Predigt, 21.1.2024 2.Könige 5, 1-15a

21.1.2024

J.Berewinkel

Liebe Geschwister, die Menschen im Volk Israel hatten sich immer wieder eine Frage gestellt: Wie stehen wir eigentlich zu den anderen Völkern? Zu den Völkern, die ...

Liebe Geschwister,
die Menschen im Volk Israel hatten sich immer wieder eine Frage gestellt: Wie stehen wir eigentlich zu den anderen Völkern? Zu den Völkern, die Gott nicht kennen? Den Heiden?

Es gibt im AT Aussagen, die könnte man so deuten, dass Gott sich für die anderen Völker nicht interessiert. Gott ist unser Gott. Wir, Israel, sind sein Volk und alle anderen Völker sind ihm schnuppe. Gottlose Heiden sind das, die können ruhig zugrunde gehen. Das ist Gott egal.

Es gibt aber auch Aussagen, die in eine deutlich andere Richtung weisen.

Als Gott den Abraham erwählt hat, aus dem ja das Volk Israel hervorging, sagte er: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein. Durch dich sollen gesegnet werden alle Völker auf Erden.
Also – Abraham bzw. Israel als Werkzeug, durch das Gott allen Völkern Segen bringt.

Und es gibt viele ähnliche Aussagen, wo deutlich wird, dass Gott auch die Heiden, die ihn nicht kennen, erreichen will und dass Israel die Aufgabe hat, diesen Gott bekannt zu machen, dass die Völker ihm also ganz und gar nicht egal sind.

Jesus hat das noch mal sehr deutlich unterstrichen. Wir haben eben in der Lesung gehört, wie er den Diener eines römischen Hauptmanns gesund macht, sich also den Heiden zuwendet und deutlich macht, dass Gott sie genau so liebt.

Jesus hat die Grenzen ganz weit gemacht und seinen Jüngern gesagt: Geht in die ganze Welt und macht alle Völker zu meinen Jüngern!

Gottes Liebe durchbricht die Grenzen, die wir Menschen so schnell aufrichten!

Wir stehen heute als Christen ja vor einer etwas anderen, aber im Grunde doch ähnlichen Herausforderung. Keiner von uns würde sagen: Gott liebt nur die Christen. Alle anderen sind ihm egal.
Oder: Gott interessiert sich nur für die, die zum Gottesdienst kommen. Die anderen, die Sonntagsmorgens lieber gemütlich frühstücken, hat er abgeschrieben. Das würden wir nicht sagen, oder?

Natürlich nicht!
Aber es kann passieren, dass man innerlich doch so eine Haltung entwickelt. Dass man so denkt: Ach, diese Leute, die haben ja sowieso kein Interesse. Warum sollten wir uns noch um die bemühen!
Es kann passieren, dass wir innerlich Menschen abschreiben und aufgeben.

Das mit den andern – das war für das Volk Israel eine Herausforderung und das ist es auch für uns heute.

Und da hinein spricht nun ein Text aus der Bibel. Das ist der vorgeschlagene Predigttext für diesen Sonntag. Ein Bericht aus dem Alten Testament; aus der Zeit, wo in Israel der Prophet Elischa bzw. Elisa wirkte. Er ist einer der wenigen Propheten, von denen berichtet wird, dass durch ihn Wunder geschehen sind.
Es ist außerdem eine Zeit, wo es immer wieder Konflikte und Kriege gab zwischen Israel und seinen Nachbarvölkern. Vor allem der nördliche Nachbar spielte da eine Rolle, das Volk der Aramäer. Die lebten in dem Gebiet vom heutigen Syrien. Die hatten mehrmals Kriege geführt gegen Israel.

Ich lese aus dem 2. Buch der Könige.
Erst mal Kp. 5, 1-7:

