Predigt G-MIT, 11.6.2023 Thema: Kirche wozu? Glauben kann ich auch allein!

11.6.2023

J.Berewinkel

Liebe Geschwister, wenn Sie das Wort „Kirche“ hören, welche Assoziation kommt da als erstes hoch? Welches Bild steigt auf? Welches Gefühl? … Ich möchte Ihnen mal ein ...

Liebe Geschwister,
wenn Sie das Wort „Kirche“ hören, welche Assoziation kommt da als erstes hoch? Welches Bild steigt auf? Welches Gefühl? …

Ich möchte Ihnen mal ein Bild zeigen, das Sie garantiert nicht mit Kirche verbinden:

(F: Flusspferd)
Bei diesem Flusspferd sieht man fast nur noch den Schlamm. Tag für Tag legt es sich neue Schlammkrusten an. Man müsste ziemlich lange schrubben, bis man dieses Tier vom Schlamm befreit hat und bis man sieht, wie es wirklich aussieht.

Mit Kirche ist es so ähnlich. Auf diesen Begriff hat sich über 2000 Jahre eine Schmutzschicht nach der anderen gelegt. Der Schlamm von Jahrhunderten liegt auf diesem Wort, und man erkennt kaum noch, was unter dieser Schmutzschicht liegt, was Kirche eigentlich bedeutet, was sie dem Ursprung nach ist.

Ich will jetzt mal mit Ihnen versuchen, die Schlammschichten ein bisschen abzukratzen. Vielleicht können wir dann entdecken, was Kirche ist und wozu sie da ist.

Wenn Menschen heute das Wort „Kirche“ hören, dann denken viele zunächst einmal an eine Institution: Die Evangelische Kirche, die Katholische Kirche. Große Institutionen, die sich über lange Zeiträume entwickelt haben, mit festen Strukturen und Gesetzen, Ämtern und Steuern, Gebäuden und Beamten. Alles eng verflochten mit dem Staat.

Vieles an dieser Institution Kirche ist gut und nützlich. Keine Frage.
Aber da ist auch vieles, was dem eigentlichen Wesen von Kirche fremd ist, was wie eine dunkle Schicht darüber liegt und das Wesentliche verdeckt.
Kirche ist ihrem Wesen nach nicht Institution. Das ist nur sekundär.

Wenn Menschen das Wort „Kirche“ hören, dann denken viele sofort an die hauptamtlichen Vertreter dieser Kirche: An Pfarrer und Pfarrerinnen, an Bischöfe oder Präsides oder Leitungsgremien. Mit diesen Leuten verbindet man vielleicht gute Erfahrungen. Vielleicht aber auch andere. Vielleicht ist da tiefe Enttäuschung oder auch Zorn, weil sich diese Leute nicht so verhalten haben, wie man es erwarten sollte.

Und damit sind wir bei einer ganz dicken, ganz dunklen Schicht, die über dem Begriff „Kirche“ liegt: Eine dunkle Geschichte von Schuld.
So viel Machtmissbrauch, so viel Verlogenheit und Heuchelei, so viel Gewalt, so viel Unrecht an Schutzbefohlenen, so viel Gier und Jagen nach dem eigenen Vorteil. Das alles liegt wie eine dunkle Schicht über der Kirche, nicht so lustig wie die Schlammschicht bei einem Nilpferd.
Das alles ist leider wahr, und es ist schlimm, und da ist überhaupt nichts schönzureden. Aber es ist nicht das Wesen der Kirche.

Wenn wir jetzt einmal diesen ganzen Schlamm und Schmutz abkratzen, was sehen wir dann? Was ist Kirche in ihrem Kern, und wozu ist sie da?

Unser deutsches Wort „Kirche“ kommt von einem griechischen Wort, das heißt: Kyriake. Kyrios ist der „Herr“ und Kyriake sind die Menschen, die zum Herrn gehören.

