Predigt, 31.10.21 (Mt. 14, 22-33)

31.10.2021

J.Berewinkel

(Vorausging Pantomime von Konfis) Haben Sie erkannt, was für eine Szene das war, die die Konfis dargestellt haben? … Was erinnern Sie von dieser Geschichte? … Text lesen: ...

(Vorausging Pantomime von Konfis)

Haben Sie erkannt, was für eine Szene das war, die die Konfis dargestellt haben? …
Was erinnern Sie von dieser Geschichte? …

Text lesen: Mt. 14, 22-33 (Basisbibel)

In der Lutherbibel hat diese Episode die Überschrift „Der sinkende Petrus“. Petrus, dieser vorlaute Kerl, der immer der erste sein will, der geht baden. Jemand hat diesem Bericht mal eine ganz originelle Überschrift gegeben: „Ins Wasser fällt ein Stein“. Petrus heißt ja „Fels“ oder „Stein“ und der fällt hier ins Wasser.
Selber schuld, könnte man sagen. Das hat man davon, wenn man so übermütig ist.

Aber es wäre doch etwas unfair, wenn wir Petrus hier nur als den Versager sehen, als den sinkenden Petrus.

Für mich ist er erst einmal „der mutige Petrus“.
Denn Mut hat er hier wirklich bewiesen.

Versetzen wir uns noch mal in die Situation: Petrus und die anderen Jünger rudern auf dem See Genezareth. Ein großer See. Sie haben Gegenwind. Der bläst ihnen ins Gesicht und die Wellen rollen gegen das Boot. Sie kommen beim Rudern kaum vorwärts. Es ist schon tief in der Nacht. Die Männer sind frustriert und k.o.

Und dann kommt Jesus. Wie aus dem Nichts. Er schwebt über das Wasser. Schwer vorstellbar. Irgendwie außerirdisch. Die Jünger kriegen erst mal einen riesigen Schrecken, halten ihn für ein Gespenst und schreien vor Angst!

Jesus beruhigt sie. „Ich bin’s doch! Ihr braucht keine Angst haben!“
Es ist so ähnlich wie in den Tagen nach der Auferstehung, als Jesus durch verschlossene Türen kommt und plötzlich da ist und das gleiche sagt.
„Ich bin’s! Habt keine Angst!“

Und jetzt kommt dieser Petrus-Moment. Er sagt: „Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, zu dir zu kommen!“
Ich weiß nicht, was da in ihn gefahren ist. Er war ja so ein spontaner Typ, der schneller reden als denken konnte. Vielleicht hatte er die Idee: Bei Jesus ist alles möglich! Da kann sogar ich unmögliche Dinge tun.
Oder er wollte einfach so nah wie möglich bei Jesus sein.

Auf jeden Fall sagt Jesus: Komm!

Und auf sein Wort hin kommt er.

Das ist wichtig.
Er ist nicht einfach so losgestürmt.
Sondern er wartet, dass Jesus ihn ruft.
Auf sein Wort hin.

So ähnlich war das schon bei seiner Berufung gewesen. Da hatte Petrus auch im Boot gesessen und hatte eine ganz Nacht lang versucht, Fische zu fangen aber nichts gefangen. Und Jesus hatte ihm gesagt: Wirf dein Netz noch mal aus! Petrus sagte: Das hat ja eigentlich gar keinen Sinn, aber auf dein Wort hin mache ich es.

Also – Jesus sagt: Komm!

Und nun macht Petrus etwas wirklich Mutiges. Er steigt aus dem Boot. Er verlässt das sichere Terrain, den vertrauten Bereich und setzt seinen Fuß auf’s Ungewisse.

Auf dem Wasser laufen – das heißt: da gehen, wo man keinen Halt hat, wo man nicht mehr auf festem Boden steht und wo es keine Sicherheit gibt.