5Naaman war der Heerführer des Königs von Aram. Sein König schätzte ihn sehr und hielt große Stücke auf ihn. Denn der Herr hatte bewirkt, dass er für Aram siegreich war. Er war ein Kriegsheld, litt aber an Aussatz.2Die Aramäer überfielen das Land Israel immer wieder.
Einmal hatten sie ein junges Mädchen verschleppt, das jetzt im Dienst von Naamans Frau stand.3Dieses Mädchen sprach zu ihrer Herrin: »Ach, wäre mein Herr doch beim Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz heilen.«4Da ging Naaman zu seinem Herrn und König und berichtete ihm: »Das und das hat das Mädchen aus Israel gesagt.« 5Darauf sagte der König von Aram: »Geh dorthin! Ich werde dir ein Schreiben mitgeben. Es ist für den König von Israel bestimmt.« Naaman ging los und nahm Geschenke mit: 340 Kilogramm Silber, 6000 Goldmünzen und zehn kostbare Kleider.
6So kam er zum König von Israel und übergab ihm das Schreiben. Darin stand: »Wenn du dieses Schreiben erhältst, weißt du: Ich habe meinen Knecht Naaman zu dir geschickt, damit du ihn von seinem Aussatz heilst.« 7Als der König von Israel das Schreiben gelesen hatte, zerriss er seine Kleider. Er sagte: »Bin ich denn Gott? Kann ich töten oder lebendig machen? Da schickt dieser mir einen Mann, den ich vom Aussatz heilen soll! Merkt ihr es? Er sucht nur einen Anlass für Krieg!«

Ein großer Mann wird uns hier vorgestellt.
Naaman.
Oberbefehlshaber der Armee. Sehr angesehen. Sehr erfolgreich. Ein Kriegsheld, der Siegen gewohnt ist. Einer, der Befehle gibt.
Naaman hat alles, was man sich nur wünschen kann:
Macht, Ansehen, Geld, eine wichtige Aufgabe. Erfolg.
Und dann kommt dieses Aber:
Aber er litt an Aussatz.
Aussatz – das meint irgendeine Hautkrankheit. Das kann eine Schuppenflechte gewesen sein oder etwas ähnliches. Es war auf jeden Fall schlimm. Schmerzhaft, hässlich, vielleicht ansteckend. Und darum hielten die Leute Abstand von Naaman. Er galt als unrein.
Ein großer Mann, aber aussätzig.

Solche Leute gibt es auch heute.
Manchmal denkt man ja: Mit dem und dem würde ich gerne tauschen: Der hat so einen tollen Beruf! Die hat so ein tolles Haus. Der verdient so gut. Die haben so eine wunderbare Familie! Und manchmal kann da so ein bisschen Neid aufkommen. Kennt Ihr das?

Aber wenn man genauer hinschaut: Fast jeder Mensch hat auch so ein „Aber“. Fast jeder von uns hat so eine wunde Stelle in seinem Leben.
Manchmal sichtbar wie bei Naaman.
Oft auch unsichtbar. Alle denken: Wow, was für ein toller Typ, was für ein tolles Leben. Und ahnen nichts von dieser Wunde, die so weh tut.
Naaman, ein großer Mann mit einem großen Aber.
Und dem gegenüber steht jetzt ein kleines Mädchen.
Sie kommt aus Israel, ist verschleppt worden von aramäischen Soldaten. Erschreckend aktuell ist das! Da fällt einem natürlich sofort der Überfall der Hamas ein, die ja auch Menschen verschleppt haben. So ist dieses Mädchen mit Gewalt geraubt worden. Wer weiß, was man mit ihren Eltern gemacht hat! Wie schlimm muss das gewesen sein für dieses Kind!
Und jetzt ist sie Sklavin im Haus von Naaman. Vielleicht schon seit Jahren.
Sie erlebt mit wie Naaman unter dieser Hautkrankheit leidet. Und sie erzählt ihrer Herrin von Elischa, dem Propheten, der in Samaria wohnt, im Nordreich Israels.

Das ist doch erstaunlich, oder?
Dieses Mädchen hätte ja allen Grund gehabt, Naaman und alle Aramäer zu hassen oder zu denken: Geschieht dem doch recht.

Aber das tut sie nicht.
Statt dessen gibt sie ihm den entscheidenden Tipp, der letztlich zu seiner Heilung führen wird.

Dieses Mädchen ist eine Zeugin. Sie ist eine kleine Missionarin. Und sie gibt uns ein Modell, was Mission bedeutet.
Mission heißt ja nicht, andere Leute zutexten oder sie überreden. Sondern Mission ist das, was dieses Mädchen macht: Auf einen anderen verweisen: Da ist ein Gott, der kann dir helfen. Wende dich doch an ihn! Mission heißt, eine gute Nachricht nicht verschweigen, sondern mit anderen teilen.

