Predigt, 30.1.2022 Ex. 3, 1-5

30.1.2022

J.Berewinkel

Liebe Geschwister! (Bild: Spiegel) Wenn man morgens ins Bad geht und in den Spiegel guckt, dann kann das ziemlich ernüchternd sein. Da siehst du dich wie du bist: ungeschönt ...

Liebe Geschwister!

(Bild: Spiegel)
Wenn man morgens ins Bad geht und in den Spiegel guckt, dann kann das ziemlich ernüchternd sein.
Da siehst du dich wie du bist:
ungeschönt und unverhüllt.
Siehst alle Falten und Pickel, die Speckrollen, die grauen Haare.

Manche finden sich ja ganz toll, wenn sie den Spiegel schauen. Aber für die Mehrheit von uns ist so ein Blick eher – vielleicht nicht deprimierend, aber eben – ernüchternd.

Dazu kommt noch: wenn du jenseits der 30 bist, dann ahnst du: besser wird es wohl nicht mehr! In fünf Jahren wirst du kaum hübscher aussehen. Ein Blick in den Spiegel zeigt uns die nüchterne Realität.

Was wäre wohl, wenn Gott uns einen Spiegel schenkt? Einen, wo wir nicht nur unseren Körper sehen, sondern unser Leben?
Einen, wo wir uns sehen wie Er uns sieht?
Einen Spiegel, der uns zeigt, wie wir in Gottes Augen sind, und der uns zeigt, was aus uns noch werden kann mit Gottes Hilfe?
So eine Art Verheißungsspiegel?!

Gott hat dem Mose so einen Spiegel geschenkt.

Mose! Seine Vorgeschichte kennen Sie bestimmt: Er war Kind einer israelischen Familie. Das Volk lebte damals als Sklavenvolk in Ägypten. Mose wird von der Mutter ausgesetzt, damit er nicht umgebracht wird. Er wird von einer ägyptischem Prinzessin gefunden und adoptiert. So kommt er an den Hof des Pharao, wird da erzogen, hat eine glänzende Karriere vor sich.

Doch dann passiert, was nie hätte passieren dürfen. Er sieht, wie ein ägyptischer Aufseher einen israelischen Sklaven verprügelt. Und vor lauter Zorn schlägt Mosel zu. So feste, dass der Ägypter tot am Boden liegt. Das riecht nach Putsch. Mose flieht Hals über Kopf in die Wüste, ins Niemandsland, und hält sich dort versteckt.

Er bekommt Anschluss an eine Nomadenfamilie und lebt als einfacher Hirte. Jahrelang.
Es ist ein total monotones Leben. Jeden Tag die gleiche Routine. Morgens eine Kleinigkeit essen, dann raus mit den Schafen und Ziegen, einen Ort suchen, wo die etwas zu fressen finden. Den ganzen Tag ist er draußen in der Einsamkeit. Hört nichts als das Blöken der Schafe. Sieht nichts als Wüste, als Steine und Dornsträucher.

Aber eines Tages erlebt er etwas, das seinem Leben noch einmal eine völlig neue Richtung gibt:

Lesung Ex. 3, 1-5:

„Mose hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Wüste hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus einem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er: Ich will hingehen und diese wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.“

Der brennende Dornbusch.

(Bild: Dornbusch)

Ich möchte gern mit Ihnen über diesen Busch nachdenken.

Dornbüsche gibt es tausendfach in der Wüste Sinai. Aber dieser Busch ist besonders. In diesem Dornbusch begegnet Gott dem Mose.

Warum wählt sich Gott diesen Dornbusch aus, um Mose zu begegnen? Warum zeigt er sich so?

Ich glaube, dass Gott in diesem Dornbusch dem Mose einen Spiegel vorhält.

Mose sieht darin in einem Moment sein ganzes Leben: Ja, mein Leben ist wie so ein Dornbusch!
Alt. Unbedeutend. Wertlos. Ein verfluchtes Leben.

