Predigt Ernte-Dank 2023 1.Kor.4,7

1.10.2023

J.Berewinkel

Liebe Geschwister! Ernte-Dank – das ist der Tag, wo wir das Staunen lernen können. Es gibt ja Dinge, die sind absolut erstaunlich. Aber mit der Zeit gewöhnt ...

Liebe Geschwister!

Ernte-Dank – das ist der Tag, wo wir das Staunen lernen können.

Es gibt ja Dinge, die sind absolut erstaunlich. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Man staunt nicht mehr, sondern nimmt diese Dinge einfach hin.

Eine Frau besucht eine alte Freundin. Die beiden haben sich jahrelang nicht mehr gesehen. Die Freundin ist umgezogen in eine andere Gegend. Aber jetzt haben sie endlich mal einen Termin ausgemacht. Die Freundin kommt in die Wohnung. Sie unterhalten sich lebhaft, wie das Freundinnen so machen, die sich lange nicht mehr gesehen haben. Und dann schauen sie sich gemeinsam die neue Wohnung an. Alles ist geschmackvoll und neu eingerichtet – die Freundin hatte schon immer einen guten Geschmack. Dann kommen sie in die Küche. Auch hier – alles neu und hübsch. Einbauküche. Alles toll.
Aber da steht in einer Ecke ein Kühlschrank – der passt gar nicht so richtig rein.

Es ist so ein richtig olles Teil. Nicht so schön wie der hier. Sondern so ein altes Gerät, wie man sie früher hatte. Das Weiß ist vergilbt. Er brummt laut. Hat so einen altmodischen Griff zum Aufmachen.

„Du, deine Küche ist ja toll.“ sagt die Frau. „Aber dein Kühlschrank…Warum hast du denn da so ein altes Teil da stehen?“

„Och“, sagt die Freundin, „den hat mir meine Oma vererbt. Der ist zwar nicht mehr schön, aber praktisch. Der füllt sich nämlich von alleine wieder auf.“
„Wie bitte???“
„Ja, der füllt sich von selbst. Wenn ich die Milch leergemacht habe, dann ist am nächsten Tag eine neue drin. Auch Käse und Wurst und Gemüse. Sobald etwas alle ist, füllt er sich wieder auf.“

„Das gibt’s doch nicht.“ sagt die Frau ungläubig. „Und wie soll das funktionieren?“

„Keine Ahnung wie das funktioniert“, erwidert die andere. „Ich kann mich ja nicht die ganze Nacht vor den Kühlschrank hocken und zugucken wie er das macht! Aber es klappt. Morgens mache ich auf – und alles ist drin. Ich habe ihn jetzt schon 3 Jahre und bin ganz zufrieden.
Ich meine – sooo toll ist der nun auch wieder nicht. Beim Joghurt zum Beispiel klappt das mit dem Nachfüllen nicht immer. Letzte Woche habe ich sogar drei Tage ganz ohne Joghurt auskommen müssen. Der hat einfach keinen mehr gemacht.
Und manchmal haben die neuen Tomaten schon braune Stellen. Einmal musste ich sogar eine wegwerfen, so matschig war die. Das hat mich schon ziemlich geärgert.

Na ja, vielleicht sollte ich mich doch mal nach einem neuen umschauen. Es müsste ja eigentlich inzwischen bessere Modelle geben, die nicht so viele Probleme mit dem Joghurt haben.“

Die Frau hört fassungslos ihrer Freundin zu. Und dann fragt sie ganz vorsichtig. „Du, ich könnte dir ja den Kühlschrank abkaufen.“
„Aha?, sagt die andere, „wie viel würdest du mir denn dafür geben?“

Wie viel würdet ihr für so einen Kühlschrank geben, wenn es ihn geben würde? Ein Kühlschrank, der sich immer von alleine wieder auffüllt?

Ich glaube, ich würde sehr, sehr tief ins Portemonnaie greifen.
Und ich würde den für nichts wieder verkaufen, auch wenn die Tomaten noch so viele braune Stellen haben.
Ein Kühlschrank, der sich von selbst füllt – das wäre doch absolut fantastisch.
Jeden Morgen würde man mit totaler Spannung die Kühlschranktür öffnen und – staunen, dass er wieder voll ist.