Petrus läuft auf dem Wasser. Er hat dabei den Blick ganz auf Jesus gerichtet.
Er wagt den Schritt aus dem Boot im Vertrauen auf sein Wort und im Vertrauen auf seine Macht.
Der mutige Petrus.

Mich erinnert das an die Zeit, wo wir unseren Kindern das Schwimmen beigebracht haben.
Wir waren da mit ihnen im Schwimmbad. Die Kinder hatten ihre Schwimmärmchen an und hielten sich am Beckenrand fest. Und dann sind meine Frau oder ich so ein paar Meter ins Wasser raus und haben ihnen gesagt: Komm, schwimm zu mir!
Und dann sind sie losgeschwommen. Den Blick ganz auf uns als Eltern gerichtet, mit hektischen Strampelbewegungen, hinein in unsere Arme.
Vom sicheren Beckenrand durch das unsichere Wasser in sichere Arme.

Und so macht es Petrus: Steigt aus dem sicheren Boot, über das unsichere Wasser, auf Jesus zu.

Manchmal ist es im Leben wichtig, die Komfortzone zu verlassen und sich aufs offene Wasser zu begeben.

Genau so hat es Martin Luther gemacht. Heute am Reformationstag denken wir daran.
Luther hätte ja als Mönch in seiner sicheren Klosterzelle bleiben können. Er hätte da seine Bibel studieren und Kommentare schreiben können. Er hätte sich seine kritischen Gedanken zum Zustand der Kirche machen und sie einfach für sich behalten können.
Und dann hätte er ein ruhiges Leben gehabt, wäre ein angesehener Theologieprofessor gewesen und ein lieber Mitbruder im Kloster. Keiner hätte sich aufgeregt. Er hätte keinen Stress gehabt. Alles wäre ruhig und friedlich geblieben und keiner von uns würde ihn heute kennen.

Aber Martin Luther war durch Gottes Worte aufgerüttelt worden. Gott hatte zu ihm gesprochen durch die Bibel. Luther entdeckte, dass dieser Gott, vor dem er immer so Angst hatte, uns Menschen liebt, richtig liebt, dass er uns seine Liebe und Vergebung durch Jesus einfach schenkt, und dass dieses ganze Geschacher mit dem Ablass und sich Freikaufen von den Sünden eine furchtbare Perversion des Evangeliums ist.

Jesus rief ihn: Komm!
Gib deine Entdeckung weiter! Das sollen die Menschen wissen.

Und so stieg Luther aus dem Boot. Er verließ seine Komfortzone, seine Studierstube, und er begab sich aufs Wasser. Er ging in die Öffentlichkeit, schlug seine 95 Thesen an, schrieb Briefe an Kirchenobere und an den Papst, schrieb Bücher und predigte dem Volk, ging nach Worms auf den Reichstag und stand vor dem Kaiser.

Das war alles ein Laufen auf dem Wasser.
Er wusste nicht, wo das hinführen würde. Er hatte keine Sicherheiten, keinen Masterplan, keine Unfallversicherung.
Er hatte nur das Wort von Gott. Darauf vertraute er und ging los.
So kam eine Reformation der Kirche zustande.

Und jetzt kommen wir von Petrus über Luther zu uns. Ich glaube, dass es auch in unserem Leben Momente gibt, wo es genau diesen Schritt braucht: Den Schritt aus dem Boot aufs Wasser. Aus der Sicherheit und Vertrautheit in das Unsichere und Fremde, wo wir keinen festen Boden unter den Füßen haben.

Es gibt Situationen im Leben, wo wir nur weiterkommen, wenn wir bereit sind, die Komfortzone zu verlassen und mutig etwas zu wagen.

Manchmal brauchen wir in unserer beruflichen Entwicklung den Mut zu so einem Schritt. Für mich war der Wechsel der Pfarrstelle so ein Schritt aus dem Boot.
Manchmal ist auch in einer bestimmten Beziehung so ein Schritt nötig. Oder was die Wohnsituation angeht. Oder auch in unserer Glaubensentwicklung.

