Predigt, 4. Advent 2021 (Lk.1,67-79)

19.12.2021

J.Berewinkel

Liebe Geschwister, welche Besuche planen Sie an Weihnachten? Wir sind ja in diesem Jahr sehr vorsichtig. Manche von Ihnen sagen vielleicht: In diesem Jahr werden alle Besuche gestrichen ...

Liebe Geschwister,
welche Besuche planen Sie an Weihnachten?
Wir sind ja in diesem Jahr sehr vorsichtig.
Manche von Ihnen sagen vielleicht: In diesem Jahr werden alle Besuche gestrichen – als Vorsichtsmaßnahme.
Und andere sagen: Wir machen es nur im kleineren Kreis.
Und noch andere sagen: Wir machen die Besuche wie immer, aber testen uns vorher noch mal oder sind geboostert.
Wie auch immer Sie das machen: Besuch oder Nicht-Besuch – das ist ein wichtiges Thema in den Weihnachtstagen.

Im Predigttext für heute geht es auch um Besuch.
Um einen Besuch ganz anderer Art.
Zacharias kündigt diesen Besuch an. Zacharias, der Vater von Johannes dem Täufer.

Lesen: Lk. 1, 67-79

Zacharias wurde vom Heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten –, dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund, an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand der Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen. Und du, Kindlein, wirst Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

9 Monate hatte Zacharias geschwiegen.
Er musste schweigen.
Er war stumm gewesen.
Gott hatte ihm den Mund verschlossen.

Er hatte ja vor 9 Monaten eine Begegnung mit einem Engel gehabt. Sie erinnern sich vielleicht an diese Sache:
Zacharias war im Tempel in Jerusalem gewesen. Er war ja Priester, tat seinen Dienst im Inneren des Tempels. Und da war ihm ein Engel erschienen.

Der hatte ihm gesagt: Deine Frau Elisabeth und du, ihr werdet ein Kind bekommen! Und das, obwohl sie eigentlich viel zu alt dafür waren. Und er sagte, dass er dieses Kind Johannes nennen soll, dass er ein Prophet werden wird und die Menschen auf den Messias vorbereiten wird.

Aber Zacharias war voller Skepsis. Er konnte sich das nicht mehr vorstellen, wollte Beweise.

Und dann legt ihm Gott eine Zeit des Schweigens auf. Zacharias kann nicht mehr sprechen.
Und wenn du als Priester oder Pastor nicht mehr sprechen kannst – das ist schon schlimm! Das kann ich euch sagen!
Da hast du auf einmal ganz viel Zeit nachzudenken.

9 Monate Schweigen. 9 Monate Nachdenken.
Zacharias sieht staunend, wie sich bei seiner Frau Elisabeth der Bauch wölbt. Er sieht, dass das, was der Engel gesagt hat, wahr wird.

Er liest die Heiligen Schriften, die Propheten. Er liest, was sie über den Messias, den Christus gesagt haben.
Und dass da ein Prophet kommen wird, der die Menschen darauf vorbereiten soll.
Und ihm wird klar: Jetzt ist diese Zeit!
Jetzt erfüllt sich das, was die Propheten vor Generationen angekündigt haben!

Und dann, nach 9 Monaten Schweigen, kommt die Geburt. Ein Sohn kommt zur Welt.

Und als er auf ein kleines Täfelchen schreibt, dass dieser Sohn Johannes heißen soll, da platzt der Knoten.
Der Mund geht ihm auf. Und es bricht regelrecht aus Zacharias heraus:

„Gelobt sei der Herr, denn er hat sein Volk besucht!“


Gott kommt zu Besuch!
Gott bleibt nicht auf Distanz. Sondern er kommt und besucht seine Menschen.

Gott besucht uns.
Das ist die Botschaft von Weihnachten.

Aber dieser Besuch braucht Vorbereitung.
Das ist die Botschaft der Adventszeit.

Johannes der Täufer sollte die Menschen auf das Kommen Gottes vorbereiten.
Zacharias sieht das mit prophetischer Klarheit:
„Du, Kindlein, wirst Prophet des Höchsten heißen.
Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest.“

Als ich darüber nachgedacht habe, wurde mir deutlich:
Gott macht sich eine Menge Mühe, um die Leute auf seinen Besuch vorzubereiten. Er beruft extra dafür einen Propheten. Einen Propheten, der nur diese eine Lebensaufgabe hat: Die Herzen der Menschen vorbereiten!