Und das tut das Mädchen über die Grenzen von Nation und Religion und Sympathie hinweg!
Sie macht damit deutlich: Dieser Gott, von dem der Prophet Elischa erzählt, ist für jeden Menschen da. Und jeder Mensch ist ihm wert und wichtig. Da gibt es keine Menschen erster und zweiter Klasse.
Und das ist doch auch hochaktuell! In einer Situation, wo die AfD versucht, Menschen mit Migrationshintergrund als Menschen zweiter Klasse darzustellen, die man aus dem Land vertreiben soll. Das darf nicht sein! Es ist definitiv das Gegenteil von dem, was uns die Bibel sagt. Und es ist gut, wenn Menschen jetzt dagegen aufstehen und auf die Straße gehen. Heute Nachmittag übrigens auch in Bonn!

Also – ein großer Mann und ein kleines Mädchen, das ihm den entscheidenden Hinweis gibt.

Naaman greift den Tipp auf und agiert jetzt, wie er es gewohnt ist, Probleme zu lösen.

Er wendet sich an seinen Chef, den König von Aram.
Und der wendet sich wieder an den König von Israel, sozusagen den Chef vom Propheten Elischa.
Die Großen dieser Welt agieren ja am liebsten auf den höheren Ebenen.
Wer Chef ist, der wendet sich nicht an irgendeinen kleinen Sachbearbeiter, sondern direkt an die Chefetage.
Naaman und der König von Aram denken wohl: So einem kleinen Wunderpropheten wird man doch wohl einen Befehl erteilen können. Also, König von Israel, erteile mal den Befehl auf Heilung!

Wir bezahlen ja auch gut: Kiloweise Silber und Gold.
Naaman lässt sich nicht lumpen. Das müsste doch wohl reichen für eine Heilung.

Beziehungen nutzen, befehlen, bezahlen – das ist die Strategie, die Naaman kennt, um seine Ziele zu erreichen und seine Probleme zu lösen.

Israels König sieht das übrigens ganz anders. Der ist total entsetzt und versteht das als schiere Provokation: Die wollen einen Krieg anfangen!

Wie geht es nun weiter? Wir lesen den nächsten Abschnitt:

8Elischa, der Gottesmann, hörte davon, dass der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte. Deshalb schickte er eine Botschaft zum König: »Warum hast du deine Kleider zerrissen? Naaman soll zu mir kommen. Dann wird er erkennen, dass es in Israel einen Propheten gibt!« 9So kam Naaman mit Pferden und Wagen zu Elischa und hielt vor der Tür seines Hauses.10Elischa schickte einen Boten zu ihm hinaus: »Geh und wasch dich siebenmal im Jordan! Dann wird deine Haut gesund und du giltst wieder als rein.« 11Doch Naaman wurde zornig. Er wollte weggehen und sagte: »Ich dachte, er selbst kommt zu mir heraus und stellt sich vor mich hin. Dann ruft er den Namen des Herrn an, seines Gottes, und bewegt seine Hände über der Stelle, und so heilt er mich vom Aussatz. 12Abana und Parpar, die Flüsse von Damaskus, sind die nicht viel besser als alle Gewässer Israels? Dann hätte ich mich gleich dort waschen können, um wieder gesund zu werden!« Voller Zorn drehte er sich weg und wollte gehen.

Jetzt wird es spannend.
Naaman kommt also vorgefahren bei Elischa, mit seinem ganzen Tross: Kutschen, Pferde, Diener, ein Trupp Soldaten, ein Wagen mit dem ganzen Gold und Silber. So kann man schon Eindruck machen.

Aber Elischa guckt sich das gar nicht an. Er schickt nur einen Boten raus und lässt Naaman ausrichten, was er tun soll: 7 mal Waschen im Jordan!

Naaman wird rot vor Zorn!
So etwas ist er nicht gewohnt.
Er ist es gewohnt, dass man ihm gehorcht, dass man ihn auf jeden Fall mit Respekt behandelt.

Naaman hat auch genaue Vorstellungen, was der Prophet tun soll:
Natürlich soll er persönlich erscheinen und für ihn beten und mit seinen Händen über die wunde Haut fahren.
So stellt er sich das vor, und genau so, wie er sich das vorstellt, soll Gott und der Prophet gefälligst wirken!

Naaman geht es total gegen den Strich, dass der Prophet so völlig anders agiert als er sich das gedacht hat.