Obwohl – wer weiß? Vielleicht würde ich mich nach drei, vier Monaten einfach daran gewöhnt haben, genau so wie diese Freundin. Irgendwann wäre es normal, dass er sich immer wieder von selber füllt. Und irgendwann würde man sich vielleicht auch über den fehlenden Joghurt ärgern.

Selbst an einen so zauberhaften Kühlschrank würden wir uns wohl gewöhnen, und das Staunen würde irgendwann aufhören.

Dieser zauberhafte Kühlschrank – das ist ein Bild für unsere Welt.
Wir leben in einer zauberhaften Welt, in der alles von alleine nachwächst.
Jedes Jahr wachsen neu die Pflaumen und Äpfel an den Bäumen und die Trauben am Weinstock.
Das Gras wächst von alleine und die Euter der Kühe füllen sich von alleine mit Milch.
Wir säen ein bisschen Saatgut aus und aus dem bisschen wächst Getreide und Gemüse und was wir sonst zum Leben brauchen.

Die Welt füllt sich von allein wieder auf.
Natürlich müssen wir hier und da mit anpacken: müssen Saatgut in die Erde stecken, die Kühe melken, Weinstöcke beschneiden und Äpfel vom Baum holen. Aber das Eigentliche, dass etwas wächst – das können wir nicht machen. Das geschieht von selbst. Wir stehen daneben, können zuschauen, staunen, ein bisschen unterstützen. Aber bewirken tun wir es nicht. Wir können mit aller unserer Wissenschaft nicht einen einzigen Apfel herstellen.

Die Welt füllt sich von alleine auf.
Das ist real. Und es ist absolut fantastisch. Noch fantastischer und wunderbarer als so ein zauberhafter Kühlschrank.

Wir alle leben von einem Wunder, leben davon, dass uns etwas geschenkt wird!

Das gilt nicht nur für die Nahrung.
Es gilt für unser ganzes Leben.

Der Apostel Paulus schreibt einmal im ersten Brief an die Korinther (4, 7):
„Was hast du, das du nicht empfangen hast?“
Diese Frage möchte ich Euch heute weitergeben.
Was hast du, das du nicht empfangen hast?

In der Gemeinde in Korinth gab es einige Leute, die waren ziemlich reich. Sie waren gebildet, konnten sich viele Annehmlichkeiten leisten – und nahmen das wie selbstverständlich hin. So ein bisschen wie der reiche Mann in dem Gleichnis, das wir eben gehört haben.
Man hat viel und nimmt das wie selbstverständlich hin.

Und denen stellt Paulus diese Frage: Was hast du, das du nicht empfangen hast?
Es ist ja eine rhetorische Frage. Paulus stellt damit klar:
Alles Wesentliche in unserem Leben haben wir uns nicht verdient, sondern haben es empfangen!

Dass wir einen halbwegs gesunden Körper haben, Hände, die anpacken können, Beine zum Laufen, ein Herz, das regelmäßig schlägt – das haben wir uns nicht erarbeitet.

Dass wir ein Gehirn haben, das ordentlich funktioniert, das uns befähigt, zu denken, zu rechnen, Pläne zu schmieden, anspruchsvolle Arbeiten zu erledigen – das ist uns geschenkt worden.

Unsere Sprache – die haben wir empfangen.
Wir können reden, weil wir angeredet wurden als wir klein waren.
Die Talente und Begabungen, die jeder von uns hat – die sind uns in die Wiege gelegt worden.

Menschen, die uns lieben, die auf unserer Seite stehen: Unsere Eltern, Partner, Kinder, Freunde. – das haben wir uns doch alles nicht verdient. Das haben wir empfangen!
Alles Wesentliche in unserem Leben wird uns geschenkt.
Und auch die Sachen, von denen wir leben – das Frühstück heute morgen – Brot und Brötchen – das haben wir empfangen.
Natürlich – wir haben bezahlt. Da hat jemand für gearbeitet, um das herzustellen. Und wir haben ihn dafür entlohnt. Aber der Bäcker kann nur backen, wenn Getreide auf dem Feld wächst. Der kann es nicht machen. Und der Bauer kann den Weizen auch nicht wachsen lassen. Es wird empfangen.
Und wir können bezahlen, weil wir jeden Monat Geld überwiesen kriegen. Und wir kriegen das, weil arbeiten können, weil wir Verstand und Kraft und eine gute Ausbildung haben.