Und wie so oft denkt er zurück. Früher war ja alles anders gewesen. Da hatte er am Hof des Pharao ein fantastisches Leben. Mose erinnert sich noch genau an alles. Er sieht noch die großen Hallen, den edlen Marmor im Palast. Er spürt noch, wie gut sich die feinen Stoffe auf der Haut angefüllt haben. Erinnert sich, wie köstlich die Datteln und Feigen, die gebratenen Wachteln und der Wein geschmeckt haben.

Und es war ja nicht nur der Luxus, den er genossen hatte. Er gehörte zur Elite des Landes. Wie die anderen Prinzen durchlief er eine Spitzenausbildung. Lernte Mathematik und Astronomie, Geographie und die Kriegskunst; war auf der Höhe der Wissenschaft; wurde darauf vorbereitet, ein bedeutendes Amt, eine Führungsrolle in Ägypten auszuüben.

Und Mose wusste auch: irgendwie hatte Gott da seine Finger im Spiel. Gott hatte seine Pläne mit ihm. Er war ja auch so kurioserweise an den Hof gekommen. Bestimmt wollte Gott durch ihn etwas Großartiges bewirken. Es hätte alles so toll werden können.

Aber dann ist diese Katastrophe passiert. Dieser eine Fehler. Dieser eine Moment, als er die Beherrschung verloren hatte. Wo er in seiner Wut einfach zugeschlagen hatte. Und alles war dahin; mit dieser einen Tat hatte er sein ganzes Leben verpfuscht.

Vielleicht sind manche hier, die etwas Vergleichbares erlebt haben. So einen Moment im Leben, wo du denkst: Wäre das doch nur nicht passiert! Hätte ich doch damals nur nicht…, dann wäre alles anders geworden.
Hätte ich damals doch nur den Mund gehalten!
Wäre ich damals nur etwas mutiger gewesen!
Hätte ich da doch nur besser aufgepasst!
Hätte, hätte… Aber das ist vorbei. Es ist passiert. Und jetzt musst du mit den Folgen leben.

Ich glaube, dass Mose in den Jahren in der Wüste unzählig oft dieses Hätte-hätte-Fahrradkette-Spielchen durchgespielt hat.

Und nun steht er vor diesem Dornbusch und denkt: So bin ich, wie dieser Busch. So ist mein Leben: Alt, verstaubt und total unbedeutend. Ich war mal Prinz. Und jetzt bin ich ein Niemand. Eine Null. So unwichtig und unnütz wie dieser Dornbusch. Ein paar Jahre lebe ich noch und dann ist es vorbei. Dann werde ich verscharrt im Wüstensand und kein Mensch wird mehr nach mir fragen.
Mose sieht in den Dornbusch und sie darin sich selber.

Aber in diesem Spiegel, den Gott dem Mose vorhält, entdeckt Moose noch etwas anderes. Der Dornbusch brennt, aber er verbrennt nicht! Da brennt ein Feuer in diesem Busch, dass nicht aus der Kraft des Holzes lebt. In diesen ollen Wüstenstrauch steckt eine Energie, die nicht aus dem Busch selber kommt.

Und als Mose näher heran geht, entdeckte er: Gott selbst wohnt in diesem Gewächs. Er spricht aus dem Busch zu ihm. Es ist sein Feuer, dass den Busch brennen lässt.

Jahre später nennt Mose Gott einmal „den, der im Dornbusch wohnt“.

Gott wählt sich das unbedeutendste, unschönste, verachtetste Gewächs der Wüste aus und wohnt darin.

Und auch das wird dem Mose zu einem Spiegel: Mein Leben ist so ein alter, unbedeutender Dornstrauch.
Aber Gott wohnt darin!
Gott wirkt darin.
Gott brennt darin.

Und in dieser Begegnung am Dornbusch erfährt Mose eine neue Berufung. So geht nämlich unser Bericht weiter. Mose erfährt: Mein Leben ist noch nicht am Ende. Gott will durch mich wirken. Er will durch mich mein Volk erlösen. Mein Leben hat noch einen Sinn. Und so wird Mose zum Führer seines Volkes. Er wird zurückkehren nach Ägypten und das versklavte Volk Israel in die Freiheit führen.