So etwas ähnliches gibt es auch heute: Menschen machen sich so ein Bild, was Gott zu tun hat: Wenn es einen Gott gibt, dann müsste er doch…! … dann darf er doch nicht …

Wir machen uns so eine Vorstellung von Gott und seinem Tun. Und wenn er es dann nicht so macht wie wir uns das vorstellen, dann sind wir enttäuscht und sagen: Dieser Gott kann mich mal. Den gibt’s ja doch nicht.

Ich kenne manche Menschen, die Kontakt mit Gott aufgenommen haben, die angefangen haben zu beten, aber sich dann irgendwann enttäuscht wieder von Gott abgewendet haben, einfach weil Gott nicht ihren Vorstellungen entsprochen hat.

So hätte diese Geschichte von Naaman enden können – mit einer großen Enttäuschung. Aber zum Glück geht sie weiter.

Ich lese die letzten Verse:

13Da traten seine Diener an ihn heran und sagten zu ihm: »Herr, was wäre gewesen, wenn der Prophet etwas Großes von dir verlangt hätte? Hättest du es dann nicht getan? Doch er sagte nur: ›Wasch dich und du wirst gesund.‹ Warum tust du das dann nicht?«14Also stieg er doch zum Jordan hinab und tauchte siebenmal unter, wie es der Gottesmann gesagt hatte. Da wurde seine Haut gesund wie die Haut eines Kindes, und er galt wieder als rein. 15Darauf kehrte er wieder zum Gottesmann zurück, zusammen mit seinem ganzen Gefolge. Er trat vor ihn hin und sagte: „Nun weiß ich, dass es nirgendwo ein Gott gibt außer in Israel. Er ist der einzige Gott auf der ganzen Welt.“

Wieder sind es die kleinen Leute, die dem Naaman den richtigen Hinweis geben. Seine Diener reden auf in ein mit ziemlich vernünftigen Argumenten: Es kostet dich doch nichts, das mal auszuprobieren. Du verlierst doch nichts, wenn du dich im Jordan wäschst.

Grummelnd willigt Naaman ein. Es kostet ihn nichts. Aber es kostet ihn doch eine Menge: Er muss seinen Stolz überwinden. Er muss vom hohen Ross herunter. Der große Mann mit der hohen Position muss ganz tief hinab. Wortwörtlich.
Ihr wisst ja vielleicht: Der Jordan liegt tief im Jordantal. Von Samaria aus geht es sehr tief hinab, hinunter in die Senke.
Und dort muss er von seinem hohen Pferd absteigen, muss sich ausziehen und dann noch tiefer runter in den Jordan steigen und dort tief untertauchen. Es ist fast so etwas wie eine Taufe.
7 mal tief herunter in das Wasser.

Dieser stolze Mann, der sein Problem mit guten Beziehungen, mit Befehlen und mit Geld lösen wollte, der muss alle seine eigenen Möglichkeiten aufgeben, muss ganz klein werden, ganz arm, ganz nackt.

Das ist manchmal so, bis heute.
Manchmal muss ein Mensch erst mal zu dem Eingeständnis kommen: Ich schaffe es alleine nicht. Ich bin mit meinen Möglichkeiten am Ende. Ich kann Gott nicht manipulieren. Ich habe auch keinen Anspruch auf seine Hilfe. Ich stehe vor Gott nackt, mit leeren Händen und kann ihn nur bitten.
Mehr nicht.

Und dann erlebt Naaman ein doppeltes Wunder.
Er erfährt Heilung. Seine Hautkrankheit verschwindet. Das ist großartig.
Aber er erlebt ein zweites Wunder: Er sucht Heilung und er findet Gott.
Naaman weiß ja, dass es nicht das Jordanwasser war, das ihn gesund gemacht hat. Er weiß auch, dass es nicht Elischa war, der irgendwelche Tricks draufhat, sondern dass Gott dahintersteckt.
Naaman erfährt, dass dieser Gott real ist.
Ein Gott, der souverän agiert, wenn man sich ehrlich auf ihn einlässt.

Naaman – ein großer Mann, der von kleinen Leuten die entscheidenden Hinweise bekommt; der vom hohen Ross heruntersteigt, klein und nackt wird und so den Gott entdeckt, der für alle Menschen da ist.

Und der Friede dieses Gottes, der alle Vernunft übersteigt, bewahre eure Herzen und Gedanken in Jesus Christus.

Amen.