Wer sagt: Das, was ich habe, das habe ich mir alles verdient – der hat eine Maulwurfsperspektive. Der sieht nur von hier bis hier. Wer tiefer schaut, der erkennt: Es ist alles empfangen. Alles ein Geschenk:

Das Brot auf dem Tisch. Gemüse und Obst.
Das Wasser aus der Leitung. Die Luft zum Atmen. Der Regen. Die Sonne.

„Was hast du, das du nicht empfangen hast?
Aber woher empfangen wir?
Bei der Frage, wer den zauberhaften Kühlschrank der Freundin auffüllte, blieb die Antwort offen. „Keine Ahnung, wie das funktioniert!“

Bei der Frage, wer diese Welt auffüllt, wer unser Leben immer neu beschenkt, da braucht die Antwort nicht offen bleiben.

Denn die Bibel gibt uns hier eine deutliche Antwort:
In einem Psalm in der Bibel heißt es:
„Gott ist die Quelle des Lebens“. (Ps. 36, 10)

Er ist der Ursprung aus dem alles kommt:
der das Leben hervorgebracht hat,
der das Wachstum bewirkt bei Pflanzen und Tieren und Menschen,
der uns mit Körper, Geist und Kraft ausstattet, mit Gesundheit, mit Nahrung und mit tausend anderen guten Dingen.

Er ist der unsichtbare Geber, von dem wir ständig empfangen, auch wenn wir es überhaupt nicht bemerken.
Der uns täglich beschenkt; der Tag für Tag auffüllt, was wir zum Leben brauchen, was diese Welt zum Leben braucht.

Nun fragen sich vielleicht manche von uns: Ist das denn wirklich so rosarot und einfach? Ist das Leben in Wirklichkeit nicht viel härter, viel rätselhafter?
Wir erleben ja nicht nur, dass wir beschenkt werden, sondern auch, dass wir vieles nicht haben oder wieder verlieren.

Manche verlieren durch harte Arbeit ihre Gesundheit.
Andere verlieren einen lieben Menschen.
Es gibt große Wünsche, die unerfüllt bleiben.
Viele Menschen in der Welt haben keinen vollen Kühlschrank im Haus, sondern müssen mit hungrigem Magen schlafen gehen.

In der Welt ist vieles rätselhaft und dunkel.
Die Bibel sagt: Wir leben in keinem Schlaraffenland, in keiner heilen Welt, sondern in einer Welt, deren Verbindung zu Gott gestört ist.
Der Ast, der uns mit dem Stamm verbindet, mit Gott, dem Ursprung des Lebens, der ist angesägt.
Daher das Leid, das Dunkel in der Welt.

Manchmal ist das Leid, das wir erleben, so viel, so erdrückend, dass es allen Segen überdeckt, den es in unserem Leben auch gibt. So wie das erste Herbstlaub die Blumen im Garten überdeckt.

Alles kommt darauf an, genauer hinzuschauen, tiefer hinein zu sehen in unser Leben, in diese Welt.

Dann können wir unter dem Laub die Blumen entdecken.
Dann können wir entdecken, wie viel Geschenke uns Gott jeden Tag macht, trotz all dem Leid.

Als Christ leben, heißt, dass wir unsere Wahrnehmung von Gott verändern lassen.
Die Weise, wie wir diese Welt und unser Leben betrachten.

Unsere Wahrnehmung hat ja viel mit Gewohnheit zu tun. Wer so einen zauberhaften Kühlschrank hat, der gewöhnt sich irgendwann daran. Und dann ist das irgendwann total normal und selbstverständlich.
Und wie wir die Welt anschauen, das hat auch mit Gewöhnung zu tun.
Wir sehen einen Apfelbaum und finden es total normal, dass da wunderschöne, gesunde, leckere Äpfel dran hängen.
(Kita-Kinder)

Wir können uns einüben, anders auf die Schöpfung zu schauen. Unsere Wahrnehmung zu verändern. Mit Staunen und mit Dankbarkeit auf die Schöpfung zu schauen.
Über die Schöpfung staunen, so wie wir über einen zauberhaften Kühlschrank staunen würden.

Und dann können wir aus dem Staunen ins Danken kommen und Gott sagen:
Wow, was hast du das toll gemacht!
Wow, wie großzügig beschenkst du mich!
Ich danke dir, denn alles, was ich habe, habe ich von dir empfangen.

Amen.