Das führt uns zum Beginn dieser Bewegung. Zur Urgemeinde, der Ur-Kirche. Da, ganz am Anfang, können wir am klarsten sehen, was Kirche ihrem Wesen nach ist. Und von ihrem Wesen her verstehen wir auch, wozu sie gut ist.

Es gibt in der Bibel, in der Apostelgeschichte, einen Bericht über den Anfang von Kirche. Es war nach dem Pfingstfest. Die Jünger von Jesus waren ja nach seinem Tod ziemlich niedergeschlagen. Und auch Ostern, seine Auferstehung, hat sie noch nicht so richtig in Schwung gebracht. Dann kam das Pfingstfest. Der Geburtstag der Kirche. Da fingen die Nachfolger von Jesus an, anderen Leuten von Jesus zu erzählen. Petrus hielt zB eine Predigt vor vielen Menschen. Und Lukas berichtet nun von der Reaktion der Menschen in Jerusalem:

(F: Ac 2, 41-47)

„Viele nahmen die Botschaft an, die Petrus verkündet hatte, und ließen sich taufen. An diesem Tag gewann die Gemeinde ungefähr 3000 Menschen hinzu. Die Menschen, die zum Glauben gekommen waren, trafen sich regelmäßig und ließen sich von den Aposteln unterweisen. Sie lebten in enger Gemeinschaft, brachen das Brot miteinander und beteten. Die Leute in Jerusalem wurden von Ehrfurcht ergriffen. Denn durch die Apostel geschahen viele Wunder und Zeichen. Alle Glaubenden hielten zusammen und verfügten gemeinsam über ihren Besitz. Immer wieder verkauften sie Grundstücke oder sonstiges Eigentum. Den Erlös verteilten sie an die Bedürftigen – je nachdem, wie viel jemand brauchte. Tag für Tag versammelten sie sich als Gemeinschaft im Tempel. In den Häusern hielten sie die Feier des Brotbrechens. Voller Freude und in aufrichtiger Herzlichkeit aßen sie miteinander das Mahl. Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk hoch angesehen. Der Herr aber führte täglich weitere Menschen zur Gemeinde, die gerettet wurden.“

Das ist Kirche. So ist sie von Gott gedacht.
Wenn wir uns das einmal anschauen, dann merken wir schnell, was wesentlich ist für die Kirche und wozu sie auch heute noch gut ist.

Das erste Kennzeichen: Kirche ist eine Gemeinschaft.
Am Anfang – da steht keine Institution, keine Ämter, keine Rechtsbestimmungen: Es ist eine Gemeinschaft von Menschen, die da zusammenkommen.
Und das besondere dieser Gemeinschaft ist: Sie haben eine unsichtbare Mitte. Jesus, der Herr, der Auferstandene, ist durch seinen Geist dabei. Er ist der Mittelpunkt. Sie hören auf seine Worte, die die Apostel weitergeben. Sie feiern seine Präsenz im Abendmahl. Sie beten zu ihm. Es ist Kyriake. Eine Gemeinschaft um diesen Herrn herum.

(F: Kirche – Gemeinschaft um Kreuz)

Nimm diese Mitte weg, nimm den Herrn da raus, dann zerfällt die Kirche. Dann verliert sie ihr Wesen.

Das ist immer wieder das eigentliche Problem gewesen. Die Vertreter der Kirche haben zwar weiter den Namen des Herrn im Mund geführt und haben das Kreuz überall hin gehängt. Aber viel zu oft haben sie sich nicht wirklich an Jesus orientiert, sondern ihre eigene Agenda verfolgt.

Kirche ist nur Kirche, wenn diese unsichtbare Mitte da ist, wenn der Auferstandene im Mittelpunkt steht. Und je näher wir ihm kommen, je mehr wir uns an ihm orientieren, desto näher kommen wir einander, desto stärker wird die Gemeinschaft.

Natürlich kann man auch allein an Gott und an Jesus glauben.

(F: Nur einer)
Aber stellt euch vor, ich wäre hier allein.
Da wird der Glaube einlinig und eng und starr.
Ich hab dann eben nur meine Perspektive, meine Erfahrung. Da stagniert man irgendwann.