Wenn Gott so einen großen Aufwand betreibt, dann muss das mit der Vorbereitung auf seinen Besuch offenbar ziemlich wichtig sein!

Ohne Vorbereitung kommt der Besuch nicht an.
Das gilt für den Besuch Gottes damals, als er in Jesus auf unsere Erde kam.

Und es gilt auch heute:
Gott will uns besuchen.
Aber ohne Vorbereitung kommt er nicht an.

Ich will mal mit einem Beispiel verdeutlichen, warum das so ist.

In Papua-Neuginea, dieser großen Insel in der Südsee, da leben Menschen, die von der Außenwelt ganz abgeschottet sind. Die leben im Inneren der Insel im dichten Dschungel. Da führen keine Straßen hin. Nur ganz schmale Urwaldpfade. Mit dem Auto kommst Du nicht hin. Wenn Du sie besuchen willst, musst du kilometerweit durch den Urwald laufen.

Die Menschen leben dort in ganz kleinen Siedlungen, sie leben fast wie vor 300 Jahren. In einer dieser Siedlungen landet ab und an ein kleines Flugzeug.

Es ist eine kleine Propellermaschine, wo 4 Leute Platz haben. Sie kennen vielleicht solche Flieger. Winzig und wackelig! Ein mutiger Pilot fliegt sie. Und ein Missionsarzt reist dort mit. Der bringt Medizin und ein paar andere schöne Sachen. Er untersucht die Kranken und hilft ihnen. Er führt ganz einfache Operationen durch. Er erzählt natürlich von der Außenwelt und dem Leben dort.

Dieses Flugzeug kommt extrem selten.
Vielleicht einmal im Jahr.

Vor vielen Jahren hatten die Bewohner dieser Siedlung eine Schneise in den Urwald geschlagen, damit das Flugzeug bei ihnen landen kann. Sie hatten Bäume gerodet, Sträucher rausgerissen, Felsbrocken entfernt, Löcher im Boden aufgefüllt. Und so entstand mitten im Dschungel eine Landepiste.

Die war nötig. Ohne die hätte das Flugzeug nicht landen können. Diese kleinen Maschinen brauchen ja keine 2-Kilometer-Bahn wie am Frankfurter Flughafen. Aber sie brauchen ein Stück freie Bahn, eine freie und halbwegs ebene Schneise im Dschungel.

Immer, wenn das Flugzeug angekündigt wird (irgendwie kriegen die Bewohner das mit), dann muss die Landepiste wieder neu vorbereitet werden. Die wuchert ja total schnell zu. Es ist ja mitten im Urwald. Innerhalb von Wochen schießen da neue Pflanzen aus dem Boden. Ruckzuck ist alles wieder dicht. Also müssen die Leute hin, Bäume zurückstutzen, Büsche und hohe Gräser wegschneiden, Löcher mit Erde auffüllen und die Bahn frei machen.

Ohne freie Landepiste kann das Flugzeug nicht landen, kann der Besuch nicht kommen.


Und ganz ähnlich ist das mit Gott.
Gott möchte bei dir landen.
Aber dafür braucht er eine Landebahn.
Eine freie Bahn in deinem Inneren.

Dein Herz ist Gottes Landepiste.

Und unser Herz ist wie der Dschungel von Papua:
Es wuchert ganz schnell zu.
So vieles wächst da, was einer Landung Gottes im Weg steht.

Ich möchte Sie einladen, sich Ihr Herz einmal als einen Dschungel vorzustellen, in dem Gott landen will!

Vielleicht gibt es da in deinem Herzensdschungel schon eine Landepiste. Vielleicht ist Gott schon öfters bei Dir gelandet. Vielleicht ist die Bahn in deinem Inneren ganz frei und Jesus ist dein täglicher Besucher. Ganz nah und vertraut.

Vielleicht ist es in Deinem Herzen aber auch wie in der Papuasiedlung. Da war mal eine Landebahn für Gott. Aber sie ist überwuchert.

Es gibt so vieles, was in unserer Seele wuchern kann und einer Landung im Weg steht. Ich kenne das von mir.