Wo ist das in deinem Leben dran: Aus dem sicheren Boot zu steigen und einen Fuß aufs Wasser zu setzen?
Wo sagt Gott zu dir: Komm!
Komm raus aus dem Boot! Komm zu mir! ?

Petrus ist mutig. Er steigt aus und läuft auf dem Wasser.
Jedenfalls ein paar Schritte.
Aber dann sieht er auf die Wellen.
Er sieht nicht mehr auf Jesus, sondern sieht nur noch das Wasser, die Gefahr, wie unmöglich das ist, was er da gerade macht. Sein Vertrauen ist weg, und er versinkt im Wasser.
Der sinkende Petrus.

Wie gut, dass das da so ehrlich steht, dass die Evangelisten Petrus nicht zum Heiligen stilisiert haben, sondern ihn so beschrieben haben, wie er wirklich war: Einer, der Zweifel hat, der einschläft, wo er wach sein sollte, der seinen Herrn verleugnet und hier vor Angst im Wasser versinkt. Sein Mut und sein Glaube trägt ihn nicht weit.

Luther hat es übrigens ganz ähnlich erlebt. Er war ja auch nicht der Glaubensheld, sondern er hatte immer wieder tiefe Zweifel und Anfechtungen. Er schreibt darüber auch ganz ehrlich in seinen Briefen. Diese Selbstzweifel: Was mache ich denn hier nur? Ist das nicht vermessen, wenn ich als kleiner Mönch mich gegen die ganze Kirche auflehne?
Er war auf dem Reichstag in Worms aufgefordert worden, seine Schriften zu widerrufen. Und er hat sich bis zum nächsten Tag Bedenkzeit erbeten. Die ganze Nacht war er wach, war hin- und hergerissen, kämpfte mit sich und betete und wusste nicht, was er machen soll. Bis er dann zu der Überzeugung kam: Das einzig wirklich Sichere ist das Wort Gottes. Und so sagte er das dann vor dem Kaiser, dass sein Gewissen an Gottes Wort gebunden ist und er dazu steht, ganz gleich, was das für Konsequenzen hat.

Wenn wir es wagen, das Boot zu verlassen und den Fuß aufs Wasser zu setzen, dann werden wir das auch erleben, dass Zweifel kommen und Anfechtungen – wie Petrus und Luther das erlebt haben. Wir werden vielleicht das Gefühl haben, im Wasser zu ertrinken.

Und jetzt kommt die schönste Stelle in dieser ganzen Episode:

Petrus versinkt und er schreit zu Jesus: Rette mich!

Und dann heißt es: „Sofort streckte Jesus ihm die Hand entgegen und hielt ihn fest.“

Sofort! Ohne Zögern. Jesus streckt die Hand aus und ergreift den sinkenden Petrus. Er hält ihn fest.
Der gehaltene Petrus.

Das ist das Entscheidende.
Wenn wir es wagen, aus dem Boot zu steigen und aufs Wasser zu gehen, dann tun wir es nicht im Vertrauen auf unsere großen Fähigkeiten, nicht im Vertrauen, dass unser Glaube stark genug ist.
Sondern wir können den Schritt aufs Wasser wagen, weil Jesus da ist.
Er streckt uns die Hand entgegen, und er hält uns.
Egal wie groß oder wie klein mein Glaube gerade ist – er hält mich.

Vielleicht können wir es jetzt so machen, dass wir vor dem „Amen“ einen kurzen Moment Stille haben, wo Sie einmal überlegen und horchen: Wo ruft Gott mich? Wo sagt mir Jesus „Komm?“ Wo ist es für mich dran, das Boot zu verlassen und einen Schritt aufs Wasser zu gehen?

Stille

Jesus sagt: „Komm!“ und wir können den Schritt aufs Wasser wagen, weil ER uns hält.
Amen.