(F: Gemeinschaft um Kreuz)
Aber in der Gemeinschaft mit anderen kann ich immer wieder neue Seiten an Jesus entdecken. Ich höre von den Erfahrungen, die andere mit dem Glauben machen und das inspiriert und weitet meine Sicht. Wie wir das eben von Antje und Angelika gehört haben: Glauben in der Gemeinschaft weitet den Horizont, öffnet neue Perspektiven, bereichert und vertieft mein Verständnis.

Kirche – eine Gemeinschaft um eine unsichtbare Mitte herum, die meine Sicht auf Jesus, auf Gott, immer wieder inspiriert und vertieft und erweitert. Das ist das erste Kennzeichen.
Dann ein zweites Kennzeichen, was die Urkirche ausmachte:
Sie teilten.
Sie teilten ihre Zeit und waren viel zusammen.
Sie teilten das Brot.
Sie teilten sogar ihren Besitz.
Die Reichen gaben den Armen und so hatten alle etwas und niemand musste Not leiden.

(F: Teilen)
Kirche ist eine Gemeinschaft, wo man miteinander teilt.

Natürlich kannst du auch allein als Christ leben.
Das ist möglich. Aber es ist schwer.
Wir haben alle manchmal Durchhänger, auch im Glauben.
Manchmal brauchst du einfach andere Menschen, die dich tragen und ermutigen, die ihre Zeit mit dir teilen und ihren Mut und ihre Weisheit, die mit dir mitseufzen und mit für dich beten.
Und manchmal bist du es, der andere tragen kann, der andere ermutigen oder eine Not lindern kann, indem du etwas mit ihnen teilst.

Viele Dinge gehen in Gemeinschaft einfach besser als allein.
Wenn du regelmäßig Sport machen willst, dann ist es einfacher, wenn du dich mit anderen verabredest. Die Gruppe zieht dich mit, wenn du einen Durchhänger hast.
Die Gemeinschaft macht es leichter. Deswegen gibt es weight watcher und Anonyme Alkoholiker und viele Selbsthilfegruppen.

Kirche ist eine Art geistliche Selbsthilfegruppe, wo man miteinander seinen Glauben teilt und seine Zweifel, wo man gemeinsam Erfolge feiern kann und wo man sich gegenseitig durchträgt, wenn man einen Durchhänger hat.

In meiner früheren Gemeinde hatten wir einen Hauskreis. Wir trafen uns da alle vierzehn Tage und haben zusammen einen Bibeltext gelesen. Wir haben uns ausgetauscht, was das für unser Leben bedeutet. Wir teilten da ganz viel: Unsere Einsichten, unsere Erfahrungen. Manche waren gut drauf und erzählten, was sie froh macht und andere hatte Sorgen und haben das geteilt und wir haben füreinander gebetet.
Oft war das so, dass am Ende mehrere Leute sagten: Ach, ich hatte eigentlich heute gar keine Lust gehabt und wäre am liebsten zu Hause auf dem Sofa geblieben. Aber jetzt bin ich froh, dass ich gekommen bin. Das hat mir so richtig gutgetan.

Kirche ist eine Gemeinschaft, wo man teilt und sich so gegenseitig stärkt.

Und ein drittes Kennzeichen der Urkirche:

Sie feierten miteinander und zwar fröhlich!
„Voller Freude aßen sie miteinander und lobten Gott“.

(F: Feiern)
Wenn man damals als Passant bei einem Haus vorbei ging, wo die Christen sich trafen, dann hörte man sie. Sie sangen und lachten und waren bester Laune.
Und sie hatten ja allen Grund dafür!
Sie haben erfahren, dass durch Jesus der Tod nicht mehr das Ende ist, dass Gott ganz nah ist, dass er uns sogar liebt und wir mit ihm in Kontakt sein können, dass unser Leben auf der Erde einen Sinn hat und wir jetzt schon daran mitwirken können, die Welt zum Guten zu verändern.
Sie hatten Grund zum Feiern und haben fröhlich Gott gelobt und die Freude rausgelassen.