Bei manchen Menschen sind das Enttäuschungen. Erlebnisse, wo dein Glaube enttäuscht worden ist.
Da hast du gehofft und gebetet, hast dein Vertrauen auf Gott gesetzt. Und dann ist es ganz anders gekommen als du gehofft hattest. Und du hast das Gefühl: Gott lässt mich im Stich. Er kümmert sich nicht.

Vielleicht würdest Du das nie so sagen. Vielleicht möchtest Du das nicht einmal vor Dir selber eingestehen. Aber da ist eine Enttäuschung. Wie eine tiefe Wunde in deinem Herzen. Und es fällt dir schwer, dich neu und mit ganzem Vertrauen Gott entgegen zu strecken.

Geistliche Enttäuschungen – das kann wie eine Blockade sein auf der Landepiste in deinem Herzen.

Auch Schuld kann die Landebahn blockieren.

Eigene Schuld. Wenn wir immer wieder in dieselben Fallen tappen, denselben Mist machen und so frustriert sind über uns selber.

Oder auch die Schuld anderer. Wo Menschen uns Böses getan haben und dieses Böse wie ein giftiger Pfahl in der Seele steckt. Und wo wir das einfach nicht wegkriegen und uns immer wieder daran reiben und verbittern.
Auch das kann die Bahn im Herzen blockieren.

Und dann sind da noch die tausend Sachen, die unsere Aufmerksamkeit fesseln und unsere Zeit binden. Wir sind ja ständig beschäftigt. Ständig müssen wir Sachen erledigen. Ständig kriegen wir Nachrichten aufs Handy. Ständig kommen Anfragen, Ideen, Angebote. Ständig müssen wir planen, entscheiden, abwägen, antworten.

Ich habe den Eindruck: Viele von uns sind immer am Rotieren. Nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich.
Beobachte einmal Deine Gedanken! Wie viele Sachen dir durch den Kopf gehen, selbst wenn du Feierabend hast und äußerlich nichts tust! Irgendwie sind wir gedanklich immer im Hamsterrad, immer unter Strom.

Und Corona macht es ja nicht einfacher. Im Gegenteil: Alles wird noch komplizierter und aufwändiger. Noch mehr, was unsere Festplatte beschäftigt!

Und diese ganzen Sorgen und Anforderungen und Entscheidungen und Ablenkungen, die sind wie Pflanzentriebe, die im Urwald in die Höhe schießen. Die wuchern und wuchern und füllen alles aus.
Da ist überhaupt kein Platz mehr für Gott. Kein freier Platz, wo er landen kann. Alles dicht.


Die Adventszeit ist Vorbereitungszeit.
Eine Zeit, wo wir Gelegenheit, den Landeplatz freizumachen.
Zeit zum Roden.
Zeit, Platz zu schaffen, freie Bahn zu machen für Gott.

Freie Bahn machen – das heißt nicht, dass wir mit viel Anstrengung die ganzen Sachen aus dem Herzen ziehen, die uns blockieren. Es geht nicht darum, diese ganzen Gedanken und Gefühle, die uns so ausfüllen, einfach beiseite zu schieben und einen Leerraum zu schaffen. Das geht ja gar nicht.

Aber wir können diese Dinge mit Gott in Verbindung bringen. Wir können sie Gott hinhalten: Unsere Enttäuschungen und Schuld, die Unruhe und die Sorgen.
Fang doch an, über diese Dinge mit Gott zu sprechen. So schaffst du Platz für Gott. So entsteht eine freie Landebahn.

Die Adventszeit ist nun fast schon zu Ende. Und ich muss sagen, dass es mir mit dem Bahn-machen in diesem Advent nicht gut gelungen ist. Da gab es leider nur ganz wenige kurze Landepunkte für Gott.

Das Gute ist: Gott will ja nicht nur im Advent und nicht nur an Weihnachten bei uns ankommen.
Jeder Tag kann ein Landetag für Gott werden.

Vielleicht finden Sie heute oder morgen kurze Momente zum Roden.
Vielleicht in den ruhigeren Tagen zwischen den Jahren.
Vielleicht nehmen Sie sich da eine halbe Stunde Zeit.
Da können Sie Gott Ihren Herzensdschungel hinhalten und alles, was da wuchert ihm übergeben.
Eine Weile still sein,
Gott wirken lassen,
seiner Nähe bewusst werden.
So entsteht eine Schneise
und Gott kann dich besuchen.
Amen.