkehren kann. Heilung hat auch eine spirituelle Dimension, wie auch die Medizin selbst erkennt, sodass Krankenhäuser inzwischen teilweise selbst spiritual care teams aufbauen.

 

 

Ich glaube so wie diese Zuneigung funktioniert, so nur viel stärker, wirkt auch die Liebe Jesu. Eine Liebe, die aufrichtet und so sehr wärmt, dass sie uns gesund machen kann. Jesus heilt durch die Gemeinschaft seiner Liebe. Dadurch dass er sich für die Menschen interessiert, zu ihnen geht, sie berührt und bei ihnen ist.

Jesus gibt aber nicht nur Liebe, er empfängt sie auch:

 

Jesus betet

Und am Morgen, noch vor Tage, stand er auf und ging hinaus. Und er ging an eine einsame Stätte und betete dort.

 

Jesus zieht sich immer wieder an einsame Orte zurück, um zu beten. Er sucht die Synagogen, die Besessenen, die Kranken auf, lebt in Gemeinschaft mit den Menschen, die ihn umgeben.

Darin zeigt er seine Liebe. Seine Liebe zu Gott, seinem Vater, für den er sich bewusst Zeit nimmt.

Selbst empfängt er auch Liebe. Niemand kann nur geben, nicht mals Jesus. Wir alle brauchen Zeiten, in denen wir uns zurückziehen können, um Kraft zu tanken.

 

Und zu beten. Wo machen Sie das? Vielleicht hier im Wald? Oder haben Sie ein bestimmtes Ritual? Abends vor dem Schlafen? Morgens beim Frühstück, wenn die Sonne ins Zimmer fällt?

 

Jesus sucht immer wieder Gemeinschaft und betet dort mit anderen Menschen. Aber auch alleine pflegt er seine Beziehung zu Gott. Dort empfängt er viel Kraft und Liebe. Liebe, die ihn Zweifel und Anfechtungen durchstehen lässt.

Das Beten ist seine Kraftquelle. Zum Leben in Liebe gehört das Beten – dass man sich selbst loslassen kann und aus etwas zehrt, dass größer ist als man selbst. Für Jesus und für mich.

 

Wie zeigt sich also die Liebe, die Jesus lebt: Er unterrichtet und er predigt. Er sagt, was Gott sich für die Menschen wünscht. Dabei ist er ganz zugewandt. Er treibt Dämonen aus, er nimmt Menschen ihre Last, die sie daran hindert, die Leben zu führen, die sie eigentlich führen wollen. Er sieht hinter unsere Masken und unsere Fassade und reißt sie weg.

Er heilt Menschen. Er macht sie ganz dadurch, dass er mit ihnen zusammen ist. Dass er nicht von ihnen weicht, sondern an ihrer Seite bleibt. Und er betet. Er sucht die Beziehung zu Gott, weil dort die Quelle seiner Liebe liegt.

 

Das alles rief viel Aufsehen hervor:

Jesu Eindruck in der Welt

36 Und Simon und die bei ihm waren, eilten ihm nach. 37 Und da sie ihn fanden, sprachen sie zu ihm: Jedermann sucht dich. 38 Und er sprach zu ihnen: Lasst uns anderswohin gehen, in die nächsten Orte, dass ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen. 39 Und er kam und predigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa und trieb die Dämonen aus.

 

Jedermann sucht dich. Jedermann sucht diesen Menschen, der so viel Liebe zeigt. Diesen Menschen, der die Liebe ist. Ohne Last und ohne Unvollkommenheit zeigt er uns diese Liebe.

 

Und wir? Wir können auf ihn schauen und wie er zu Gott beten, der die Quelle dieser Liebe ist, damit seine Liebe auch uns erfüllt. Wenn wir diese Liebe leben, folgen wir Jesus nach. Wir werden dabei nicht sein wie Jesus. Auch die Jünger, allen voran Petrus, scheitern ja schon in den Evangelien daran und können das nicht immer tun. Wie soll es da jemals einem Menschen anders gehen?

Aber doch können wir etwas von Liebe spüren, die in Jesus wie in keiner anderen Person auf die Welt gekommen ist. Wir können uns daran orientieren

Dann spüren wir immer wieder: Wir leben die Liebe und die Liebe Gottes lebt in uns.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als jede Vernunft, bewahre Eure Sinne und Herzen in Christus Jesus.

Amen