Das wäre doch was: Wenn man beim Wort „Kirche“ sofort an Feier und Freude und Lachen denkt! Oder?
Wir sind noch nicht ganz da.
Aber manchmal erleben wir es auch heute.
Hier in so einem schönen Gottesdienst!
Oder gerade in Nürnberg beim Kirchentag, wo nicht nur heftig diskutiert wird, sondern auch fröhlich gefeiert wird.

Wir haben Grund zur Freude, zum Feiern, zum Loben. Weil Jesus, der Auferstandene, mitten unter uns ist und wir zusammen mit ihm die Welt ein Stückchen heller machen und wir durch ihn Hoffnung haben und ein großes Ziel.

Ich wünsche mir das so, dass diese Fröhlichkeit und Feierlaune noch viel stärker unser Gemeindeleben und unsere Kirche prägt.

Fröhlich feiern – ein Kennzeichen von Kirche.
Und das kannst du eben nicht allein.

Du kannst dir das tollste Festessen nach Hause liefern lassen und den besten Wein kaufen. Du kannst dir den Tisch wunderschön decken und super fröhliche Musik anmachen. Aber wenn du dann allein am Tisch sitzt – das ist keine Feier.

Feiern kann man nicht allein. Dazu brauchst du andere. Das geht nur in Gemeinschaft.

Dazu ist Kirche da! Dass wir gemeinsam feiern und fröhlich Gott loben.

Drei Kennzeichen von Kirche:
Eine Gemeinschaft, die eine unsichtbare Mitte, die sie verbindet. Die teilt und die fröhlich feiert.

Und so eine Kirche ist attraktiv. Täglich kamen neue Leute dazu.

Heute ist es etwas anders.
Heute gehen täglich aus dieser Kirche raus.
Zumindest bei uns in Deutschland.
Weltweit sieht es ganz anders aus. Da wachsen die Kirchen vielfach. Aber bei uns findet gerade ein massiver Umbruch statt.

Fakt ist: Wir sind schon lange keine Volkskirche mehr.
Seit letztem Jahr sind die Christen eine Minderheit in unserem Land.
Es gibt keine Selbstverständlichkeit mehr, dazu zu gehören, seine Kinder taufen zu lassen, den Glauben an die nächste Generation weiterzugeben.

Wir haben noch die große Struktur einer Volkskirche, sind aber schon Minderheitskirche. Da wird es in den nächsten Jahren massive Veränderungen geben.
Und was da kommt, wie die Kirche in 20 Jahren aussehen wird, das weiß kein Mensch.

(F: Gemeinschaft)
Wie kann es weitergehen?
Entscheidend wird sein, dass wir uns auf den Kern besinnen. Sozusagen zurück auf LOS gehen. Wieder zu dieser Mitte finden, Jesus in den Mittelpunkt rücken. Wieder teilen lernen und feiern. Da kann neu Kirche wachsen. Wahrscheinlich ganz anders. Weniger als große Institution, weniger als Hauptamtlichenkirche, eher als Netzwerk von vielen engagierten Einzelnen.

Das gilt für die Kirche insgesamt. Und das gilt auch auf der persönlichen Ebene.
Sie können sich über die Kirche ärgern und zu Recht.
Sie können ihr den Rücken kehren oder einfach auf Halbdistanz bleiben.
Sie können aber auch Teil der Lösung werden und die Zukunft dieser Gemeinschaft aktiv mitgestalten.

Hier in unserer Auferstehungsgemeinde oder in einer anderen Gemeinschaft, zu der Sie gehören.

Sie können Teil einer Gemeinschaft sein, wo Jesus der Mittelpunkt ist, wo wir den Glauben und das Leben teilen und fröhlich Gottes Liebe feiern.

Denn gemeinsam sind wir stark!

Amen.