Mose dachte, sein Leben würde einfach versanden. Aber jetzt erfährt er, dass die größte Aufgabe noch vor ihm liegt. Er wird es, der ein ganzes Volk in die Freiheit führen wird.

Wenn man die Berichte der Bibel liest, dann merkt man, wie zerbrechlich dieser Mann war, wie er an sich selber zweifelt. Wie oft er das Gefühl hat: Das schaffe ich nicht. Die Aufgabe ist mir zu groß.
Aber dann ist da immer wieder diese erstaunliche Kraft in ihm, dieses Feuer, das von innen brennt.

Es ist ganz ähnlich, wie wir es vorhin bei Paulus in der Lesung gehört haben:

Der war ja auch oft am Rande seiner Kräfte, verfolgt und verprügelt und fix und fertig. Aber er hatte einen Schatz in sich, eine Kraft von Gott. Darum, sagt er, werden wir nicht müde.

Ein brennender Dornbusch.

Gott ist auch heute der Gott, der in Dornbüschen wohnt. Durch den Propheten Jesaja sagt Gott einmal: Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum. Und bei denen, die zerschlagenen und demütigen Geistes sind. (Jesaja 57,15)

Der große Gott wohnt am liebsten bei kleinen Leuten. Er wohnt in Stall und Krippe und bei Menschen, die ihre Grenzen kennen gelernt haben. Die wissen dass sie nicht alles selber packen. Und die bereit sind, sich von ihm helfen zu lassen.

Ich habe vor ein paar Jahren bei einer Konferenz eine Frau kennen gelernt, die war wie so ein brennender Dornbusch. Eine Inderin, Pranitha Timothy heißt sie. Sie hat als junge Frau ihr Leben Jesus hingegeben, wollte ihm dienen und sich für andere Menschen einsetzen.
Sie hatte in der Bibel die Aufforderung Gottes gelesen: Tu deine Stimme auf für die Unterdrückten! Das wollte sie tun. Sie wollte sich für die unterdrückten Menschen in Indien einsetzen. Dort gibt es viele, die als Sklaven leben. Die von Firmenbesitzern zur Arbeit gezwungen werden.
Ich wusste nicht dass es so etwas heute noch gibt, aber in Indien ist das nicht selten.

Pranitha wollte für diese Menschen ihre Stimme erheben und für ihre Befreiung kämpfen. Doch dann bekam sie Krebs. Einen Tumor im Hals. Der Tumor konnte entfernt werden, aber ihre Stimmbänder sind seitdem schwer beschädigt.

Wir haben sie auf dieser Konferenz erlebt: eine ganz zierliche, kleine Frau mit einer fiepsigen, dünnen Stimme. Kaum zu hören. Aber sie hat diese Berufung Gottes gehört: Tu deinen Mund auf für die Unterdrückten! Und nun setzt sie sich für diese Menschen ein. Sie geht in die Fabriken, wo die Sklaven versteckt werden. Sie redet mit den Firmenbossen und begibt sich dabei in große Gefahr. Sie redet mit der Polizei und erlebt korrupte Beamte und Verschleierungen und böse Verstrickungen. Immer wieder wird sie bedroht.
Aber sie macht weiter. Äußerlich so zierlich, so schwach, so stark eingeschränkt mit ihrer Stimme Aber in ihr brennt ein Feuer, eine Leidenschaft. Ein brennender Dornbusch!

Vielleicht fühlen sich manche von Ihnen gerade wie so ein Dornbusch: Kraftlos und unbedeutend.
Wer bin ich schon?
Wozu bin ich noch nütze?

Dann schau dir diesen brennenden Dornbusch an!
Du siehst darin einen Spiegel!
Gott möchte ihn dir wohnen. Er will dich anstecken mit seiner Leidenschaft und Liebe!
Und wenn ER in dir wohnt und brennt, dann wirst du leuchten! Du wirst Wärme und Licht ausstrahlen.

Der im Dornbusch wohnt, der will auch in dir wohnen!

Amen.